Rundfunkorchester in Deutschland (6/7)

Was bleibt, ist die Gegenwart

Der Dirigent Karel-Mark Chichon
Der Dirigent Karel Mark Chichon © Marco Borggreve/RSB
23.07.2016
Nicht zuletzt über sein eigenes Vorleben schrieb Giacomo Puccini die Oper "La Bohème" - die Deutsche Radiophilharmonie hat das Erfolgsstück jetzt in Saarbrücken aufgeführt unter Leitung ihres Chefdirigenten Karel Mark Chichon.
Henri Murgers Roman "La Bohème" über Glanz und – eher Elend – des Künstlerlebens wurde zum Kassenschlager und nahm den Komponisten Giacomo Puccini sofort gefangen, auch, weil er selbst viele Jahre lang ein Bohème-Leben im Kreise seiner Freunde geführt hatte.
"Denn die Gestalt dieser Welt vergeht." (Paulus von Tarsus) — Die "Bohèmiens" beginnen mit ihren Erwägungen in der Vergangenheit und enden in der Gegenwart: Rodolfo, der Schriftsteller, Marcello, der Maler, Schaunard, der Komponist, und Colline, der Philosoph, leben in der Poesie, im Konjunktiv, im Nostalgischen. Sie lieben den großen Gestus: Um sich zu wärmen, verheizen sie kurzerhand Rodolfos dreiaktiges Drama. Das brennende Papier wird zur Metapher für den Prozess einer Auslöschung und des Verschwindens. Denn die Liebe, die zwischen Rodolfo und Mimì aufkeimt, ist zugleich der Beginn eines Abschieds. Ganz real stirbt Mimì schließlich und mit ihr stirbt der Glaube an die Musik und die Literatur. Was den Überlebenden bleibt, ist die Gegenwart.
"In dem Buch war alles, was ich suchte und liebte: die Frische, die Jugend, die Leidenschaft, die Fröhlichkeit, die schweigend vergossenen Tränen, die Liebe mit ihren Freuden und Leiden …". Nach der Uraufführung 1896 in Turin wurde diese vierte Oper Puccinis mit ihren anrührenden Arien und ihrer emotionalen Dichte ein Welterfolg. Karel Mark Chichon hat das Juwel für die erste Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Radio Philharmonie mit dem Saarländischen Staatstheater ausgewählt, wo die Oper zuletzt vor etwa zehn Jahren auf dem Spielplan stand.
Congresshalle Saarbrücken
Aufzeichnung vom 10. Juni 2016
Giacomo Puccini
"La Bohème", Oper in vier Bildern, Libretto: Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach dem Roman "Les scènes de la vie de bohème" von Henri Murger
Mimi - Grazia Doronzio, Sopran
Rodolfo - Ho-Yoon Chung, Tenor
Musetta - Alessandra Marianelli, Sopran
Marcello - Fabio Capitanucci, Bariton
Colline - Rihards Macanovskis, Bass
Schaunard - Enrico Maria Marabelli, Bariton
Benoît, Alcindoro - Francesco Facini, Bass
Sergeant, Zöllner - Markus Jaursch, Bass
Parpignol - János Ocsovai, Tenor
Chor und Extrachor des Saarländischen Staatstheaters
Kinderchor des Saarländischen Staatstheaters
Deutsche Radio Philharmonie

Leitung: Karel Mark Chichon
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