Sachbuch

Bürger als Wissenschaftler

Bloß Geld- und Machtgierig? Wissensenschafler in einem Labor
Bloß Geld- und Machtgierig? Wissensenschafler in einem Labor © dpa / picture alliance
Von Michael Lange · 05.05.2014
Der ehemalige Wissenschaftstheoretiker Peter Finke greift in seinem Buch den Wissenschaftsbetrieb als von Macht- und Wirtschafsdenken verdorben an - und wirbt für mehr Laien in der Forschung.
Die Wissenschaft sollte man nicht den Profis überlassen. Denn die haben vor allem ihre Karriere und Fördergelder im Blick. So haben Berufswissenschaftler einen Apparat hervorgebracht, der zwar immer mehr Details einzelner Fachrichtungen enthüllt, aber zunehmend nur noch als Macht- und Wirtschaftsfaktor dient. Den Alltag der meisten Bürger haben die Professoren und Doktoren aus dem Blick verloren.
Mit viel Engagement kämpft der ausgestiegene Wissenschaftsprofi Peter Finke für eine neue Wissenschaft. Sie soll nicht nur für die Bürger gemacht werden, sondern auch von ihnen gestaltet werden. Es gelingt ihm, seine Argumente überzeugend zu präsentieren, aber leider leidet die Lesbarkeit seines Buches unter der Wissenschaftlichkeit. Statt die Vorteile wissenschaftlicher Bürgerarbeit zu betonen, steht bei ihm die Kritik am aktuellen Wissenschaftsbetrieb im Vordergrund.
Auch Darwin und Mendel waren Laien
Was Peter Finke mit dem englischen Begriff "Citizen Science" umschreibt, ist keineswegs neu. Gerade in der Frühzeit der Wissenschaft waren es meist Autodidakten und Amateure, die den Grundstein für heutiges Wissen legten. So haben Gregor Mendel oder Charles Darwin keine fundierte Ausbildung in Naturkunde erhalten. Sie konnten frei experimentieren, beobachten und denken, weil sie keiner wissenschaftlichen Schule angehörten.
Heute wird die Begeisterung der sogenannten Laien wieder gebraucht, wenn es um das Sammeln und Auswerten von Daten gilt. Um verborgene Kometen zu finden oder die Verbreitung von Schmetterlingen zu erfassen, sind die Beobachtungen der Nicht-Wissenschaftler unverzichtbar. Aber auf solche helfenden Arbeiten sollten sich die Amateure nicht beschränken, fordert Peter Finke. Auch heute können sie durch eigene Projekte zur Wissenschaft beitragen. Sobald sie abweichende Theorien vertreten, werden sie jedoch vom Establishment ausgegrenzt.
Wissenschaftliche Instanzen bremsen Fortschritt
Wie früher kirchliche Autoritäten, so stehen heute wissenschaftliche Instanzen neuen Ideen im Wege, kritisiert Peter Finke. Die Bürgerwissenschaftler brauchen ein neues Selbstbewusstsein, meint er und beschreibt einige vielversprechende Ansätze. Umweltschützer, Atomkraftgegner oder sogenannte Wutbürger sammeln und schaffen ihr Wissen oft abseits der professionellen Wissenschaft. So kommen sie zu unabhängigen Einschätzungen, die in ihrer Wissenschaftlichkeit nicht hinter denen der Profis zurückstehen müssen.
Das Buch von Peter Finke weist auf eine wichtige Entwicklung hin, und vor allem unter Wissenschaftlern sind ihm viele Leser zu wünschen. Zusätzliche Beispiele oder ein lebendigerer Schreibstil hätten es noch besser gemacht. Was bewegt die neuen Wissensbürger und wie bekommen sie Alltag und Wissenschaft unter einen Hut? Solche Fragen lässt das Buch leider unbeantwortet.

Peter Finke: Citizen Science. Das unterschätzte Wissen der Laien
Oekom Verlag, München 2014
240 Seiten, 19,95 Euro

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