"Same procedure as every year"

Von Beatrix Novy · 08.03.2013
Für viele Deutsche gehört die Geschichte von Miss Sophie und ihrem Butler James zu einem gelungenen Silvesterabend. Am 8. März 1963 stolperte James zum ersten Mal im Fernsehen über das legendäre Tigerfell. Bis heute steht das kleine Stück Unterhaltung für typisch britischen Humor.
"Oh, by the way: The same procedure as last year, Miss Sophie?"

Ganz überflüssige Frage, James.

"The same procedure as every year, James."

"Wer bitte, sagt mir, warum aus diesem Jux ein solcher europäischer Erfolg geworden ist?"
schrieb der Regisseur Heinz Dunkhase, lange, nachdem er den Sketch "Dinner for One" für den Norddeutschen Rundfunk eingekauft hatte. Am 8. März 1963 waren Freddie Frinton und May Warden als Butler James und Miss Sophie im deutschen Fernsehen live aufgetreten - bei Peter Frankenfeld.

"Verehrtes Publikum, meine Damen und Herren, wir befinden uns hier auf dem Landsitz von Miss Sophie …"

Im Sommer desselben Jahres zeichnete der NDR in Hamburg den Sketch vor Publikum auf. Seitdem läuft er und läuft: jedes Jahr zu Silvester.

Miss Sophie: "Mr. Winterbottom."

James (betrunken): "You are the nicest little woman, the nicest little woman!"

Die kurze Geschichte von der alten Dame, die ihren 90. Geburtstag mit vier imaginären, weil dahingeschiedenen Freunden feiert, und ihrem Butler, der alle vier im Rollenspiel verkörpert, was zu vierfachem Alkoholkonsum und entsprechender Entfesselung führt - diese Geschichte existiert seit 1921. Vergessen ist Lauri Wylie, der Autor des kleinen Sketchs, der, wie Tausende andere von diversen Komikern quer über die britischen Inseln gespielt wurde. So hatte Heinz Dunkhase "Dinner for One" kennengelernt.

"Wenn man diese Geschichte mit Ernst angehen will, bitte: Es begann in Blackpool. Peter Frankenfeld und ich waren für eine neue Sendereihe des NDR-Fernsehens mit dem Titel 'Guten Abend, Peter Frankenfeld!' nach Blackpool gereist, denn dort gab es - wie nirgendwo anders auf der Welt - Variété-Theater zuhauf. In diesem scheußlichen Nest waren es dreizehn an der Zahl."

Der geschichtsträchtige Moment ereignete sich am vorletzten Tag ihres Aufenthalts: Dunkhase und Frankenfeld sahen Freddie Frinton, und sie wollten ihn und seine Partnerin sofort. Frinton wollte nicht, schließlich war der Krieg noch nicht so lange her. Und als er schließlich doch wollte, stellte er eine Bedingung: nicht in der Sprache des Feindes! Peter Frankenfeld hatte keine Bedenken:

"Das ist völlig ohne Belang. Sie werden also dieses ungewöhnlichste Geburtsdinner, das es je gab, ohne Mühe verfolgen können."

Dass der Sketch den Deutschen in englischer Sprache gezeigt wurde, hat ihm nicht nur nicht geschadet; es hat sein Image als Inbegriff der Britishness gefördert. Nur wussten die Briten nichts davon.

"No, no. Definitely not." - "No. I haven’t, sorry. Have I disappointed you?" - "No, sorry."

antworteten sie, wenn sie um die Silvesterzeit von deutschen Reportern nach "Dinner for One" gefragt wurden. Lag es daran, dass England so verwöhnt war? Dass der kleine Sketch nur ein Partikel war im umfangreichen Bestand einer langen humoristischen Tradition? Oder nagte er heimlich am britischen Selbstwertgefühl, wie der Kulturwissenschaftler Rainer Stollmann einmal - ob ernst gemeint, tut nichts zur Sache - analysierte?

"Der Tigerkopf setzt aber gleich die ganze Assoziationskraft frei in das britische Kolonialreich, denn in England leben ja bekanntlich keine Tiger. Also muss es doch irgendeine Verbindung zu Indien geben, wo dieses Tigerfell herkommt und da haben wir die Kolonialgeschichte."

Es gibt Leute, die sich ernsthaft fragen, was daran komisch sein soll, wenn ein Betrunkener über ein Tigerfell stolpert. Während andere bei diesem Running Gag ihr Gelächter zur Ekstase steigern.

"Worüber stolpert James? Über die Kolonialgeschichte. Das ist sicher kein Zufall."

Sehr viel häufiger als an der britischen Gleichgültigkeit hat sich die Kulturkritik an der deutschen Begeisterung abgearbeitet. "Dinner for One" erfüllt den Wunsch nach dem Immergleichen, den Ritualen, ohne die Festtage wie Silvester nicht denkbar sind. Dieser Erfolg ist ein frühes Fernsehphänomen, ein Beispiel dafür, wie vervielfachte, sich selbst kommentierende Faszination zum autonomen Ereignis wird und damit zu dem, was man dann Kult nennt. Aber - was brachte den Stein ins Rollen? Heinz Dunkhase hat sich das damals so erklärt:

"Es ist der Furz irgendeines Autors. Aber - dreimal aber - was Freddie Frinton daraus machte, das hat den Erfolg gebracht!"
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