Sachbuch über Le Corbusier

Im Bann des Baumeisters

Der französisch-schweizerische Architekt und Städteplaner Le Corbusier (r.) und der Berliner Bausenator Rolf Schwedler betrachten während der Ausstellungseröffnung am 7.9.1957 im ehemaligen British Center am Kurfürstendamm das Modell von Corbusiers "Strahlender Stadt" (Berlin).
Der französisch-schweizerische Architekt und Städteplaner Le Corbusier (r.) und der Berliner Bausenator Rolf Schwedler betrachten das Modell von Corbusiers "Strahlender Stadt". © picture-alliance / dpa
Von Eva Hepper · 15.10.2014
Mit seinen visionären Ideen zog der Architekt Le Corbusier Mitarbeiter in seinen Bann, die ohne viel Geld und doch mit Feuereifer für ihn arbeiteten. Ursula Muscheler beschreibt die Magie des legendären Bauherrn anhand seiner wichtigsten Projekte.
Manche haben jahrelang für ihn gearbeitet. Alfred Roth etwa oder André Wogenscky. Andere wie Albert Frey blieben nur einige Monate in seinem Atelier. Und wieder andere, Oscar Niemeyer beispielsweise, assistierten dem Meister bei nur wenigen Projekten. Dennoch zogen all diese Architekten die gleiche Bilanz: Ihre Zeit bei Le Corbusier habe sie für ihr Leben geprägt und ihre Entwicklung maßgeblich beeinflusst.
Tatsächlich war Le Corbusiers Atelier in der Pariser Rue de Sèvres (seit 1924) jahrzehntelang ein magischer Ort für junge Architekten aus aller Welt. Bereits seine ersten Bauten, Manifeste und Bücher hatten den 1887 in der Schweiz als Charles-Éduard Jeanneret geborenen Avantgardisten bekannt gemacht. Wer Teil der Bewegung des "Neuen Bauens" werden wollte, pilgerte daher nach Paris und hoffte auf einen der begehrten Plätze an der Seite des Meisters. Einigen von diesen Auserwählten und deren Arbeit widmet Ursula Muscheler nun ein Buch.
Seine Mitarbeiter waren mit Feuereifer bei der Sache
Die Autorin, selbst Architektin, strukturiert ihr Werk chronologisch anhand der großen Projekte des Le Corbusierschen Ateliers und zeigt, welche Mitarbeiter in welcher Form daran beteiligt waren. Parallel dazu stellt sie in mäandernden Erzählsträngen deren eigene Bauten und Karrieren vor. Ausgewählt hat sie Architekten aus verschiedenen Generationen und unterschiedlichen Herkunftsländern, bekannte und weniger bekannte; darunter Kunio Maekawa, José Luis Sert, Iannis Xenakis und Charlotte Perriand, die zu den wenigen Frauen im Team Le Corbusiers gehörte.
Trotz keiner oder nur sehr geringer Entlohnung waren alle Mitarbeiter Le Corbusiers, wie Muscheler in ihrem Vorwort schildert, mit Feuereifer bei der Sache. Seine Prinzipien prägten schließlich auch ihre eigenen Projekte, die Le Corbusier nicht nur zuließ, sondern förderte, solange die Arbeiten in der Rue de Sèvres nicht darunter litten.
Eine alte Zeit wird lebendig
So schuf Alfred Roth (seit 1927 bei Le Corbusier) – vom Wettbewerb für das Völkerbundgebäude in Genf und den Bauten auf dem Weißenhofgelände in Stuttgart geschult – 1935/36 gemeinsam mit Emil Roth und Marcel Breuer sein eigenes Meisterwerk: die Doldertalhäuser in Zürich. Und Albert Frey, der 1928 bei Le Corbusier tätig war, entwickelte bereits 1931 gemeinsam mit Alfred Lawrence Kocher das nicht minder berühmt gewordene Aluminaire, einen silbernen Würfel aus Stahl und Glas.
Indem die Autorin die Projekte Le Corbusiers und die der Mitarbeiter gemeinsam vorstellt, lässt sie ein langes Kapitel der Architekturgeschichte Revue passieren und dessen Geist noch einmal aufleben. Lebendig wird die Zeit auch durch die vielen, klug eingestreuten Zitate der Protagonisten. So illustrieren nicht nur die Prinzipien des "Neuen Bauens", sondern auch das Ringen darum und den enorme Einfluss Le Corbusiers weltweit; gerade auch durch seine Mitarbeiter, die das Werk des Meisters rückhaltlos gegen Kritiker verteidigten.
Ursula Muscheler ist ein schöner Band gelungen, der die umfangreiche Literatur über Le Corbusier um einen interessanten Aspekt ergänzt.

Ursula Muscheler: Gruppenbild mit Meister. Le Corbusier und seine Mitarbeiter
Berenberg Verlag, Berlin 2014
200 Seiten, 24 Euro