Russland

Schwules Leben in Sotschi

Von Stephan Laack · 03.12.2013
In zwei Monaten beginnen die Olympischen Spiele in Sotschi - eine Stadt, der bislang vor allem Negativschlagzeilen machte. Weltweit verurteilt wurde das Gesetz gegen "Schwulenpropaganda", das auch die Athleten trifft. Doch Sotschi sei noch immer eine tolerante Stadt, meint Clubbetreiber Andrej.
Das Cabaret Majak gilt als ältester Schwulen-Club von Sotschi. Obwohl an prominenter Stelle gelegen - mitten im Zentrum der Olympiastadt an einem schönen Park oberhalb der Strandpromenade - fällt das Cabaret Majak zunächst gar nicht auf: Ein schlichter Bungalow mit zwei Lampen rechts und links des Eingangs, der videoüberwacht ist. Wer hinein will, muss klingeln und sich der Gesichtskontrolle der smarten Türsteher unterziehen.
Andrej - Mitte dreißig - ist Besitzer des Cabaret Majaks. Den Schwulen-Club habe es bereits zur Sowjetzeit gegeben, erzählt er bei einer kurzen Führung am frühen Abend.
Erst seit acht Jahren sei der Club auch offiziell Treffpunkt vieler Homosexueller in Sotschi. Auf ein großes Hinweisschild am Eingang verzichtet Andrej ganz bewusst.
Wir haben Gäste, die gezielt in diesen Club gehen wollen. Sie haben von uns auf den bekannten Seiten im Internet erfahren. Das reicht uns. Es gibt auch Leute, die rein wollen, die wir hier aber nicht brauchen.
Wir fragen niemanden, ob er schwul ist oder nicht. Aber es gibt viele Leute, die rumpöbeln wollen. Damit es keine Probleme gibt, ist der Eingang nicht so auffällig.
Das Cabaret Majak ist eine Mischung aus Restaurant, Bar und Discothek. Sotschi sei immer schon eine tolerante Stadt gewesen, erzählt Andrej, der mit seinem Freund seit vielen Jahren gerne in der Schwarzmeerstadt lebt. Dass er in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebe, brauche er nicht zu verheimlichen.
"Wir hängen das nicht an die große Glocke"
In Sotschi wissen das doch alle. Wir hängen das nicht an die große Glocke, aber verheimlichen das auch nicht. Mit meinem Freund lebe ich schon seit zwölf Jahren zusammen. Absolut alle wissen das - sogar der Bürgermeister.
Über die jüngsten Gesetzesverschärfungen – das Verbot homosexueller Propaganda, das etwa das offene Leben gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im Beisein von Kindern und Jugendlichen verbietet - habe er mit seinen Freunden und Bekannten viel diskutiert, erzählt Andrej. Die harsche Kritik aus dem Westen findet Andrej nicht übertrieben.
Das Gesetz ist sehr verschwommen. Es gibt noch nicht mal den Begriff Schwule darin. Es richtet sich gegen Paare mit nicht traditioneller sexueller Orientierung. Das ist meiner Ansicht nach unmenschlich.
Ein Teil der Gesellschaft werde ausgegrenzt und kriminalisiert, meint Andrej. Trotzdem - von einem Boykott oder Protestaktionen rund um die Spiele hält er gar nichts.
Wir haben hier mit anderen Club Besitzern und den bekanntesten Transvestiten darüber gesprochen. Wir sind entschieden dagegen. Eine Mahnwache gegen die Regierung hätten wir vielleicht unterstützt, aber eine Gay Pride sicher nicht. Es schadet vor allem den Schwulen selbst.
Schwules Leben ist erwünscht - nur nicht öffentlich
Andrej befürchtet, dass sich durch eine solche Provokation, wie er es nennt, die Situation nur unnötig verschärfen würde. Die vielen schrillen Typen, die bei einer Gay-Pride dabei wären, würden die Russen ohnehin nur in ihren klischeehaften Vorurteilen bestätigen. Es sei besser, wenn viele schwule und lesbische Gäste aus dem Ausland zu den Spielen kämen:
Wir hoffen, dass die vielen Ausländer sich so verhalten werden, wie sie eben sind. Damit unsere Mitbürger sehen, dass solche Leute nicht so furchtbar sind, wie man es im russischen Fernsehen zeigt.
Die Stadtverwaltung habe ihn sogar dazu gedrängt, seinen Club auf jeden Fall während Olympia geöffnet zu haben.
Die russischen Behörden haben uns verboten, das Lokal zu schließen. Wie man uns erklärt hat, ist es für das Olympische Komitee ganz wichtig, dass wir während der Spiele geöffnet haben.
Es ist schon paradox: Schwules Leben gehört zu Sotschi und ist anscheinend auch während der Winterspiele von offizieller Seite erwünscht – nur soll es nicht in der Öffentlichkeit stattfinden.
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