Ruhestand

"Erfolgsmenschen können im Alter nicht aufhören"

Ein älterer Herr geht allein durch den Park von Schloss Bückeburg.
Ein aktiver Ruhestand besteht bei Erfolgsmenschen nicht nur aus Spaziergängen © dpa/picture-alliance/Emily Wabitsch
Ansgar Thiel im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 17.03.2017
Der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck freut sich darauf, im Ruhestand endlich mal wieder mit dem Fahrrad um den Block zu fahren. Der Sportwissenschaftler Ansgar Thiel glaubt nicht daran, dass es dabei bleibt und warnt vor Illusionen.
"Ich stelle mir vor, dass jemand wie Herr Gauck mit dem Fahrrad zu nächsten Ehrenamt fährt", sagte der Sportwissenschaftler und Psychologe Ansgar Thiel im Deutschlandradio Kultur über den Ruhestand des scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der Politiker hatte in einem Interview erzählt, wie er sich seinen Ruhestand vorstelle und dabei davon gesprochen, dass er endlich mal wieder mit den Fahrrad um den Block fahren wolle. "Leute wie Herr Gauck werden sich bestimmt nicht damit zufrieden geben, nur Fahrrad zu fahren", zeigte sich Thiel skeptisch.

Unterschiedliche Ruhestandspfade

Das sei eine Typenfrage, sagte der Direktor des Instituts für Sportwissenschaften an der Universität Tübingen. Er verwies auf eine Studie der US-amerikanischen Psychologenvereinigung, die unterschiedliche "Ruhestandspfade" identifiziert hätten. Ein typischer Ruhestandspfad für erfolgreiche Menschen, die so viel in der Öffentlichkeit standen, wie Gauck, sei eine "Fortsetzer-Biographie", sagte Thiel. "Das heißt, die Leute machen im Grunde nach dem Eintritt in den Ruhestand ungefähr das selbe, was sie vorher gemacht haben, vielleicht in etwas geringeren Dosen." Das gelte für Professoren, die weiter Bücher schrieben oder für Lehrer, die sich weiter in der Nachhilfe engagierten. "Die Leute können gar nicht aufhören, den würde so viel fehlen."

Konkrete Pläne empfohlen

So eine Vorstellung, man könne aufhören und nur noch mit dem Fahrrad um den Block fahren, zeige eher, dass jemand sich nicht richtig mit dem Leben nach der Erwerbsarbeit auseinander gesetzt habe, sagte Thiel. "Das sind im Grunde Illusionen, die den ganzen Tag auch nicht tragen." Wenn man mit Menschen über ihren Ruhestand spreche, bekomme man 20 Jahre vorher häufig zu hören, dass jemand an die Ostsee wolle, jeden Morgen spazieren gehen wolle oder eine Weltreise unternehmen. "Das sind alles keine konkreten Pläne, darauf können sie wenig aufbauen", sagte Thiel.
Die Gesellschaft setze heute so wenig auf Ruhe, sondern viel mehr auf Leistung und Umtriebigkeit. Deshalb müsse man sich schon gut überlegen, was man in einem erfüllenden Ruhestand unternehmen wolle und wie man den Tag strukturiere. "Der Tag strukturiert sich in der Regel nicht von selber."
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