Sachbuch

Hammerschläge, die Millionen bringen

Gebote werden entgegen genommen während einer Auktion des Kunstauktionshaus Christie's in Frankreich.
Gebote werden entgegen genommen während einer Auktion des Kunstauktionshaus Christie's in Frankreich. © picture alliance / dpa / Foto: Jean-Christophe Tardivon
Von Thorsten Jantschek · 10.11.2014
Es ist immer wieder ein großes Spektakel, wenn Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s Kunstschätze für Millionenbeträge an Käufer bringen. In "Helden der Kunstauktion" liest man viel darüber, leider nichts über die dunklen Seiten des Kunstmarkts wie Preisabsprachen.
Wieder einmal ist sie in der letzten Woche geknackt worden in New York, die magische Grenze von 100 Millionen Dollar für ein einziges Kunstwerk. Sotheby’s hat Alberto Giacomettis Bronze "Chariot" für knapp 101 Millionen Dollar incl. Aufgeld an einen anonymen Käufer verkauft. Es war für das "Duopol" des Kunstmarkts, also für die Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s die Woche der klassischen Moderne. Nun folgt in dieser Woche das eigentliche Highlight: die von der Kunstwelt mit großer Spannung erwarteten drei großen Herbst-Auktionen für zeitgenössische Kunst bei Phillips, Christie’s und Sotheby’s.
Mit dabei auch jene beiden Bilder von Andy Warhol aus dem Besitz einer Spielbank des Landes Nordrhein-Westfalen, um die es in der letzten Zeit einigen Wirbel gegeben hat, weil nicht nur eine Reihe von Museumsdirektoren in einem öffentlichen Brief fragten, ob denn im Landesbesitz befindliche Kulturgüter versteigert werden dürfen, um eine marode Spielbank zu sanieren. Allein diese beiden Bilder sollen zusammen mindestens 130 Millionen Dollar einspielen. Rund eine Milliarde Dollar wird in dieser Woche wohl für Kunst umgesetzt werden.
Pünktlich zum Auktionsmarathon hat der im Dienste des Auktionshauses Christie’s stehende Kulturmanager und Publizist Dirk Boll im Hatje Cantz Verlag ein Buch über die Helden der Kunstauktion herausgegeben mit Porträts der großen Auktionatoren und Geschichten von wahnwitzigen Bietgefechten und obsessiven Sammlern.
Der höchste je erzielte Kunstpreis
"Ist ja der Hammer!" – Das dachten vor einem Jahr bei der Herbstauktion nicht nur die betuchten Kunstsammler, denen ein Sitzplatz im New Yorker Auktionssaal von Christie’s reserviert worden war, als der für seine lässige Seriosität bekannte Auktionator Jussi Pylkkänen zuschlug: 142.405.000 Dollar für das Triptichon "Three Studies of Lucian Freud" von Francis Baco - der höchste Preis, den je ein Kunstwerk bei einer Auktion erreichte.
"Ist ja der Hammer!" – Das dachte aber auch schon im Juni 1882 die interessierte Öffentlichkeit, die den Strom von Kutschen vor Christie’s in der Londoner King Street wahrnahm. Im Saal drängelten sich Aristokraten, Bankiers, Großindustrielle, aber auch Museumsleute und Kunsthändler. Sie alle wollten dabei sein, wenn die Einrichtung und die Kunst von Hamilton Palace – dem Familiensitz der Herzöge von Hamilton – versteigert werden sollte. 400 000 Pfund – damals eine gigantische Summe – wurde umgesetzt und 30 Jahre lang von einer Auktion nicht übertroffen. Allein 67 000 Pfund gab die Familie Rothschild aus und steht wohl den Hedefondsmanagern unserer Tage in nichts nach.
Und genau diese Einsicht ist der entscheidende Vorzug dieser Kulturgeschichte des Kunstmarkts in Einzelporträts: Dass im Kunstmarkt schon immer wahnwitzige Summen bewegt worden sind, und nebenbei Werte gleichsam aus dem Nichts geschaffen worden sind. Denn eine Auktion, das ist eigentlich Marktwirtschaft in Reinkultur, das öffentliche Aushandeln eines Preises. Doch dann kommt – zumindest in der Gegenwart – noch etwas dazu, die Kunst des Auktionators, der die Spannung im Saal hochhält, der genau weiß, wo wer sitzt, wer sich für welches Werk interessiert, dem es gelingt, den Preis dann doch noch etwas höher zu treiben.
In diesem Buch erfährt man von den unterschiedlichsten Temperamenten, von jenem legendären James Christie, der wohl 1760 zum ersten Mal eine Versteigerung abhielt, über den Berliner Kunsthändler Paul Cassierer oder Theodor Fischer, der – ein besonders trübes Kapitel der Auktionsgeschichte – in der Schweiz so genannte "Entartete Kunst" aus Deutschland versteigerte, bis hin zum Sotheby’s-Starauktionator Tobias Meyer, der während einer Auktion eines Picassos bemerkte, dass der Großgalerist Larry Gagosian, der offensichtlich für einen Kunden mitsteigerte, Problem mit seinem Handy hatte, und – mitten im Bietergefecht – fragte: "Sir, you need more time...?" und so die Spannung im Saal noch einmal steigerte. Der Endpreis lag dann bei 104,2 Millionen Dollar.
Viel Glamour und keine Kritik
Man erfährt also viel über die Faszination dieser glamourösen Seite des Kunstmarkts und seiner Geschichte. Was man nicht erfährt, das sind die dunkleren Seiten dieser strahlenden Geld- und Wertmaschine: Welche Rolle Galeristen wirklich im Auktionssaal spielen, wie Künstler im globalen Kunstzirkus als Marken kreiert werden, deren Preise durch gezielte Bietabsprachen geschickt hochgejuxt werden, damit die Superreichen einsteigen, denen es am Ende mehr um das Statussymbol als um ein Meisterwerk geht. Kunstmarktkritik konnte man am Ende von diesem Buch allerdings auch nicht erwarten, weil fast alle Autorinnen und Autoren – wie der Herausgeber selbst – aus Auktionshäusern oder anderen Institutionen des Kunstmarkts stammen.
Doch abgesehen davon gelingt es den Autoren, den Blick einmal von den spektakulären Kunstereignissen und scheinbar verrückten Sammlern auf die zu lenken, die – wie in dieser Woche – für kurze Zeit im Auge jenes kapitalistischen Wirbelsturms stehen, den man Kunstmarkt nennt.

Dirk Boll: "Helden der Kunstauktion"
Hatje Cantz Kunst Verlag, Ostfildern, 2014
256 Seiten, 19,80 Euro

Mehr zum Thema