Russland

Kultur als Retter

Kulturvermittlung mit der Maus - eine Veranstaltung mit der Maus während der Eröffnung des Jahrs der deutschen Sprache und Literatur in Moskau
Kulturvermittlung mit der Maus - eine Veranstaltung mit der Maus während der Eröffnung des Jahrs der deutschen Sprache und Literatur in Moskau © Vladimir Balzer, Deutschlandradio Kultur
Von Vladimir Balzer · 15.09.2014
Provokation oder Chance? Mitten im Konflikt zwischen Russland und der NATO wird in Moskau das "Jahr der deutschen Sprache und Literatur" eröffnet – organisiert vom Auswärtigen Amt und Goethe-Institut. Allerdings gibt es kleine Änderungen.
Natürlich gab es Fragen. Eine Feier mitten in Moskau – organisiert vom Auswärtigen Amt und vom Goethe-Institut? Nach diesem wunderschönen Sommerwochenende in diesem innenstädtischen Park mit dem Namen "Eremitage" und die mehreren tausend Besucher gesehen hat, Familien mit Kindern jeden Alters, hoch interessiert, wissbegierig, deutschlandliebend, tanzend, spielend…weiß man: Es war richtig, dieses Sprach- und Kulturjahr stattfinden zu lassen.
Die Polen hatten ihr Kulturjahr kurz zuvor ausfallen lassen, die Briten ihrs geschrumpft. Die Deutschen blieben bei ihrem Programm. Bis auf eine Ausnahme. Der Rap-Sänger Cro trat nicht auf. Auf Druck des AA, wie man hinter vorgehaltener Hand hörte. Man wolle nicht allzu viel Partystimmung aufkommen lassen. So sagte es natürlich niemand ins Mikrofon, sondern eher dies hier. Andreas Görgen, im AA zuständig für die auswärtige Kulturpolitik:
"Das ist eine Verschiebung des Konzerts, keine Absage. Ich bitte da einfach um Verständnis."
Das Moskauer Goethe-Institut jedenfalls zeigte sich wenig begeistert. Es gab auch noch mehr Änderungen. Die Sprachregelung etwa. Das Wochenende in Moskau hieß nicht mehr Eröffnungsfest, sondern "Bildungsmarkt". Dennoch glaubt auch das Amt an die politische Funktion von Kultur.
"Kultur kann neue Worte finden, wo die Politik keine mehr hat."
Oder wie der ebenfalls angereiste Peter Gauweiler vom Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sagte:
"Beide Seiten sind sich bewusst: Wir müssen aus dem Krieg der Worte raus!"
Entpolitisierte Kultur
Und so schlossen beide Seiten kulturelle Sanktionen aus. Auch Michail Schwydkoj, Putins Berater in Sachen Kulturaustausch.
"Kultur, Kunst, Bildung – diese Bereiche dürfen nie Teil von Sanktionen sein. Das wäre absurd!"
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Eine Besucherin auf dem Eröffnungsfest des "Jahres der deutschen Sprache und Kultur" in Moskau.© Vladimir Balzer, Deutschlandradio Kultur
Also wurde versucht, die Kultur weitestgehend zu entpolitisieren. Womit eine kleine Handpuppe grundsätzlich keine Probleme hatte.
"Hallo! Ich bin Hans Haase, wer bist du?"
Deutschlehrerin Luba Babitschewa erweckt einen kleinen Hasen zum Leben, der nur ein einziges Problem hier in Russland hat: Er kann nur Deutsch. Also müssen die Kinder, die vor ihm sitzen, eine neue Sprache lernen, um mit ihm sprechen zu können.
"Hallo! Ich bin Hans Haase, wer bist du? Kira! Hallo, Kira!"
Lehrer: Deutsch wird immer weniger gefördert
So gewinnt man sicher diesen oder jenen junge Freund der deutschen Sprache. Aber dennoch, es reicht nicht. Die russische Bildungspolitik konzentriert sich ganz auf Englisch als Fremdsprache, Deutsch wird immer weniger gefördert, beschweren sich viele Lehrer hier in Moskau.
Weniger aus politischen, als eher aus wirtschaftlichen Gründen. Auch chinesisch boomt. Aber deutsch?
Lehrerin Nadeshda Alexjewna lehrt seit 30 Jahren Deutsch in Moskau.
"Die Bedeutung des Deutschen geht in den Schulen hier stetig zurück. Wir sind Fans des Deutschen und wir kämpfen!"
Ihre Kollegin Ala Jakowlewna pflichtet ihr bei.
"Die Eltern schicken ihre Kinder zur Klassenfahrt immer nach England. Immer England!"
Spaß für die Besucher
Was die englische Sprache nicht kann – Wörter zusammensetzen, bis sie kaum mehr aussprechbar sind. In Moskau wurde in einem Sprachquiz das längste deutsche Wort gesucht. Es hat 67 Buchstaben.
"Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung"
Weil es so schön war, noch einmal:
"Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung."
Die Besucher dieses Festes hatten ihren Spaß! Und interessierten sich kaum für politische Fragen. Bis auf Musikkritiker Andrej Troijtzki, der hier dabei war und hunderte Zuhörer anzog, als er über seine Liebe zur deutschen Popmusik sprach, um dann, nach dem Vortrag, doch auf die Lage seines Lands zu kommen:
"Unser Land ist mit allen Segeln unterwegs ins Mittelalter - und knallt bald auch noch gegen die chinesische Wand. Aber: ein kulturelles Ereignis wie dieses hier erinnert uns daran, dass wir in Europa leben und nicht in Asien! Manchmal muss man die Russen daran erinnern, dass die Erde eine Kugel ist und es Grenzen gibt, die man respektieren muss."
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