Samstag mit Mondtag: Theaterkolumne

Wenn die Hoffnung stirbt

Der Theaterregisseur Ersan Mondtag in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur
Theaterregisseur Ersan Mondtag © Deutschlandradio / Matthias Horn
Von Ersan Mondtag · 25.03.2017
Anders als der Glauben brauche die Hoffnung einen Bezugspunkt in der Welt, meint der Regisseur Ersan Mondtag in seiner Theaterkolumne. Mondtag versucht die Frage zu beantworten, ob die Hoffnung fehlen würde, wenn sie als Begriff aussterben sollte.
Wenn ein großer Begriff stirbt, dann stinkt er entweder, er vergiftet das Grundwasser des Gesprächs oder wird eine peinliche Erinnerung. Man nimmt ihn nicht mehr in den Mund. Aber wenn es ein großer Begriff war, dann fehlt etwas. Man hat nichts mehr, um zu sagen, wofür er stand. Liebe ist so ein Wort. Heute liebt man seinen Partner, seinen Hund, sein Iphone, das ach so sensationelle Sonderangebot. Man benutzt es für alles und also passt es für nichts. Gleiches gilt für das Wort Hoffnung.
Von der Erlösung bis zum Lottogewinn, vom guten Wetter bis zur Gesundheit. Wie kann man, wenn man als kritischer Diskursteilnehmer gelten will, noch einen so vage verkommenen Begriff gebrauchen. Allenfalls mitleidig und resignativ und nie ohne den Zusatz, die Hoffnung sterbe ja zuletzt. Der Salonlöwe ist der Pessimist, die negative Bestandsaufnahme vom Untergang, der Demokratie, des Westens, des Konsums, ist der Trick, um nicht als naiv zu gelten, quasi ein Maskenball, auf dem es fancy ist sich als Heiner Müller verkleiden.
Denn der hat ja gesagt, Hoffnung sei nur Mangel an Information. Das Problem ist: es ist ein Trick, aber einer den man nicht eingestehen will. Genau wie im Theater bei einer Tragödie alle, auch wenn sie sich gelangweilt haben, immer noch sich einreden können, sie waren ergriffen. Bei der Komödie, wenn keiner lacht, ist viel klarer, dass da nichts gewesen ist. Und das ist der Punkt: Fehlt etwas, wenn wir keinen Begriff mehr von Hoffnung haben. Jenseits passiver religiöser Erbaulichkeit. Fehlt etwas, was man dem schwarzen Zerrbild der Hoffnung: dem Fanatismus, entgegensetzen kann? Kann man etwas nicht mehr formulieren, was aber wichtig ist? Zunächst ist Hoffnung etwas ganz anderes als der Glaube. Die Hoffnung ist etwas eigenständiges, sie verlangt vor allem, anders als der Glaube, einen Bezugspunkt in der Welt. Ihr geht eine Analyse voraus, die eine bestimmte Entwicklung plausibel macht. Sie ist eine Verstandesleistung. Von der Erlösung bis zum Lottogewinn, vom guten Wetter bis zur Gesundheit. Wie kann man, wenn man als kritischer Diskursteilnehmer gelten will, noch einen so vage verkommenen Begriff gebrauchen. Allenfalls mitleidig und resignativ und nie ohne den Zusatz, die Hoffnung sterbe ja zuletzt.

Hoffen hat eine Renaissance verdient

Der Salonlöwe ist der Pessimist, die negative Bestandsaufnahme vom Untergang, der Demokratie, des Westens, des Konsums, ist der Trick, um nicht als naiv zu gelten, quasi ein Maskenball, auf dem es fancy ist sich als Heiner Müller verkleiden. Denn der hat ja gesagt, Hoffnung sei nur Mangel an Information. Das Problem ist: es ist ein Trick, aber einer den man nicht eingestehen will. Genau wie im Theater bei einer Tragödie alle, auch wenn sie sich gelangweilt haben, immer noch sich einreden können, sie waren ergriffen. Bei der Komödie, wenn keiner lacht, ist viel klarer, dass da nichts gewesen ist. Und das ist der Punkt: Fehlt etwas, wenn wir keinen Begriff mehr von Hoffnung haben. Jenseits passiver religiöser Erbaulichkeit. Fehlt etwas, was man dem schwarzen Zerrbild der Hoffnung: dem Fanatismus, entgegensetzen kann? Kann man etwas nicht mehr formulieren, was aber wichtig ist? Zunächst ist Hoffnung etwas ganz anderes als der Glaube. Die Hoffnung ist etwas eigenständiges, sie verlangt vor allem, anders als der Glaube, einen Bezugspunkt in der Welt. Ihr geht eine Analyse voraus, die eine bestimmte Entwicklung plausibel macht. Sie ist eine Verstandesleistung.
Sie kann sich auf etwas beziehen, das jenseits der eigenen Macht liegt. Sie kann sich auf etwas beziehen, was man selbst getan und begonnen hat. Hoffnung ist eine Haltung. Eine Haltung gegen den dekorativen Pessimismus auf der einen, gegen den Fanatismus auf der anderen Seite. Sie setzt einen in Beziehung zu einer Zukunft, aber kraft Denkens. Ansonsten wäre sie Astrologie. Es scheint, dass es nicht stimmt, dass wir in diesem Sinne eine Naturbegabung zum Hoffen haben. Wir haben auch keine Naturbegabung Unterschiede auszuhalten oder sogar in Unterschieden etwas Bereicherndes zu sehen. Von Natur aus ziehen uns Ähnlichkeiten an, gesellt sich gleich und gleich gern, spendet die Zugehörigkeit zu etwas eine Sicherheit, die man Seit an Seite mit den anderen ähnlichen mit Zähnen und Waffen verteidigt.
Das Hoffen hat seine Renaissance verdient, wenn man zu hoffen denken lernt und dann eine Haltung einnimmt, mit der man seine Hoffnung auch vertritt. Ohne die Hoffnung bleibt nur die Herde, der Fanatismus, seine Placebozukunft auf Kosten anderer, gemäß der Devise, man muss nicht schneller sein als der Hai, nur schneller als die anderen Schwimmer. Aber der Hai verschwindet nicht, wenn er alle anderen gefressen hat. Hoffnung auf Kosten anderer ist gar keine, sondern Selbstbetrug. Ein großer Philosoph hat gesagt, die Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen gegeben. Das heißt: wer Hoffnung nicht denkt, der hat keine Haltung zu den Hoffnungslosen. Und ist also hoffnungslos haltungslos. Wir alle schauen in die Gasse, meinte für seine Verhältnisse ungewöhnlich melancholisch Oscar Wilde in der bösen Komödie Lady Windermeres Fächer, aber auch wenn alle in die Gasse schauen, schauen einige zu den Sternen. Die Gasse ist halt kein Argument gegen die Sterne.