Sakralbauten

Weg mit dem Loch

Die St.-Hedwigs-Kathedrale 07.02.2010 während eines Hochamts. Die katholische Kathedrale an der Südostecke des Bebelplatzes entstand Mitte des 18. Jahrhunderts, sie war der zweite Bau des geplanten Forum Fridericianum und ist heute die Bischofskirche des Bistums Berlin. Foto: Soeren Stache
Blick in die St.-Hedwigs-Kathedrale, gut zu erkennen, die Öffnung im Boden, die zur Unterkirche führt. © dpa / Soeren Stache
Von Peter Kaiser · 06.07.2014
Die Hedwigs-Kathedrale ist ein repräsentativer Bau, der sich liturgisch nur schwer nutzen lässt: Mitten in der Kirche befindet sich eine kreisrunde Öffnung, die zur Unterkirche führt. Nun ist ein aufwändiger Umbau geplant. In der vergangenen Woche hat das Erzbistum Berlin die Siegerentwürfe des Architektenwettbewerbs vorgestellt.
"Also einsturzgefährdet ist die Kirche nicht. Sie ist in den letzten Jahren an der äußeren Hülle repariert worden, mit den Mitteln des Denkmalschutzes..."
Das Bistum Berlin hatte zum Juryentscheid des Architektenwettbewerbs St. Hedwigs-Kathedrale geladen. Das Innere der Kathedrale am „Forum Fridericianum" – wie die historische Bezeichnung des Bebelplatzes in Berlin-Mitte, nahe der Straße Unter den Linden lautet – soll umgestaltet werden. Von den 169 eingereichten Arbeiten zum Wettbewerb wurden 15 für die zweite Runde ausgewählt, gewonnen hat das Fuldaer Büro Sichau & Walter. Peter Sichau stellt die Kernidee des Siegerentwurfes dar.
"Die eigentliche Idee, die uns an diesem Gebäude und an dieser Aufgabe fasziniert hat, war die Umsetzung eines immateriellen Gesamtkonzeptes, das sich aus einem liturgischen Gedanken heraus ableitet. Und zu versuchen, diesen Raum, der in seiner ikonografischen Wirkung so unglaublich bestimmend ist, dazu zu nutzen, diese raumliturgische Gesamtidee zu unterstützen."
Das hört sich bedeutend an, doch was ist damit gemeint? Die Kirche, deren erster Bauherr Friedrich der Große ist, entstand bis 1773 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und Jean Laurent Legeay. Sie ist der wichtigste katholische Sakralbau der Hauptstadt und Bischofskirche. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde die St. Hedwigs-Kathedrale in den 1960er Jahren nach Plänen des Architekten Hans Schwippert wieder aufgebaut. Er war es, der in den Boden des überkuppelten Hauptraumes eine acht Meter große Öffnung mit Treppe und Geländer einließ und so eine Unterkirche mit Krypta und Tabernakel, und eine Oberkirche mit dem Altar und den Bänken für die Gläubigen schuf. Das alles - und noch mehr - soll umgebaut werden, wenn der Siegerentwurf Eins zu Eins realisiert wird, sagt der Juryvorsitzende Kaspar Kraemer.
"Also der eigentliche bestimmende zentrale Kirchenraum bleibt erhalten. Was sich im Wesentlichen verändert, ist die Öffnung zur Unterkirche. Die Hedwigs-Kathedrale ist ja in ihrem Mittelpunkt gekennzeichnet dadurch, dass eine Treppe in die ehemalige Krypta hinabführt. Und dieser Gedanke Schwipperts, Ober- und Unterkirche räumlich miteinander zu verbinden, der wird aufgegeben. Damit wird der Kirchenraum wieder mit einer einheitlich durchgehenden Fußbodenebene versehen und auch beruhigt."
Stuhlreihen sollen künftig rund um den Altar stehen
Doch nicht nur die Bodenöffnung soll unter der dem römischen Pantheon nachempfundenen Kuppel geschlossen werden, und anstelle der Bänke sollen Stühle für 550 Gläubige kreisförmig um den Altar stehen. Die Orgel wird „beruhigt", also wohl optisch verblendet, die Glasfenstermuster werden durch mattweiße Scheiben ausgewechselt. Ein Highlight des Siegerentwurfes ist die Idee der Ganzkörper-Taufe, also eines Beckens für den ganzen Menschen-körper. Das hat wohl die Kirchenträger offensichtlich überzeugt, meint der am Entwurf beteiligte Wiener Bildhauer Leo Zugmeyer nicht ohne Eigenlob.
"Ich denke, wir hatten den Mut, in dem Konzept eine raumliturgische Qualität tatsächlich zu nutzen, an der die Kirchenbaugeschichte immer ein bisschen vorbeigegangen ist. Ein Zentralraum ist absolut unüblich in der christlichen Baugeschichte. Und wir stellen, entgegen liturgischen Usancen, den Altar tatsächlich in die räumliche Mitte, und versammeln die Gemeinde in konzentrischen Kreisen um diesen Mittelpunkt."
"Wenn dieser Entwurf verwirklicht ist, wird man merken, die Rundkirche kommt deutlicher zum Ausdruck, wenn dort in der Mitte des Rundes der Altar steht, und die Gläubigen einen Kreis um den Altar, mehr oder weniger einen Kreis herum, bilden."
Der derzeitige Domprobst Ronald Rother.
"Die Mitfeier ist besser, und ich glaube, für einige auch gewöhnungsbedürftig, weil wenn ich im Kreis sitze, habe ich immer ein Gegenüber irgendwie. Aber wenn ich mich auf die Mitte, den Altar konzentriere, dann ist Christus der Mittelpunkt, und was Besseres gibt es nicht."
Diskussion um Denkmalschutz und Finanzierung
Alles wird hell, weiß, transzendent, das ist lobenswert, denn die Schwippertsche Farbigkeit und Raumlösung wirkt heute schäbig und antiquiert. Doch was sagt das Denkmalamt zu allem, die Kirche ist immerhin ein einzigartiges Werk Deutscher Nachkriegsarchitektur. Der Juryvorsitzende Kaspar Kraemer:
"Die Denkmalpflege sitzt selbstverständlich mit am Tisch. Das ist ja schon von Staats wegen ihr Auftrag. Sie hat auch deutlich gemacht, dass sie bedauert, dass diese Verbindung zwischen Ober – und Unterkirche, also die Schwippertsche Raumidee, dass man sich von ihr trennen will, und wir werden jetzt im Dialog mit der Denkmalpflege sehen, wie wir diesen Raum weiter entwickeln. Ich hoffe da auf eine konstruktive Zusammenarbeit."
Die konstruktive Zusammenarbeit könnte schwierig werden, denn schon im Vorfeld des Wettbewerbs gab es viele kritische Stimmen zum Vorhaben des Bistums. Vor allem die Frage zur millionenschweren Finanzierung des Umbaus ist nicht geklärt. In diesen Zeiten, in denen sich Papst Franziskus die arme Kirche wünscht, und besonders da vor 10 Jahren die Berliner Kirche fast insolvent war, scheint dieses luxuriös anmutende Vorhaben nicht zu passen. Stimmen zum Juryentscheid:
"Es gibt keine Notwendigkeit, den Bau selber umzubauen, weil er ist an sich bau-technisch in Ordnung. Das ist hier ein herausragender Bau der deutsch-deutschen Architekturgeschichte. Man muss das nicht mögen, das ist keine Frage, aber es gibt einen sehr hohen ästhetischen Anspruch, und bevor man das einfach wegwischt mit der Begründung, wir können das jetzt nicht anders machen, muss ich sagen: Hallo, erst mal die Kuppel sauber machen. Damit würde schon sehr viel gewonnen werden."
"Warum hat man nicht mehr die Leute nicht mehr mit eingebunden? Es ist ja generell so der Trend, dass man sagt, große Bauvorhaben in dieser Stadt sind unter der Beobachtung der Bevölkerung. Warum fragt man nicht mehr nach? Wo dann auch durchaus gesagt wurde, wir wollen nicht dieses Konzept, wo jetzt dieses Loch zugemacht wird. Und die Frage ist, die ja auch heute nicht geklärt werden konnte: was ist mit den Finanzen?"
"Ich weiß nicht, ob Geld verpulvert wird. Aber es ist natürlich ein Problem."
Und dann betont der kritische Besucher, dass in Berlin viele Gemeinden zusammengelegt werden
"Respektive die Gemeinden in Ostdeutschland, und zwar auf so große Einheiten, dass die Gläubigen gar nicht mehr zu ihrem Gottesdienst kommen können. Das ist ein Problem, das im Widerspruch steht, und das kann man nicht einfach von der Hand wischen und sagen, die Kirche muss sich ständig erneuern."
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