Russlands Wirtschaft

Putins Versäumnisse

Die Bohranlage 27 in den Weiten des Urengoj-Gasfeldes nahe der Stadt Nowy Urengoi, aufgenommen am 03.12.2014. Hier fördert das russisch-deutsche Unternehmen Achimgaz aus 4000 Metern Tiefe Gas auch für den europäischen Markt.
Gasförderanlage nahe der russischen Stadt Nowy Urengoi: Seit vielen Jahren hat Wladimir Putin versprochen, die Wirtschaft unabhängiger von Öl und Gas zu machen - passiert ist fast nichts, findet Mathias Brüggmann. © picture alliance / dpa / Ulf Mauder
Von Mathias Brüggmann · 20.12.2014
Russlands Wirtschaftskrise ist größtenteils hausgemacht, meint Mathias Brüggmann vom Handelsblatt. Er macht Wladimir Putin dafür verantwortlich, dass das Land bis heute so abhängig von Öl- und Gasexporten ist und die Korruption blüht.
Wladimir Putin hat immer eine ganz eigene Sicht der Dinge. Und so hat er nun den Rubel-Absturz und die Wirtschaftskrise in Russland zum Werk des Westens umgedichtet. Der Westen wolle sein Land kleinkriegen, seine Souveränität untergraben – so begründete der russische Präsident am Donnerstag vor der internationalen Presse den Niedergang der Wirtschaft zwischen Kaliningrad und Kamtschatka.
Seit fast 15 Jahren nichts gegen Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten getan
Das ist ebenso weitgehend falsch wie bemerkenswert. Denn bis vor kurzem tönte Putin noch, Russland sei so stark, dass der Westen ihm nichts anhaben könne. Jetzt plötzlich soll er schuld sein an Russlands schwerer Misere. Doch die Hauptlast für das russische Vorankommen sind die westlichen Sanktionen nicht. Russlands Wirtschaftskrise ist weitgehend hausgemacht.
Seit fast 15 Jahren hat Putin in seinen Amtszeiten, mal als Präsident, mal als Premierminister, seinem Volk versprochen, die russische Wirtschaft unabhängiger von Öl und Gas zu machen. Passiert ist in dieser Hinsicht kaum etwas. Nur dass unter Putin der Staat wieder zum größten Spieler in der Öl- und Gasindustrie wurde. Abhängig von den Rohstoffexporten ist Moskau wie eh und je, außer Kalaschnikows und Kaviar gibt es sonst kaum etwas im Ausland zu verkaufen. Und so trifft der Ölpreisverfall Russland mit voller Härte.
Korruption - schlimmer als noch vor Jahren
Hinzu kommt, dass Putin den Druck auf seine Wirtschaft massiv gesteigert hat. Die Korruption in Russland ist heute schlimmer als vor Jahren noch. Und die Umverteilung von Firmen hält munter an: Unternehmen von alten Oligarchen gehen über in die Hände einer neuen Wirtschaftselite. Sie besteht aus Putins früheren Judolehrern, alten Datscha-Freunden, KGB-Kameraden und Benzin-Schiebern aus gemeinsamen St.Petersburger Tagen. Wer seine Firma nicht freiwillig an sie abtritt, kommt in Beugehaft.
Und lukrative Staatsaufträge – wie etwa für die völlig überteuerten Einrichtungen der Winter-Olympiade in Sotschi im vorigen Februar – gehen auch immer häufiger an Putins neuen Oligarchen-Clan. Als Folge von Vetternwirtschaft und Druck auf Privatkonzerne ist das Vertrauen in Russlands Wirtschaft im Keller. Statt zu investieren in einen eigentlich wachsenden Markt, schaffen russische Unternehmer ihr Geld ins Ausland. Die Kapitalflucht erreicht in diesem Jahr ein neues Rekordniveau.
Schuldzuweisungen können Putin nicht retten
Das Resultat dieser völlig verfehlten Politik Putins lässt sich an den Anzeigetafeln der allgegenwärtigen Wechselstuben betrachten: Der Rubel rollt – aber nur noch bergab. Mussten zu Jahresbeginn noch 45 Rubel für einen Euro gezahlt werden, so sind es jetzt über 73 Rubel. Und Russlands Börse ist so abgestürzt, dass alle russischen Aktien zusammen gerade noch so viel wert sind wie die Anteile des US-Softwareherstellers Microsoft.
Russland rutscht in die Rezession und sucht die Schuldigen dafür. Denn Putin hat zwar weiter enorme Zustimmungswerte in Meinungsumfragen. Doch Putins Popularität hängt an der Wirtschaft. Jahrelang hat er nach der chaotischen Jelzin-Aera seinem Volk Wachstum und Wohlstand geben können. Die Russen haben es ihm mit Wiederwahl gedankt. Doch das ist nun in Gefahr. Seit erstmals unter Putin die Reallöhne sinken und eine rasant steigende Inflation den Rentnern ihre Pensionszuwächse auffrisst. Viele Russen können sich ihren Winterspass zum Jahreswechsel in den Alpen nicht mehr leisten.
Ölpreis und Rubelkurs entscheiden also über Putins Zukunft. Allein mit Schuldzuweisungen wird er sich nicht retten können.
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