Sachbuch

Sie tun, als gäbe es keine Erderwärmung

Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington
Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington © dpa / picture-alliance / Matthew Cavanaugh
Von Johannes Kaiser · 04.03.2015
Glänzend im Stil, aufklärerisch in der Sache: In ihrem neuen Buch "Die Entscheidung" rechnet die Kapitalismuskritikerin Naomi Klein mit sogenannten Klimaleugnern ab - aber auch mit Teilen der US-Umweltbewegung, die eng mit der Erdöl- und Kohleindustrie verbandelt sind.
"Ich liebe den Geruch von Abgasen", diese zynischen Aussage der amerikanischen Politikerin Sarah Palin steht am Anfang des neuen Buches der kanadischen Gesellschaftskritikerin Naomi Klein: "Die Entscheidung" heißt es und ist eine harte Abrechnung nicht nur mit denen, die den Klimawandel leugnen, sondern auch mit Teilen der linken Umweltbewegung, die heuchelt statt handelt. Ihr Buch ist zugleich auch ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Volksbewegung, für lokalen Widerstand gegen einen Kapitalismus, der lediglich egoistische Gier propagiert.
Naomi Klein hat nicht nur gründlich recherchiert und auf 700 Seiten zahlreiche Fakten gesammelt, sie hat sich zudem vor Ort umgesehen. Als Journalistin versteht sie es glänzend, ihre Einsichten anhand konkreter Beispiele zu verdeutlichen und komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen. Dabei ist sie ironisch und verleugnet nie ihre persönliche Betroffenheit.
Klimaleugner in den USA - Kein Argument ist zu dumm
Der erste Teil des Buches ist den US-Klimaleugnern und ihrer politischen Agenda gewidmet, die es mit millionenschweren Spenden von den Kohle- und Ölkonzernen geschafft haben, vielen Amerikanern zu suggerieren, es gäbe keine Erderwärmung. Kein Argument ist ihnen dumm genug, um die Angst vor einer Art Klimasozialismus zu schüren, so Naomi Klein.In einem hätten die Leugner allerdings Recht: Die derzeitige Form des neoliberalen Kapitalismus, der auf Wachstum und Ausbeutung der Rohstoffe basiere, müsse überwunden werden. Nur ohne oder gegen ihn, so Kleins zentrale These, kann die Klimakatastrophe verhindert werden.

Unter dem Titel "Magisches Denken" widmet sich die Autorin im zweiten Teil des Buches der Illusion der Umweltbewegung, allein gemeinsam mit der Fossilindustrie die Klimawende zu erreichen. Absurdestes Beispiel: Die gemeinnützige Naturschutzorganisation "Nature Conservancy" errichtete in Texas ein Schutzgebiet für Attawari-Präriehühner, um dort Erdölbohrungen zu verhindern, um anschließend selbst mitten im Nistgebiet nach Gas zu bohren und so Millionen einzunehmen.
Die Verlogenheit der Umweltorganisationen
Die Vögel sind inzwischen ausgestorben. Zahlreiche große amerikanische Umweltorganisationen sind, so beweist Naomi Klein, eng mit der Erdöl- und Kohleindustrie verbandelt und entsprechend zahm. Klein entlarvt auch "grüne" Milliardäre wie etwa Richard Branson, den Chef der Virgin Group, als Heuchler und zeigt, dass Geo-Engineering noch größere Katastrophen heraufbeschwören wird.
Im dritten Teil des Buches beschreibt Naomi Klein zahlreiche lokale Initiativen, die neue Formen des Widerstands erproben, eine Abkehr vom Wahn des Wirtschaftswachstums fordern und soziales Zusammenleben fördern. Das reicht von indigenen Völkern, die sich gegen die Kohle-, Gas- oder Erdölabbau wehren, bis hin zu Bürgerinitiativen, die die Energiewende in eigene Hände nehmen. Naomi Kleins Botschaft lautet daher: Statt Verzagen Widerstand wagen. Ohne Zweifel ein wichtiger, ein kluger Beitrag zur Klimadiskussion.

Naomi Klein: Die Entscheidung – Kapitalismus vs. Klima
Aus dem Englischen von Christa Prummer-Lehmair, Sonja Schuhmacher, Gabriele Gockel
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2015
665 Seiten, 24,99 Euro


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