Russland

Duma ermöglicht Verbot ausländischer Organisationen

Dmitri Gudkow von der Partei "Gerechtes Russland" beim Trauermarsch für Boris Nemtsov.
Dmitri Gudkow von der Partei "Gerechtes Russland" stimmte gegen das Gesetz. © picture alliance / dpa - Vladimir Astapkovich
Von Gesine Dornblüth · 19.05.2015
Die russische Staatsduma hat der Staatsanwaltschaft erlaubt, ausländische Organisationen für unerwünscht zu erklären, womöglich auch Firmen. Nur drei Abgeordnete stimmten dagegen.
Dmitrij Gudkow von der Partei "Gerechtes Russland" zählt zu den wenigen Abgeordneten, die dagegen stimmten, unerwünschte ausländische Organisationen in Russland künftig verbieten zu lassen. Gudkow nennt das Gesetz skandalös.
"In allen zivilisierten Ländern der Welt kann nur ein Gericht entscheiden, ob ein Bürger oder eine Organisation gegen ein Gesetz verstoßen hat. Hier aber gibt es Abgeordnete, die es für richtig halten, die Entscheidung den Staatsanwälten zu überlassen."
Die russische Staatsanwaltschaft darf ausländische und internationale Nichtregierungsorganisationen künftig als unerwünscht verbieten, wenn sie meint, dass diese die nationale Sicherheit, die Verteidigungsfähigkeit oder die verfassungsmäßige Ordnung Russlands gefährden. So sieht es das heute verabschiedete Gesetz vor. Die Staatsanwaltschaft muss sich bei der Beurteilung ausländischer Organisationen lediglich mit dem Außenministerium abstimmen.
Wer danach noch mit den betreffenden Organisationen zusammenarbeitet, dem drohen hohe Geldstrafen und im Extremfall sechs Jahre Haft. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass Medien nicht mehr über "unerwünschte" Organisationen informieren dürfen. Die Zustimmung des Föderationsrates gilt als Formsache.
Internationale Organisationen schlagen Alarm. Human Rights Watch und Amnesty International sprechen von einem weiteren Angriff auf die russische Zivilgesellschaft, der ihre Arbeit lähme und Nichtregierungsorganisationen kriminalisiere. Denis Primakov, Jurist bei Transparency International in Russland, weist zudem auf ganz konkrete negative Folgen für die russische Bevölkerung hin.
"Internationale Wohltätigkeitsorganisationen bieten in Russland Dienste an, die es hier sonst nicht gibt. Sie können verschwinden. Und es geht auch um Arbeitsplätze. In internationalen Organisationen arbeiten lokale Mitarbeiter. Die würden arbeitslos."
"Es wird dem Investitionsklima schaden"
Das ist umso relevanter, als mit dem neuen Gesetz theoretisch auch ausländische Unternehmen für "unerwünscht" erklärt werden können. Der Abgeordnete Aleksandr Tarnavskij von der Partei "Gerechtes Russland" hat den Entwurf eingebracht. Im Radiosender Radio Liberty bestätigt er, dass die Initiative als Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen russische Firmen gedacht ist und auch auf ausländische Unternehmen zielt.
"Mir scheint, es gibt eine Reihe von ausländischen kommerziellen und nichtkommerziellen Unternehmen, die aus unterschiedlichen Gründen ausschließlich arbeiten, um unser Land zu erniedrigen. Die Amerikaner haben angefangen und den Verkauf von Kalaschnikov-Gewehren in Amerika verboten. Wir antworten darauf."
Der kremlkritische Abgeordnete Dmitrij Gudkow warnt, das Gesetz werde die russische Wirtschaft schädigen.
"Dieses Gesetz wird dazu führen, dass noch mehr Kapital aus unserem Land abwandert. Es wird dem Investitionsklima schaden. Niemand investiert doch in Russland, wenn die Firma morgen aufgrund der Entscheidung eines Staatsanwaltes geschlossen werden kann."
Es entspricht der politischen Stimmung in der russischen Elite, internationale Organisationen für russlandfeindlich zu erklären. Als zum Beispiel Rating-Agenturen die Kreditwürdigkeit Russlands herabstuften, schlugen russische Politiker vor, eigene Rating-Agenturen zu gründen und die internationalen zu ignorieren.
In Russland kursiert auch die Meinung, internationale Banken hätten bewusst eine Senkung des Ölpreises herbeigeführt, um Russland zu schaden. Aleksandr Tarnavskij, der Autor des heute beschlossenen Gesetzes, sagte russischen Medien, wenn sich das bewahrheite, müssten auch diese Banken in Russland verboten werden. Für Denis Primakov, den Juristen von Transparency International, steht fest:
"Russland ist nicht Nordkorea, aber wir bewegen uns in die Richtung, und zwar sehr schnell."
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