Sachbuch über Naturereignisse

Im Windschatten von Katastrophen

Vulkanausbruch auf Sumatra
Naturkatastrophe: "Ein explodierender Kykladenvulkan vernichtete etwa auf einen Schlag das Volk der Minoer..." © imago stock&people
Von Edelgard Abenstein · 09.04.2015
Vulkanausbrüche und Erdbeben – der Mensch kann vieles kontrollieren, Naturkatastrophen ist er ausgeliefert. Der Autor Hans-Dieter Otto hat spektakuläre Ereignisse in "Über uns kein Himmel?" zusammengetragen. Vom Ausbruch des Vesuvs 79 v.C. bis zum Tsunami 2004.
Seit Urzeiten machen Erdbeben, Vulkanausbrüche und Stürme die Erde zu einem gefährlichen Ort. Genau genommen leben wir im Windschatten von Katastrophen, oder in den Pausen dazwischen. Doch wie lange die Pausen dauern, weiß niemand vorherzusagen.

Der Sachbuchautor Hans-Dieter Otto erzählt davon, wie die Natur den Menschen in ihrem Wachstumsstreben und dem blinden Vertrauen darauf, das Leben werde schon gut gehen, immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht: von der Antike bis heute, vom Untergang des sagenhaften Atlantis bis zum Super-Gau in Fukushima.
Vulkanausbruch vernichtete ein ganzes Volk
Naturkatastrophen schrieben Geschichte, sie fegten Imperien hinweg. Ein explodierender Kykladenvulkan vernichtete etwa auf einen Schlag das Volk der Minoer samt einer der ersten Hochkulturen; die heillose Pockenepidemie unter der Regierungszeit von Marc Aurel spielte eine wesentliche Rolle beim Untergang des Römischen Reiches; ein in Indonesien explodierender Vulkan brachte mitten im Sommer 1815 für Napoleon bei dramatischen Temperaturstürzen die Niederlage von Waterloo und Europa insgesamt Missernten und Hungersnöte.

Chronologisch zeichnet das Buch die spektakulärsten Fälle nach. Unaufgeregt erzeugt es passagenweise eine Atmosphäre von beklemmender Spannung. Hautnah entführt es mit Augenzeugenberichten in die Vergangenheit, zum verheerenden Ausbruch des Vesuvs 79 v.C.; es lässt den Historiker Plinius zu Wort kommen oder Boccaccios "Decamerone", das von der Pest im Mittelalter berichtet, von jungen Menschen, die sich noch am Morgen bester Gesundheit erfreuen, "um am Abend darauf in einer anderen Welt mit ihren Vorfahren zu tafeln". Eindringlich lässt es die Schrecknisse durch die Spanische Grippe 1918/19 erleben, der weltweit mehr Menschen zum Opfer fielen als auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.
Wie Hurrikans entstehen
Unter seine Recherchefrüchte erklärt Otto, wie die nützliche Heuschrecke zu einer gefräßigen, unbezwingbaren Gefahr wird, wie Hurrikans entstehen und dass der Smog eine Kombination natürlichen Nebels ("fog") mit Rußflocken ("smoke") ist, wie er London im Lauf des vergangenen Jahrhunderts mehrfach epidemisch heimgesucht hat. Gezeigt wird auch, wie nach dem Lissaboner Erdbeben 1755, das noch Gottes Zorn zugeschrieben wurde, eine moderne Wissenschaft, die Seismologie, entstand. So konnten Wissenschaftler erleben, dass eine prekäre geologische Lage, Verwerfungen zwischen Erdplatten, ungeheure Spannungen erzeugen, die sich unweigerlich früher oder später entladen. Seither verstehen Geologen zwar, der Erde den Puls zu fühlen, doch zweifelsfreie Prognosen stehen noch immer in den Sternen.

Je näher das Buch an die Gegenwart heranrückt, desto ausgetretener werden naturgemäß die Pfade, die der Autor ( mit dem Tsunami in Südostasien 2004 oder in Japan sechs Jahre später) betritt. Ozonloch, schmelzende Polkappen, die Klimaveränderung – das muss man heute eigentlich niemandem mehr erklären. Dennoch bietet das Buch vor allem historisch interessierten Lesern eine temporeiche, anschauliche Lektüre.

Hans-Dieter Otto: "Über uns kein Himmel? Die größten Naturkatastrophen der Menschheitsgeschichte"
Residenz-Verlag, St. Pölten 2015
216 Seiten, 19,90 Euro

Mehr zum Thema