Russland

Putin findet Anhänger bei Europas Rechtspopulisten

Verpackte T-Shirts mit einem Foto des russischen Präsidenten Wladimir Putin, aufgenommen im Moskauer Warenhaus GUM
Russlands Präsident Wladimir Putin - auch auf T-Shirts ist sein Bild zu finden (hier Verpackungen im Moskauer Warenhaus GUM) © dpa / picture alliance / Geodakyan Artyom
Von Jörg Himmelreich · 28.11.2014
AfD, UKIP, Front National: Die EU-feindliche Rechte begreift Wladimir Putin zunehmend als Speerspitze des Konservatismus in Europa. Für den russischen Präsidenten geht es dabei um reine Machttechnik, erläutert der Publizist Jörg Himmelreich.
Jüngst sprachen die Russen – in einer landesweiten Umfrage – Wladimir Putin die höchste moralische Autorität zu; dem Moskauer Patriarchen Kyrill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, hingegen die geringste. Das Staatsoberhaupt gleichzeitig als moralische Instanz anzusehen, mag in Deutschland erstaunen, wird in Russland aber als selbstverständlich empfunden.
Dort sahen sich schon die Zaren im Zentrum eines Dritten Roms und beanspruchten seit dem Fall von Byzanz, Vertreter Gottes auf Erden zu sein. Geschickt knüpft Putin an diese Tradition an. Denn er belebt damit einen alten imperialen, orthodoxen und geradezu messianischen Anspruch. Nach dessen Vorstellungen befreit ein immer noch rein slawisches, von daher überlegenes russisches Volk den Westen von katholischer und protestantischer Dekadenz.
Anhänger bei AfD, UKIP und Front National
Auf diese orthodox-religiöse Erlösungsideologie greifen der Präsident und seine Spin-Doktoren zurück, wenn sie rechtfertigen wollen, dass sie Menschenrechte geringschätzen, Demokratie unterdrücken, Einwanderer verunglimpfen und Homosexuelle zusammenknüppeln lassen.
Offensiv werben sie in Europa mit einem antidemokratischen, antimodernen, alt-russischen Konservativismus und finden Anhänger unter EU-verdrossenen Rechtspopulisten - von der britischen UKIP über die französische Front National bis hin zur deutschen AfD. Es ist nicht neu, dass gerade deutsche Konservative sich von russisch-orthodoxem Denken angezogen fühlen.
Schon Friedrich Nietzsche lobte die Kraft eines reinen Russentums, weil es durch seine Rückständigkeit noch die wahre Größe vor sich habe. Und Thomas Mann feierte hymnisch den Schriftstellerkollegen Fjodor Dostojewski dafür, dass er in seinen "Politischen Schriften" herausstellt, wie überlegen ein orthodoxes Russland einem romanisch-katholischen Europa sei. Und diese Hymne teilten auch andere Intellektuelle der Weimarer Republik – von Oswald Spengler bis Moeller van den Bruck.
Nun wiederholt sich Geschichte bekanntermaßen nicht. Damals war der alt-russischen Rechtskonservativismus eine literarische und philosophische Liebhaberei deutscher Dichter und Denker. Heute kommt er eher als Putins politische Falle daher, um die europäische Rechte einzufangen.
Das Projekt einer Eurasischen Union
Für den Kreml geht es um reine Machttechnik. Er beansprucht nur deswegen, die Speerspitze des Konservativen in Europa zu sein, um seinen Einfluss strategisch auszuweiten. Das Projekt einer Eurasischen Union von Wladiwostok bis Lissabon soll Moskau wieder ins Spiel bringen, soll mit dem alten Traum vom Ost-Rom die Trauer um die verlorene Sowjetmacht kurieren.
Denn seit Ende des Kalten Krieges geht Russland den Sonderweg einer zerfallenen Weltmacht. In einem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt westliche Regeln als ein gleicher Staat unter anderen zu akzeptieren, das war ihr unmöglich. Und weit ist Wladimir Putin mit seiner Idee nicht gekommen, eine kontinentale Sicherheitspolitik zu schaffen – möglichst ohne die USA.
Wenn aber Brüssel nicht bereit ist, auf ihn einzugehen, gar die Nachbarn Russlands in den Bann zieht, dann muss er eben von Moskau aus die Feste EU schleifen.
In Russland bedient er damit ein tief verankertes Selbstverständnis, im Westen sammelt er die Unzufriedenen ein. Nur so hofft er, dem Zorn seines Volkes über die desolate Lage des Landes zu entgehen. So russlandbesoffen dürfte eigentlich kein Europäer sein, sich selbst für den Machterhalt eines ungekrönten, despotischen Zaren zu opfern.
Jörg Himmelreich schreibt als Autor für die "Neue Zürcher Zeitung" und forscht zu kulturgeschichtlichen und außenpolitischen Themen Russlands und Asiens. Er war Mitglied des Planungsstabs des Auswärtigen Amts in Berlin sowie Gastdozent und politischer Berater in Washington, Moskau, London und ist Senior Transatlantic Fellow des German Marshall Fund of the United States in Berlin.
Jörg Himmelreich
Jörg Himmelreich© Peter Ptassek
Mehr zum Thema