Sabine Bätzing sieht Erfolge bei Drogenbekämpfung

Sabine Bätzing im Gespräch mit Leonie March · 21.01.2009
Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, will den kombinierten Ansatz zur Reduktion illegaler Drogen weiter verfolgen. Bätzing sagte anlässlich der heute beginnenden Drogenkonferenz von Caritas international in Berlin, es gehe darum, das Angebot und die Nachfrage nach harten Drogen zu reduzieren.
Leonie March: Der Drogenhandel ist ein lukratives Geschäft. Laut Vereinten Nationen gibt es weltweit rund 250 Millionen Konsumenten, der Umsatz liegt mit geschätzten 400 Milliarden Dollar höher als der des größten europäischen Unternehmens. Und all das trotz einer repressiven Politik, die seit den 70er-Jahren verfolgt wird. Über neue Wege in der Drogenbekämpfung wird eine UN-Konferenz im Frühjahr beraten. Als Vorbereitung veranstaltet Caritas International ab heute ein internationales Expertentreffen in Berlin, zu dem auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing eingeladen ist. Guten Morgen, Frau Bätzing!

Sabine Bätzing: Hallo, schönen guten Morgen!

March: Die Caritas fordert eine Kehrtwende in der internationalen Drogenpolitik. Ist die auch aus Ihrer Sicht nötig?

Bätzing: Ja, ich denke der Kongress der Caritas kommt wirklich zum richtigen Zeitpunkt. Im März wird ja in Wien die internationale Staatengemeinschaft über die Erfahrungen der letzten zehn Jahre im Umgang mit dem weltweiten Drogenproblem beraten, und wir haben 1998 von einer Sonderversammlung der Vereinten Nationen ein Programm verabschiedet, um zu einer deutlichen Reduzierung des Angebots und der Nachfrage nach illegalen Drogen zu kommen, um den Anbau von Drogenpflanzen zu beseitigen und wirklich um dem Ziel einer weitgehend drogenfreien Welt näherzukommen. Und man hat sich auch bemüht, aber wenn man wirklich eine nüchterne Bestandsaufnahme macht, dann muss man feststellen, dass wir von diesem Ziel noch weit entfernt sind. Es gibt immer noch den Anbau von Drogenpflanzen in Afghanistan, noch immer gibt es Vorläufersubstanzen, das heißt, es ist immer noch sehr, sehr viel zu tun, weil es wurde lange ein Krieg gegen die Drogen geführt, anstatt die Probleme zu verstehen, die hinter dem Konsum von Drogen stecken. Also von daher ist da einiges noch zu tun.

March: Das heißt, die seit den 70er-Jahren verfolgte Politik, die sich auf eine Strafverfolgung konzentriert, ist gescheitert?

Bätzing: Also seit den 70er-Jahren gibt es die Strafverfolgung, das ist korrekt, und seit 1998, also seit etwa zehn Jahren, gibt es einen ausgewogenen Ansatz. Es geht da um die Angebots- und die Nachfragereduzierung, und diesen müssen wir noch stärker ausbauen. Und wir müssen versuchen, vor allen Dingen wirklich das Problem bei den Wurzeln zu packen. Und das ist nicht, einfach nur zu sagen, wir reißen die Drogenpflanzen raus oder wir bestrafen nun die Drogenhändler, sondern es geht hier darum, die Armut in diesen Ländern zu beseitigen. Dann wird es uns auch gelingen, den Drogenanbau zu reduzieren.

March: Sie haben es eben schon angedeutet, Drogenbekämpfung hat ja viele Facetten. Dazu gehört es zum Beispiel, Kartelle zu zerschlagen, Handelswege zu unterbrechen, aber auch, wie Sie eben erwähnt haben, den Anbau von Drogen zu verhindern. Welche Rolle spielt Deutschland dabei bis jetzt international?

Bätzing: Also Deutschland ist sich dieser Probleme, die es dort gibt, und vor allen Dingen auch der Verantwortung, zu ihrer Lösung beizutragen, ganz, ganz bewusst. Wir kümmern uns darum, erst gar keine Gründe entstehen zu lassen, Drogen konsumieren zu wollen. Wir haben selber ja ein differenziertes Hilfesystem für diejenigen, die von Drogen abhängig geworden sind, und wir fördern Programme der alternativen Entwicklung in diesen Ländern, um eben den Menschen in den armen Anbauregionen Auswege aus der Armut und der Abhängigkeit vom Anbau von Drogenpflanzen zu geben und vor allen Dingen diesen Menschen auch wieder Chancen zur Teilhabe an einem menschenwürdigen Leben zu geben. Wir fördern aber auch internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels, mit dem ja wirklich Milliardengewinne erzielt werden. Und wir unterstützen weltweit Programme zur Förderung von Bildung, zum Aufbau von Schulen, zur Herstellung einer vernünftigen Infrastruktur.

March: Und gibt es da bis jetzt Erfolge?

Bätzing: Ja, es sind auch dort Erfolge zu verzeichnen. Wie gesagt, in kleinen Schritten, das muss man ehrlicherweise und nüchternerweise auch sagen, aber es hat sich ein anderes Bewusstsein gebildet, und immer mehr Länder verfolgen eben auch diesen Ansatz. Und wenn wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen und uns realistische Ziele setzen und wirklich das Problem bei den Wurzeln packen, dann werden wir auch hier weitere Erfolge zu verzeichnen haben.

March: Die Nachfrage nach einzelnen illegalen Drogen ist ja international gestiegen. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Crystal Meth, ein hoch gefährliches Methamphetamin. Trifft das auch auf Deutschland zu?

Bätzing: Nun, in Deutschland hat sich sicherlich auch der Drogenkonsum und auch der Drogenhandel verändert in den letzten Jahren. Allerdings greift bei uns ein umfassender Ansatz von Prävention und auch von Beratung und von Behandlung, von Überlebenshilfen. Und deswegen können wir hier feststellen, dass zum Beispiel Methamphetamin bei uns noch keine Rolle spielt, dass dort der Konsum nicht gestiegen ist, weil eben hier wirklich dieser umfassende Ansatz greift. Dass der Konsum von Heroin zurückgegangen ist, dass Kokainkonsum bei uns stagniert und auch Extasy-Konsum geht zurück ebenso wie der Konsum von Cannabis. Das heißt, unser ganzheitlicher Ansatz, der ist hier an dieser Stelle wirklich erfolgreich.

March: Ist dabei die Entkriminalisierung der Konsumenten auch ein wichtiges Element?

Bätzing: Ja, also bei uns ist es vor allen Dingen wichtig, dass wir bestrafen vor allem den Drogenhandel und dessen wirklich, ich sag mal skrupellosen Profiteure. Wir bestrafen nicht die abhängigen Menschen, sondern für diese abhängigen Menschen haben wir Hilfsangebote, von drogenfreien Therapien bis hin zu medikamentengestützten Behandlungen, wie Methadonbehandlung oder auch das Modellprojekt der heroingestützten Behandlung für langjährige Abhängige. Weil diesen Menschen hilft jetzt nicht Ideologie oder reine Strafverfolgung, sondern eine wirklich medizinische Behandlung. Und diesem Ansatz haben wir uns verschrieben.

March: Caritas International sagt ja als Veranstalter der Konferenz über neue Wege in der Drogenpolitik, die heute in Berlin beginnt, dass es eine Welt ohne Drogen nie geben wird. Verabschieden Sie sich auch von diesem Ziel?

Bätzing: Gut, man muss wirklich realistisch sein. Wir wollen zwar, dass Menschen nicht abhängig werden von Drogen und auch dass der missbräuchliche Konsum zurückgeht, aber wir müssen davon ausgehen, dass es schwierig ist, wirklich eine vollständige Abstinenz vom Drogenkonsum zu erreichen, eine rauschfreie, eine drogenfreie Welt. Das wäre wirklich nur möglich zu einem sehr, sehr hohen Preis, der Einschränkung von Freiheitsrechten. Aber wir wollen dennoch eine deutliche Reduzierung von deren Verfügbarkeit, und wir wollen eine deutliche Reduzierung des Konsums, allerdings mit Mitteln der Kontrollen, der Aufklärung, der Stärkung von Lebenskompetenzen, nicht mit Mitteln des Zwangs und nicht mit missionarischem Eifer. Und darüber besteht hier in Deutschland Konsens, und auch hier ist unser übergreifender Ansatz sicherlich das richtige Instrument.

March: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing. Herzlichen Dank für das Interview!

Bätzing: Ich danke Ihnen auch!