Rundfunkbeitrag ist "gerechter als das alte System"

Martin Stadelmaier im Gespräch mit André Hatting · 14.01.2013
Er könne den Ärger von Unternehmen über den neuen Rundfunkbeitrag nicht nachvollziehen, sagt Martin Stadelmaier (SPD), Leiter der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. Das neue System sei insgesamt gerechter und deutlich einfacher als das alte.
André Hatting: Seit dem 1. Januar gilt: ein Haushalt, eine Abgabe. Die alte Rundfunkgebühr wird von einem Rundfunkbeitrag abgelöst. Egal, wie viele Fernseher, Radios oder Computer Sie nutzen, Sie zahlen einheitlich 17,98 Euro. Für die meisten Privatnutzer ändert sich damit überhaupt nichts. Aber für die Wirtschaft. Denn jetzt richtet sich die Höhe des Beitrags nach der Anzahl der Betriebsstätten und der Beschäftigten. Viele Filialen bedeuten also in der Regel hohe Beiträge. Die Drogeriekette Rossmann hat zum Beispiel ausgerechnet, dass sie statt bislang 40.000 jetzt 200.000 Euro im Jahr zahlen muss. Rossmann mit seinen 1700 Filialen hat deshalb Klage beim Bayrischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Und der Handelsverband Deutschland prüft sogar eine Klage beim Bundesverfassungsgericht.

Der Rundfunkbeitrag ist das gemeinsame Produkt der Bundesländer, festgeschrieben 2010 in einem Staatsvertrag. Martin Stadelmeier ist Chef der Mainzer Staatskanzlei. Rheinland-Pfalz koordiniert die Medienpolitik der Länder. Guten Morgen, Herr Stadelmeier!

Martin Stadelmeier: Guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Können Sie die Wut von Rossmann, Edeka, Douglas, Rewe und anderen nachvollziehen?

Stadelmeier: Nein, ich kann die in dieser Form nicht nachvollziehen. Auch für die Unternehmen, die bisher ehrlich Zahler gewesen sind, bedeutet der neue Beitrag eine deutliche Entlastung. Wir werden etwa 90 Prozent der Unternehmen mit einem niedrigeren oder gleich hohen Beitrag haben. Aber es ist auf der anderen Seite auch völlig klar, dass sich große Unternehmungen mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch am öffentlich-rechtlichen Rundfunk beteiligen müssen. Denn sie profitieren von dieser öffentlichen Ordnung, wie sie in Deutschland ist und auch durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit hergestellt wird.

Hatting: Aber Rundfunk in Betrieben ist doch eigentlich eher die Ausnahme, nicht die Regel. Also wenn man zum Beispiel zu Rossmann geht, dann läuft da in der Regel kein Radio und kein Fernseher. Warum eine Abgabe nach Betriebsstätten?

Stadelmeier: Weil das eine deutliche Vereinfachung ist gegenüber dem bisherigen System. Sie müssen sich vorstellen, bisher musste an jedem Ort nachgeschaut werden, ist dort ein Radio, ist dort ein Fernsehen? Sie werden auch kaum eine Drogerie finden, wo nicht ein Radio beispielsweise steht. Und nach Betriebsstätten ist das sowohl für die Unternehmen sehr viel einfacher als auch für die Beitragszahler, weil die Erhebungskosten viel geringer sind.

Hatting: Sollte der Handel mit seiner Klage Erfolg haben – zahlt dann am Ende der private Verbraucher für die entgangenen Beiträge?

Stadelmeier: Das ist zu befürchten. Wir haben schon bei der alten Gebühr immer wieder den Versuch von Teilen der Wirtschaft, ich will ausdrücklich betonen, von Teilen der Wirtschaft gehabt, sich zulasten der privaten Nutzerinnen und Nutzer der Gebührenpflicht zu entziehen.

Hatting: Der Handelsverband hat ja angekündigt, er wolle eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sogar prüfen. Welche Chancen hat eine solche Klage Ihrer Meinung nach?

Stadelmeier: Das kann ich nicht beurteilen, aber ich weiß, dass das alte Gebührensystem immer wieder beklagt gewesen ist bis zu den obersten Gerichten, dort immer wieder bestätigt worden ist, auch in durchaus schwierigen Fragen wie beispielsweise der PC-Gebühr. Insofern ist es nichts Überraschendes, aber ich sehe dem auch gelassen entgegen.

Hatting: Es gibt Menschen, die verzichten ganz bewusst auf einen Fernseher. Entweder, weil ihnen das Radio reicht, oder weil sie früher damit billiger weggekommen sind. Jetzt zahlt jeder 17,98 Euro, egal, welches Medium er privat nutzt. Ist das gerecht?

Stadelmeier: Wir glauben, dass es gerechter ist als das alte System. Wenn Sie daran denken, im alten System musste man hinter den Haustüren, viele haben es so empfunden, nachschnüffeln, welche Geräte vorhanden sind. Heute haben Sie konvergente Geräte. Sie können mit dem Handy Radio hören, Sie können mit dem Fernsehen ins Internet gehen. Diese Welt ist sehr viel leichter abzubilden mit dem neuen Beitrag als mit dem alten System. Es gibt statistisch kaum Leute, die nicht ein Gerät nutzen, mit dem sie auch die Angebote, die im Hörfunk und im Fernsehen gemacht werden, mit nutzen können.

Insofern ist das für die ganz, ganz große Mehrheit der Menschen eine ganz deutliche Erleichterung, wie das neue System ist. Das schließt nicht aus, dass es an der einen oder anderen Stelle auch schmerzliche Erhöhungen gibt, aber ich glaube, insgesamt sind sie zu rechtfertigen, weil das System, das neue System deutlich einfacher ist.

Hatting: Sie sehen also keinen Nachbesserungsbedarf vor 2014? Dann soll das Ganze ja sowieso überprüft werden.

Stadelmeier: Nein, vor 2014 auf keinen Fall. Man muss sich das genau anschauen. Und an der Tatsache, dass wir diese Evaluierung vereinbart haben, sehen Sie, dass wir gegenüber Kritik und Nachbesserungen nicht verschlossen gewesen sind, als wir dieses System auf den Weg gebracht haben. Wenn man eine so große Reform macht, dann kann es durchaus sein, dass an der einen oder anderen Stelle Nachbesserungsbedarfe entstehen. Mein Eindruck ist, dass sie allerdings nicht sehr groß sein werden.

Hatting: Herr Stadelmeier, Sie haben das schon angesprochen: Fakt ist, dass sich für die meisten Rundfunknutzer gar nichts ändert. Trotzdem lesen wir von Proteststürmen, Chaos, Abkassieren durch die GEZ und so weiter. Haben wir es hier vielleicht auch mit einer Kampagne der privaten Zeitungen gegen die öffentlich-rechtlichen Sender zu tun?

Stadelmeier: Ja, das will ich nicht ausschließen bei der einen oder anderen Zeitung, dass da Motive eine Rolle spielen, die mit dem neuen System an sich nichts zu tun haben. Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass wir bisher ungefähr 42 Millionen Teilnehmerkonten gehabt haben. Bei den Haushalten reden wir auch über eine Größenordnung von fast 40 Millionen. Da ist die Zahl von 1000 oder 10.000 Beschwerden dann im Verhältnis zur Gesamtzahl eine geringe.

Hatting: Martin Stadelmeier, SPD. Er leitet die Staatskanzlei Mainz. Rheinland-Pfalz ist federführend in der Rundfunkpolitik der Bundesländer. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Stadelmeier: Ich danke Ihnen! Einen schönen Tag!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Mehr zum Thema:

Pleitgen: Kritik am Rundfunkbeitrag ist nicht zu unterschätzen
Ex-WDR-Intendant über die Qualitätsdebatte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (DLF)

Rundfunkbeitrag und Digitalisierung – Wie sieht die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus?
Zu Gast: Deutschlandradio-Intendant Dr. Willi Steul (DKultur)

Die Öffentlich-Rechtlichen in Zeiten des Internets
Zum neuen Rundfunkbeitrag (DLF)

Mehr zum Thema