Sachbuch

Tierische Baumeister

Von Susanne Billig · 18.12.2013
Ingo Arndt zeigt wunderbare und farbenfrohe Tierbauten vom Vogelnest bis zum Termitenhügel. Es ist eine Hommage an die phänomenale Kreativität der Tiere, gepaart mit anschaulichen Hintergrundinformationen eines Verhaltensforschers.
Eine Panorama-Fotografie aus luftiger Höhe. Am Horizont erstrecken sich ausgedehnte Waldgebiete, im Vordergrund kilometerweit Wiese. Hunderte von Schloten ragen darauf in die Höhe, dicht an dicht, bis zu sechs Metern hoch. Rotbraun flimmert die seltsame Architektur auf dem grasgrünen Grund. Millionen von Spinifex-Termiten haben diese fantastischen Bauten errichtet. Zu bewundern sind sie in dem großformatigen neuen Bildband "Architektier" von Ingo Arndt.
Zwei Jahre lang bereiste der Naturfotograf alle Kontinente der Erde, um Höhlen und Gänge, Muscheln und Schalen, Nester und Waben, riesige Staudämme und winzige Insektenbetten aus zusammengerollten Blättern abzulichten. Sein Buch, bildschön gestaltet von Silke Arndt, ist eine Hommage an die phänomenale Kreativität der Tiere.
Der Körper eines Tieres endet nicht an seiner Haut
Drei Millionen Individuen kann ein einziger Termiten-Turm beherbergen, erklärt ein Textkasten am Fuß des Bildes. Für die knappen, aber anschaulichen biologischen Hintergrundinformationen zeichnet der Würzburger Verhaltensforscher und Bienenexperte Jürgen Tautz verantwortlich, der auch mit spannenden Thesen aufwartet: Der Körper eines Tieres ende möglicherweise nicht an seiner Haut, schreibt er, sondern zum "erweiterten Phänotyp" zählten auch die Verhaltensweisen der Tiere - und mithin ihre architektonischen Leistungen.
Termiten etwa schaffen es, mit einem trickreichen Belüftungssystem konstante 30 Grad Celsius im Inneren ihrer Hügel zu gewährleisten. Ständig reparieren und optimieren die Arbeiterinnen das Bauwerk. Auch dicke Termiten-Soldaten sind auf den Fotografien zu sehen: Mit riesigen Köpfen und bösen Greifzangen wachen sie über die arbeitenden Massen. Auf einem anderen doppelseitigen Bild ergießen sich goldgelb Bienenwaben über das Papier, Sechseck an Sechseck in mathematischer Perfektion, einige dem Licht, andere dem Schatten zugeneigt. Die Wachskörbchen sind Schutzraum für Eier und Nachwuchs, Produktionsstätte und Speicherplatz für Honig und sogar eine Art Morse-Apparat, denn Waben können feinste Schwingungen im dunklen Bienenstock übertragen.
Vogelnester in Szene gesetzt
Natürlich erhält auch der Klassiker tierischer Baukunst in diesem Buch seinen gebührenden Platz - das Vogelnest. In Studioaufnahmen hat Ingo Arndt seine Fundstücke vor pechschwarzem Hintergrund in Szene gesetzt: das elegant geschwungene Geflecht des Webervogels, die winzige Heimstätte des Kolibris oder das Nest des Teichrohrsängers, auf Stäbchen aufgespießt, als wäre es eine asiatische Delikatesse.
Bei den Laubenvögeln werkeln Männchen und Weibchen sogar aneigenen Bauten mit ganz unterschiedlicher Architektur. Während das Weibchen es schlicht, praktisch und gemütlich hält, schließlich soll das eine Kinderstube werden, dehnen sich die Nester des Männchens zu imposanten Kunstwerken aus - die Kreation des Laubenvogel-Männchens dient allein der Brautwerbung. Sowie die Vogeldame sich zum Geschlechtsverkehr hat überzeugen lassen, ist sein Interesse am gemeinsamen Leben erlahmt.

Ingo Arndt/ Jürgen Tautz: "Architektier - Baumeister der Natur"
Knesebeck Verlag, München 2013
160 Seiten, 49,95 Euro

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