Russischer Militäreinsatz

Blogger erhebt Streubomben-Vorwürfe

Ein SU-24-M-Bomber der russischen Luftwaffe hebt vom syrischen Militärstützpunkt Hmeymim bei Latakia ab.
Was macht das russische Militär wirklich in Syrien? © picture alliance / dpa / RUSSIAN DEFENCE MINISTRY
Von Gesine Dornblüth · 13.01.2016
Vorwürfe, dass Russland in Syrien Streubomben einsetze, gibt es, seit Russland im Herbst mit seiner Militäroperation dort begonnen hat. Eine Gruppe russischer Aktivisten will jetzt Beweise haben, Gesine Dornblüth hat einen von ihnen getroffen.
Ruslan Lewijew wohnt in einem Hochhaus am Rande Moskaus, gemeinsam mit zwei Katzen. Die meiste Zeit sitzt er hinter zwei Computer-Bildschirmen. Der Name ist ein Pseudonym. Ruslan Lewijew gehört zu einer kleinen Gruppe von Internetrechercheuren. Sie nennen sich Conflict Intelligence Team und haben letzte Woche brisantes Material zum Einsatz der russischen Luftwaffe in Syrien veröffentlicht. Es sind Fotos und Videoaufnahmen, die ihrer Meinung nach belegen, dass Russland in Syrien Streubomben einsetze.
"Das Besondere an dieser Recherche ist, dass unsere Beweise aus staatlichen, kremltreuen Medien stammen. Von der Agentur Ria Novosti und Russia Today. Selbst Accounts des Verteidigungsministeriums haben Fotos veröffentlicht, auf denen klar unsere Kampfflugzeuge mit daran angebrachten Streubomben zu sehen sind."
Lewijew startet ein Video, das ein Reporter des Staatssenders Russia Today getwittert hat. Ein Jagdbomber rollt über ein Flugfeld.
"Hier hängt die Bombe am Fahrgestell."
Für Amateure ist nicht zu erkennen, ob es sich um eine Streu- oder um eine andere Bombe handelt. Aber Lewijew ist sich absolut sicher: Es sei die Streubombe vom Typ RBK-500 SPBE-D mit 15 Minibomben darin. Sie hätten so ein Modell in einem Militärmuseum ausfindig gemacht und fotografiert.
"Wir haben studiert, was diese Streubombe von anderen Bomben unterscheidet. Es ist ihre Form: Die spitze Nase und das spitze Heck."
"Schablonen und Fakes"
Insgesamt drei Typen von Streubomben wollen die Blogger auf Fotos und Videos von der russischen Militärbasis in Syrien ausgemacht haben. Außerdem führen sie Aufnahmen nichtexplodierter russischer Streumunition an. Diese Aufnahmen seien nicht etwa in IS-Gebieten, sondern in von Rebellen kontrollierten Gegenden in Syrien gemacht worden. Sie wiesen darauf hin, dass Russland dort, wie es heißt, "sehr wahrscheinlich" Streubomben gegen zivile Ziele einsetze. Lewijew und seine Mitstreiter haben etwa zwei Wochen an der Recherche gearbeitet. Sie seien zu viert, sagt er, außerdem hätten sie noch zwei Helfer in Syrien, die Orte und Fotos abgleichen würden. Diese Helfer, das sagt Lewijew offen, seien Rebellen der Freien Syrischen Armee, also der bewaffneten Assad-Opposition.
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte Russland bereits vor Wochen vorgeworfen, in Syrien Streubomben einzusetzen und Zivilisten zu töten. Auch Amnesty International sieht Hinweise darauf. Generalmajor Igor Konaschenkow, Sprecher des Verteidigungsministeriums, sprach daraufhin im Dezember von einem – Zitat - "Strom der Lügen":
"Das sind Schablonen und Fakes, die wir schon mehrfach als solche enttarnt haben: Nichts als Hypothesen, keinerlei Beweise."
Es gäbe keine Streubomben auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt in Syrien, so der Ministeriumssprecher vor drei Wochen. Die neuen Vorwürfe des Conflict Intelligence Team hat das russische Militär bisher nicht kommentiert. Russische Medien reagieren zurückhaltend auf die Recherchen, selbst oppositionelle. Auch der unabhängige Militärexperte Aleksandr Golz warnt vor voreiligen Schlüssen.
"Man müsste vor Ort sein, um sich wirklich sicher zu sein, dass Russland Streubomben einsetzt. Leider lügen alle Konfliktbeteiligten auf unanständigste Weise. Die Russen genauso wie diejenigen, die zur syrischen Opposition gehören."
Der Blogger Lewijew schließt nicht aus, dass er wegen seiner Veröffentlichungen Schwierigkeiten bekommt, möglicherweise bis hin zu einer Anklage wegen Spionage. Einer seiner Mitstreiter hat sich bereits ins Ausland abgesetzt.
"Es gibt ein großes Risiko. Aber ich bleibe bewusst in Moskau. Wenn die Leute sehen, dass ich so ein Risiko eingehe, vertrauen sie unseren Informationen mehr. Wir hoffen, Druck auszuüben, damit Russland und andere Staaten auf Streumunition verzichten."
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