Sachbuch

Heißluft fürs Finanzsystem

Ansicht der DAX-Kurve auf der Anzeigetafel der Börse
Kursverlauf des DAX: Teil des modernen Kapitalismus © dpa / Frank Rumpenhorst
Von Philipp Schnee · 29.05.2014
Der Publizist Christian Felber kämpft für einen ethischen Kapitalismus. In seinem aktuellen Buch geht es um eine gerechtere Geldordnung. Es soll dem Gemeinwohl dienen. Doch dieses Konzept birgt Gefahren. Felbers Buch spricht zwar einige wesentliche Probleme des modernen Kapitalismus an, kann aber nicht überzeugen.
"Diese 'Triple-Skyline' – Sinn, Nutzwert, Ethik – sind wie Silber, Gold und Diamanten." Oder: "'Heilung' (= Ganzwerdung) ist der Auftrag für die kommenden Jahre." Solche Sätze enthält Christian Felbers neues Buch "Geld. Die neuen Spielregeln". Zugegeben, es gibt auch andere, verständlichere in ihm. Aber jene prägen den Ton des Buches.
Christian Felber ist Publizist und Vortragsreisender in Sachen Gemeinwohl-Ökonomie, wie er sein Konzept einer "vollethischen Marktwirtschaft" umschreibt. Sein Credo: Moralische Regeln helfen. Auch gegen den Kapitalismus. Felber ist auf der Suche nach dem guten Kapitalismus.
Wer sagt, was gut für das Gemeinwohl ist?
In seiner neuesten Veröffentlichung knöpft sich Felber das heutige Geldsystem vor, "eine Bereicherungsquelle für wenige", wie er schreibt. Daher soll Geld zum öffentlichen Gut werden, ein bloßes Werkzeug des Wirtschaftens, nicht aber sein Ziel. Niemand soll mit Geld Geld verdienen können. Über die Rahmenbedingungen einer solchen neuen Geldordnung stimmen bei Felber "freie und eigenverantwortliche BürgerInnen" in basisdemokratischen Geldkonventen ab. Er verbindet so moralische Marktwirtschaft mit direkter Demokratie. Zinsen, so erhofft er sich, würden dann abgeschafft und damit der eine oder andere Spieltisch im "globalen Finanzcasino" geschlossen. Außerdem, so ein weiterer Vorschlag, unterzöge man Kredite einer "Gemeinwohl-Prüfung". Nur was der Gemeinschaft diene, solle gefördert werden.
Hier fangen die Probleme an. Wer sagt, was gut für Gemeinschaft und Gemeinwohl ist? Bei Felber bekäme ein Landwirt wohl nur noch schwer einen Kredit für Investitionen in die Massentierhaltung. Und welche Chancen auf einen Kredit hätte etwa Conchita Wurst? In Russland würde die Anfrage des transsexuellen Popsternchen heute wohl mit Verweis aufs Allgemeinwohl negativ beschieden, in Österreich nach dem Grand-Prix-Sieg stünden die Chancen, momentan zumindest, besser. Das "Gemeinwohl" einer "Gemeinschaft", die zentralen Schlagworte Felbers, kann durchaus eng, intolerant, chauvinistisch, nationalistisch etc. definiert werden. Was ist "Gemeinwohl", wer ist die Gemeinschaft? Und wer wird aus ihr ausgeschlossen? Mehrheitsmoral und Menschenrechte gehen nicht immer Hand in Hand.
Fataler Stil
Felber spricht in seinem Buch einige wesentliche Probleme des Irrsinns auf den Finanzmärkten und im modernen Kapitalismus an. Seine Lösungsvorschläge aber sind oberflächlich, bestenfalls nett.
Fatal ist sein Stil. Wer ohnehin Felbers Meinung ist, kann sie sich in diesem Buch bestätigen lassen. Felber schreibt ungemein suggestiv. Zunächst wird mit Unbedingtheit behauptet, später vielleicht auch erklärt, aber Vor- und Nachteile diskutiert er nie. Der Aufbau des Buches wirkt ungeordnet. Felber schreibt in Schleifen und konzentrischen Kreisen. Sein Thema ist alles rund ums Geld, und gegen Ende wird auch noch das Rentenproblem gelöst. Ob man mit so viel Heißluft die Finanzkartenhäuser zum Einstürzen bringt? Wer brav mitzetern möchte, der greife zu diesem Buch.

Christian Felber: "Geld. Die neuen Spielregeln"
Deuticke, Wien
304 Seiten, 18,90 Euro

Mehr zum Thema