Sächsischer Lehrerverband warnt vor Engpässen an den Schulen

Jens Weichelt im Gespräch mit Gabi Wuttke · 18.02.2013
Das Gehaltsgefälle zwischen den Bundesländern betrage bei den angestellten Lehrern inzwischen bis zu 1000 Euro, sagt Jens Weichelt, Chef des sächsischen Lehrerverbandes. Um diese Ungleichbehandlung wird es auch in den anstehenden Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes gehen.
Gabi Wuttke: Noch mehr Schulstunden fallen aus, wenn die 200.000 angestellten Lehrer in Deutschland tun, was die verbeamteten nicht dürfen: die Arbeit verweigern. Weil die Länder sich bei den laufenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst weiter auch dagegen wehren, das Gehaltsgefälle einzuebnen. Bayern beispielsweise zahlt bis zu 800 Euro mehr im Monat als Sachsen. Am Tag, an dem die ersten Warnstreiks im öffentlichen Dienst angekündigt sind, ist Jens Weichelt am Telefon, er ist Vorsitzender des Sächsischen Lehrerverbandes und verhandelt namens des Deutschen Beamtenbundes für alle Lehrer. Einen schönen guten Morgen, Herr Weichelt!

Jens Weichelt: Schönen guten Morgen!

Wuttke: Warum arbeiten Sie noch an einem sächsischen Gymnasium und nicht in Bayern?

Weichelt: Ich bin schon in meinem Land sehr verwurzelt und bin auch ein Stück weit stolz, dass ich dieses Schulsystem, was es in internationalen Vergleichsstudien auf Spitzenplätze gekriegt hab, ein Stück weit mit aufgebaut habe.

Wuttke: Sind denn die praktischen Auswirkungen des Gehaltsgefälles in Sachsen beispielhaft für die ganze Republik?

Weichelt: Wir haben ein ganz schwieriges Gehaltsgefälle im Lehrerbereich. Das ist einmal das Gehaltsgefälle zwischen den einzelnen Ländern, dort gibt es Unterschiede bis zu tausend Euro, was ein Lehrer im Monat weniger hat in dem einen Land gegenüber dem anderen. Es ist aber auch schon ein Gehaltsgefälle innerhalb einer Schulart. Dass ein Lehrer für die gleiche Tätigkeit bei gleichem Abschluss zwei unterschiedliche Gehaltsgruppen erhält.

Wuttke: Ja. Genau deshalb gehen ja viele Lehrer, das war auch meine Einstiegsfrage in dieses Interview, dorthin, wo besser bezahlt wird – wie wirkt sich das denn in Sachsen aus?

Weichelt: Wir haben in Sachsen ganz große Probleme, den Berufsnachwuchs zu rekrutieren. Die demografische Situation ist so, dass in den nächsten Jahren sehr viele Lehrer in Rente gehen. Das sind in ein, zwei Jahren schon tausend pro Jahr, das Jahr 2018 ungefähr 1500 pro Jahr sein. Und wir haben es in den letzten zwei Jahren nicht geschafft, genügend Bewerber für die Grundschulen, Förderschulen und Mittelschulen zu finden. Lediglich im Bereich der Gymnasien, zum Teil auch der berufsbildenden Schulen, ist der Berufsnachwuchs noch da. Und hier bleibt uns nichts weiter übrig, als mit attraktiven Arbeitsbedingungen junge Leute auch nach Sachsen zu ziehen.

Wuttke: Solange das nicht wirklich gelingt – was heißt das für den Schulalltag, was Sie gerade geschildert haben?

Weichelt: Das ist natürlich eine sehr schwierige Situation, und ich bewundere hier zum Teil auch die personalverwaltenden Stellen, wie die es immer noch schaffen, irgendwie Lehrer zu finden. Zum Teil werden Seiteneinsteiger eingestellt, die TU Dresden macht ein Seiteneinsteigerprogramm. Aber das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Fakt ist eigentlich, wir brauchen attraktivere Arbeitsbedingungen und nur so können wir die Probleme in Sachsen lösen.

Wuttke: Wenn es also ein Gehaltsgefälle gibt zum einen zwischen den angestellten und den verbeamteten Lehrern, zum anderen überhaupt einen großen Mangel, der auch dadurch hervorgerufen wird, wie ist es denn dann um den Betriebsfrieden bei Ihnen bestellt?

Weichelt: Das ist natürlich auch schwierig. Die Arbeit, die Tätigkeit des Lehrers ist in den letzten Jahren natürlich deutlich gestiegen. Die Belastungen im Lehrerberuf haben zugenommen. Da gibt es unterschiedliche Ursachen dafür. Und die Situation verschlimmert sich natürlich noch umso mehr, desto weniger Lehrer in das System nachrücken. Das heißt, die Älteren werden über Gebühr belastet, und an jungem Berufsnachwuchs fehlt es.

Wuttke: Der neue Verhandlungsführer der Länder ist Finanzminister Bullerjahn aus Sachsen-Anhalt, der hat vor Beginn der Tarifrunde im Deutschlandradio Kultur ganz klar gesagt:

Ich glaube, alle kriegen jetzt mit, wie Griechenland kämpft, was in Spanien gerade los ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei 50 Prozent ist. Also ein Gefühl ist, glaube ich, schon entstanden, dass die Leute wissen, jetzt muss mal Schluss sein mit dem ewigen Schuldenmachen!

Wuttke: Herr Weichelt, ist der Mann immer so eine harte Sparnuss oder erleben sie ihn als gewieften Strategen?

Weichelt: Uns war vor der Einkommensrunde für die Beschäftigten der Länder völlig klar, dass das keine leichte Einkommensrunde wird, aber wir haben eine Forderung aufgestellt, die eigentlich nur dem Tarifabschluss entspricht, den im Jahr 2012 die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen erzielt haben. Und die Länder sind seinerzeit, 2005, aus dieser gemeinsamen Tarifverhandlung ausgestiegen, und es ist recht und billig, dass wir jetzt also auch für die Beschäftigten im Länderbereich die gleichen Einkommensbedingungen wieder herstellen wollen.

Wuttke: Am Ende könnte es durchaus sein, dass der Bund sich wieder spendabler erweist als die Länder. Jens Bullerjahn ist jemand, für den Sparen absolute Priorität hat, deshalb noch mal meine Frage: Wie ist der denn in den Verhandlungen? Freundlich im Ton, aber unerbittlich in der Sache?

Weichelt: Ja, so ungefähr könnte man ihn schon bezeichnen. Also, er ist zugänglich, man kann mit ihm auch das eine oder andere Wort sprechen. Natürlich hat er auch seine Grenzen, das merken wir als Gewerkschafter, aber ich denke, dass wir mit ihm schon zu einem Tarifabschluss kommen. Ich will jetzt keine Kaffeesatzleserei machen. Die nächste und vorerst auch letzte Verhandlungsrunde ist erst am 7. und 8. März, und bis dahin müssen wir natürlich auch zeigen, dass die Beschäftigten hinter den Forderungen stehen, und es wird auch deshalb im gesamten öffentlichen Dienst Warnstreiks geben und natürlich auch im Schulbereich.

Wuttke: Sie sind verbeamtet, Herr Weichelt. Hätten Sie auch gerne das Recht, mit den angestellten Kollegen in Warnstreik zu treten? Wäre das schon mal was, auch um wirklich eine starke Präsenz für das Problem zu zeigen, das die Lehrer in Deutschland haben?

Weichelt: Ich muss Sie korrigieren, ich bin nicht verbeamtet! In Sachsen ist kein Lehrer verbeamtet, kein einziger. Lediglich Schulleiter und Stellvertreter sind es zum Teil, soweit sie von der Alterstruktur verbeamtet werden konnten. Und ich beteilige mich natürlich an Arbeitskämpfen!

Wuttke: Das kann ich mir dann denken. Dann wünsche ich einen – ja, wie sollte man sagen –, einen guten Tag in dieser Angelegenheit! Vielen Dank für das Interview!

Weichelt: Ich danke auch! Viele Grüße nach Berlin!

Wuttke: Jens Weichelt war das, der Chef des Sächsischen Lehrerverbandes. Er verhandelt für den Deutschen Beamtenbund, auch um die finanzielle Gleichstellung aller Lehrer.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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