Russland

Putins gefährliches Spiel

Der russische Präsident Wladimir Putin
Präsident Putin kam bei den Feierlichkeiten in der Normandie erstmals seit langer Zeit mit Staats- und Regierungschefs, wie etwa Angela Merkel und Barack Obama, zusammen. © picture alliance / dpa
Von Thomas Franke · 07.06.2014
70 Jahre nach der Landung in der Normandie Putin zu den Feierlichkeiten einzuladen, war richtig, kommentiert Thomas Franke im Deutschlandradio Kultur. Allerdings halte der russische Präsident Stalin für einen genialen Manager, sorge für Aggression unter den Völkern und bekämpfe die Ideale des D-Day.
Die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus ist ein Verdienst, das wir heute nicht hoch genug schätzen können. Ein Verdienst, der Alliierten und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gleichermaßen zukommt. Gedenken am D-Day ohne Russland geht also nicht.
Unvorstellbare Opfer wurden gebracht, damit Friede einkehren kann im geschundenen Europa, damit Deutschland für seine Nachbarn keine Gefahr mehr bildet, damit Menschen in offenen Gesellschaften sicher leben können. Der D-Day steht für Frieden und Freiheit, für Demokratie und Sicherheit, für die Freundschaft zwischen Völkern und Staaten über Grenzen hinweg in Europa und der Welt. Das war die klare Botschaft der gestrigen Feier.
Mit dabei war der russische Präsident Putin, dessen Politik all das derzeit gefährdet. Dabei wird in Russland nahezu rund um die Uhr die Befreiung Europas vom Faschismus beschworen. Anders, als im Westen, ist das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg, den "Großen Vaterländischen Krieg", wie er in Russland heißt, auch heute noch elementarer Teil des Alltags. Und es ist ein Teil von Putins Macht.
Kein relevanter freier Journalismus in Russland
Denn die russische Führung und ihre Propagandamedien missbrauchen den Kampf gegen den Faschismus unter anderem, um die Aggression gegen die Ukraine zu rechtfertigen, um gegen Andersdenkende vorzugehen, um der Europäischen Union oder den USA den Kampf anzusagen. Diese Administration schürt Hass. Seit Monaten vergiftet das russische Fernsehen die Zuschauer mit Kriegspropaganda. Russland sei ein Siegervolk, heißt es da, Russland sei das einzige Land, das die USA zu nuklearen Staub zermahlen könne. Die Fernsehkanäle, die das zeigen, sind über jeden Verdacht der Unabhängigkeit erhaben. Es gibt in Russland keinen relevanten freien Journalismus mehr.
In Putins Russland werden die Ideale des D-Day systematisch bekämpft. Putin steht für Unterdrückung, er steht für die Zensur von Medien und für imperiales Streben, das in Europa überwunden geglaubt war, er steht für chauvinistischen Nationalismus und Krieg. In Putins Amtszeit wurde die Aufarbeitung der Verbrechen der Sowjetunion nahezu gestoppt, der verbrecherische Geheimdienst ist rehabilitiert.
Für Putin ist Stalin ein genialer Manager und der Untergang der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Russland und seine Bewohner haben 69 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs besseres verdient.
Das D-Day Gedenken war in diesem Jahr überschattet vom Konflikt in der Ukraine. Vor zehn Jahren standen dort Menschen für Demokratie und Freiheit auf. Sie sind gescheitert. Der jetzige Versuch, sich von Moskaus destruktivem Einfluss zu befreien, wird von russischen Politikern und Propagandisten systematisch in Richtung Krieg getrieben.
Russische Regierung verhöhnt den Dialog
Deshalb sei es falsch gewesen, Putin einzuladen, sagen russische Oppositionelle. Politiker, die den Krieg noch erlebten haben, hätte das nicht getan, sagen sie. Das ist nur bedingt richtig. Denn Europa ist seit gut 20 Jahren nicht mehr getrennt in Ost und West, auch wenn viele Kremlpropagandisten systematisch daran arbeiten, Europa wieder zu spalten. Auch wenn die russische Regierung zynisch den Dialog verhöhnt.
Putin einzuladen, war richtig, keine Frage. Denn der Sieg über den nationalsozialistischen Totalitarismus gebührt eben auch Russland. Und das russische Fernsehen übertrug live. Vielleicht ist dadurch ja auch bei den einen oder anderen russischen Fernsehzuschauern die Botschaft der alliierten Soldaten angekommen: Einzustehen für Frieden, Freiheit und Toleranz.
Dieses Signal tut auch den westlichen Staatschefs gut. Sie neigen dazu, diese Werte zu verwässern, sei es aus Angst um sinkende Börsenkurse, oder um Investitionen, sei es wegen der Versorgung mit Rohstoffen. Oft ist es einfach ein unzerstörbarer Drang nach Harmonie.
Bei aller Harmonie, die gestern am Strand zelebriert wurde - Frieden und Freiheit gedeihen nur in der Auseinandersetzung mit ihren Feinden.
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