"Samba für Frankreich"

Authentische Einwanderergeschichte

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Arbeiter ohne offizielle Arbeitserlaubnis demonstrieren in Paris - der Romanheld Samba besorgt sich einen falschen Namen und Papiere, um arbeiten zu können. © imago / PanoramiC
Von Ursula März · 24.01.2015
Delphine Coulins Roman "Samba für Frankreich" liest sich wie ein Kommentar zu den aktuellen Geschehnissen in Frankreich. Anschaulich und präzise erzählt die Schriftstellerin vom schwierigen Leben eines Einwanderers aus Mali in Paris.
Näher kann Literatur dem aktuellen politischen Geschehen kaum kommen. Denn wer in diesen Tagen den Roman "Samba für Frankreich" über einen jungen afrikanischen Immigranten liest, wird unwillkürlich an Lassana Bathily denken. So heißt der aus Mali stammende 24-jährige, der von der französischen Nation gerade als "Held von Paris" gefeiert wird, weil er während der Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt am 9. Januar 2015 einigen Kunden half, sich vor dem Terroristen in einem Kühlraum zu verstecken. Als Dank für seine patriotische Zivilcourage soll er nun die französische Staatsbürgerschaft erhalten, um die er sich seit 2006 vergeblich bemüht.
Mühsames Einleben und drohende Abschiebung
Dies ist die Realität. Und der Roman, den die die 1972 geborene französische Regisseurin und Schriftstellerin Delphine Coulin verfasst hat, fügt sich in diese Realität wie ein Parallelkommentar. Denn Samba, so der Name des Romanhelden, stammt wie der "Held von Paris" aus dem kriegsversehrten Mali. Wie dieser erreichte er Frankreich unter lebensbedrohlichen Umständen, und wie dieser kämpft er in Paris um seine Einbürgerung, um seinen rechtlich gesicherten Status als Franzose.
Samba war neunzehn Jahre alt, als er aus Mali flüchtete. Zehn Jahre lang arbeitet er in Paris als Tellerwäscher, zahlt Steuern, passt sich der französischen Alltagskultur nach den Unterweisungen seines Onkels an, der ihn in einem Souterrainzimmer in Paris bei sich aufnahm. Doch von einem Tag auf den anderen droht Samba die Abschiebung und er muss sich fortan als Illegaler in der französischen Hauptstadt durchschlagen, von falschen Namen und geliehenen Papieren Gebrauch machen, um Geld verdienen zu können.
Er liebt die Stadt und das Land, in das er floh, er bezeichnet sich als französischen Patrioten. Aber seine Liebe wird nicht erwidert, das Land will ihn mit allen Mitteln loswerden. Hilfe findet Samba lediglich bei einem Flüchtlings-Hilfswerk. Bei einem solchen hat die Autorin Delphine Coulin tatsächlich selbst gearbeitet. Sambas Immigrantengeschichte ist dokumentarischer Natur, der Roman selbst ebenso engagiert-parteiisch wie emotional berührend und in einigen Szenen und Handlungssträngen, zumal dem einer unglücklichen Liebesgeschichte Sambas, unübersehbar sentimental angehaucht. Als überragendes Sprachkunstwerk lässt er sich so wenig bezeichnen wie als literarische Meisterleistung.
Genau, anschaulich, politisch bedeutsam
Der Roman "Samba für Frankreich", dessen Verfilmung mit dem Titel "Heute bin ich Samba" Ende Februar in Deutschland ins Kino kommt, zählt allerdings zu jener Literatur, deren dezidiert aufklärerische Funktion es verbietet, sie in erster Linie unter ästhetischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Der Wert dieses Buches liegt in seiner politischen Mitteilungskraft, nicht in der Virtuosität seiner Metaphern. Es gibt den täglichen Nachrichtenmeldungen und dem Talkshow-Gerede über die europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik jene Genauigkeit und Anschaulichkeit der persönlichen Lebensgeschichte von Immigranten zurück, die im Debattengeschäft nur noch nur anonymisiert oder instrumentalisiert zu Wort kommt.

Delphine Coulin: Samba für Frankreich
Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze
Aufbau Verlag, Berlin 2014
268 Seiten, 16, 95 Euro

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