Rüstungspolitik

Keine Macht den Drohnen

Moderation: Matthias Hanselmann · 10.12.2013
Manche Soldaten nennen es "Todesfernsehen", wenn sie ihre Feinde per Joystick und Drohne töten. Medea Benjamin setzt sich gegen die ferngesteuerte Tötung ein und warnt vor einem Wettrüsten der Drohnen.
Matthias Hanselmann: "Drohnenkrieg. Tod aus heiterem Himmel, Morden per Fernbedienung", so der Titel des Buches, das mein Gesprächsgast Frau Medea Benjamin aus New York geschrieben hat. Seit Langem engagiert sich Medea Benjamin in der amerikanischen Umwelt- und Friedensbewegung, zuletzt bei der Gruppe "Codepink" gegen Drohnen als Hinrichtungsmittel für Terroristen. Death TV, Todesfernsehen, nennen manche der Militärs, die die Drohnen am Joystick lenken, ihre Einsätze.
Medea Benjamin ist zurzeit in Deutschland und bei verschiedenen Veranstaltungen zum Thema zu hören. Ich habe mich vor der Sendung mit ihr unterhalten und meine erste Frage, Frau Benjamin, wie weit ist der technische Stand von Drohnen, was ist heutzutage möglich?
Medea Benjamin: Es ist eigentlich unglaublich, was die können. Also, die werden ja von einer Person in den USA aus gesteuert und der bedient die, und sie werden aber ganz weit weg eingesetzt. Und die sind eigentlich einem Videospiel nachempfunden, nachgebaut. Also, jemand, der den Knopf drückt, bewegt eine Waffe, die vielleicht 8000 Meilen weiter weg in Pakistan oder Somalia niedergeht. Und das ist wirklich eine unglaubliche Technik und das ist vor allem erst das erste Stadium. Im zweiten Stadium sind die auch in der Lage, völlig autonom zu töten, ohne dass irgendjemand sie lenkt oder steuert.
Hanselmann: Wie geht das vor sich? Also, wer gibt den Befehl, wer sagt, den und den Menschen wollen wir treffen, was sind die Gründe dafür?
Benjamin: Das ist ein Programm, das vom Weißen Haus ausgeht. Der Präsident sozusagen bespricht das, es gibt ein CIA-, ein Militärprogramm, dabei gibt es eine Tötungsliste, die jede Woche bei einem Treffen mit dem Präsidenten abgesprochen wird, den und den müssen wir töten, der soll per Drohne ermordet werden. Und es gibt auch noch ein weitreichenderes Programm, und zwar, das ist die durchgehende Genehmigung, Leute zu töten, die für verdächtige Aktivisten gehalten werden oder die verdächtige Handlungen durchführen.
Und das reicht dann schon, wenn man zum Beispiel in einem Land wie Pakistan oder Jemen männlich ist, eine Waffe trägt, einen Bart trägt, gewisse Leute trifft, die nicht für die Richtigen gehalten werden. Dann können diese Menschen nur wegen diese verdächtigen Verhaltens getötet werden. Und das ist eigentlich ziemlich erstaunlich angesichts der Tatsache, dass Amerika doch ein Rechtsstaat ist.
Hanselmann: Wie kann dabei garantiert werden, dass nicht unschuldige Menschen getroffen werden?
Benjamin: Gute Frage, das kann man natürlich nicht! Und die US-Regierung sagt der Bevölkerung immer wieder, dass nur sehr wenige Zivilisten bisher getötet worden seien, vielleicht eine Handvoll. Aber das stimmt so nicht. Ich selbst habe in Pakistan und im Jemen Familien getroffen und mit ihnen gesprochen, die Angehörige verloren haben.
Es gibt kaum frei zugängliche Zahlen darüber, aber man rechnet damit, dass Tausende Menschen getötet worden sind. Und von diesen sind ungefähr nur zwei Prozent auf der wirklich prioritären Zielrichtung gewesen von den hochrangigen Taliban oder El-Kaida-Angehörigen, die getötet wurden. Alle anderen sind niedrigrangigere Taliban oder El-Kaida-Mitglieder oder eben vollkommen unschuldige Menschen.
Die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk".
Nicht nur ethisch bedenklich die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk". © dpa / Angelika Warmuth
Hanselmann: Aus Ihren Erfahrungen heraus, Sie haben es eben gesagt, Sie waren in Pakistan, Sie waren in anderen Ländern, in denen Drohnen eingesetzt worden sind: Was macht das mit den Menschen in diesen Ländern, müssen sie in ständiger Angst leben oder wie schlagen sich diese Drohneneinsätze nieder?
Benjamin: Das ist eine kritische Dimension, die Sie da ansprechen. Es geht ja nicht nur darum, wie viele Verletzte und wie viele Tote es gibt, sondern diese Drohnen fliegen ja auch so niedrig, dass man permanent diese Geräusche hört von den überfliegenden Drohnen. Und das bringt eine ständige Angst mit sich, wer als Nächster getötet wird, wann jemand getötet wird, wo jemand getötet wird, wird man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein oder eben am falschen? Das ist eine kollektive Strafe für eine ganze Region, die terrorisiert wird durch Drohnen.
Hanselmann: Was man sich sofort fragt, auch wenn man sich mit internationalem Recht wenig auskennt, ist doch: Wie legal ist das Ganze eigentlich, kann ein amerikanischer Präsident sagen, in dem und dem und dem Land möchte ich gerne Leute töten, ohne die Regierungen zu verständigen und ohne das irgendwie legalisieren zu lassen?
Benjamin: Hier scheint es wieder so, dass Macht einfach recht hat und dass man damit durchkommt auch auf internationalem Level. Auch wenn es im internationalen Recht eine heftige Debatte darüber gibt. Die Amerikaner sagen ja immer wieder, sie befinden sich im Krieg gegen El Kaida und viele Rechtsexperten sehen, dass diese Definition sehr ausgedehnt wird. Man sollte ja eigentlich nur auf Menschen zielen dürfen, die einen angreifen.
Aber die USA gehen auch gegen Menschen vor, von denen sie glauben, dass sie vielleicht irgendwann einmal vielleicht die USA oder amerikanische Staatsbürger attackieren könnten. Und da stellt sich das Problem, dass eben nicht genügend andere Länder inklusive Deutschlands die USA versuchen, zur Verantwortung zu ziehen und vor den Vereinten Nationen gegen die USA zum Beispiel vorzugehen.
Einsatz von Drohnen verzögert Friedensfindung
Hanselmann: Können Sie befürwortende Argumente nachvollziehen im Bezug auf Drohnen, dass letztlich Drohneneinsätze weniger Risiko bedeuten, weniger Gewalt und Brutalität als zum Beispiel der Einsatz einer ganzen Kampftruppe oder der von Flugzeugen, die ihre Bomben ja viel weniger präzise abwerfen können?
Benjamin: Sicher, das ist das gängige Argument der USA. Aber die Realität sieht nun mal anders aus, denn die Drohnen arbeiten ja permanent, sie arbeiten ja nicht nur anstelle einer großen Kampftruppe oder eines Bombers, die arbeiten durchgehend seit den 9/11-Attacken, seit dem 11. September 2001, seit über zehn Jahren sind sie sozusagen permanent im Einsatz. Und wenn man sich anguckt, wie Kriege bisher geendet haben, so war das doch immer durch Verhandlungen und nicht durch fortgesetzten militärischen Einsatz.
Aber mit Drohnen verlässt man sich eben nicht auf Verhandlungen, sondern darauf, dass man immer wieder jemanden, der einem gefährlich erscheint, töten kann, diese Person tötet und die nächste. Und wenn man in Pakistan einen Taliban, den obersten Taliban tötet, dann wird eben Nummer zwei Nummer eins.
Und vielleicht ist Nummer zwei ja noch viel radikaler als Nummer eins! Und das ist für die Friedensfindung letzten Endes kontraproduktiv und es sorgt dafür, dass immer mehr Taliban rekrutiert werden, das wird zu einem Rekrutierungsinstrument für die Taliban und schürt antiamerikanische Gefühle. Und schiebt damit eben den Tag der Friedensfindung immer weiter in die Zukunft.
Hanselmann: Vor nicht allzu langer Zeit, da wurde noch Krieg Mann gegen Mann geführt, da wurden zig oder Hunderttausende Soldaten gegeneinander losgeschickt. Dann kamen Massenvernichtungswaffen wie die Atombombe und der immer größere Einsatz von Technik statt von Menschen. Jetzt also die Drohnen. Bisher sind es überwiegend die USA, die diese in großem Stil einsetzen. Was, wenn auch zunehmend andere Mächte mit Drohnen arbeiten, droht uns früher oder später sozusagen ein internationaler Drohnenkrieg?
Benjamin: Wir sind am Anfang eines Wettrüstens im Bereich der Drohnen. Es gibt zurzeit 87 Länder, die über Drohnen verfügen, die meisten von ihnen nutzen diese zur Überwachung. Aber es gibt davon zwölf Staaten, die diese bereits mit Waffen ausgestattet haben oder im Prozess sind, das zu tun. Der größte Exporteur von Drohnen ist Israel, gefolgt von den USA und von China, das ist ein Multimilliardengeschäft. Also, es sind ganz andere Dimensionen.
Und es besteht jetzt halt die Angst, dass andere Länder dem Beispiel der USA folgen werden, und ich denke, dass ein Land wie China definitiv bereits die Fähigkeiten dafür hat, Drohnen mit Waffen gegen Chinesen auch im Ausland auszurüsten.
Bisher hat man sich dagegen entschieden, zum Beispiel Chinesen in Myanmar anzugreifen. Aber das kommt definit noch auf uns zu. Und es geht ja hierbei auch nicht nur um Nationen. Iran hat zum Beispiel die Hisbollah mit Drohnen ausgestattet, also auch terroristische Organisationen oder andere Gruppierungen, die jetzt keine Nation sind, können sich diese besorgen.
Die Technik ist so einfach geworden, dass wir in Zukunft alle uns Drohnen zulegen können. Sie können sich eine im Internet kaufen, ich selbst habe eine, ich könnte die auch mit chemischen Waffen ausstatten. Also, ich denke, das ist etwas, was die USA losgetreten haben, was uns als globale Gemeinschaft noch lange verfolgen wird.
Präsident Obama reagiert gelassen auf Protest
Hanselmann: Wenn man bei Youtube die Namen Benjamin und Obama eingibt, dann stößt man auf ein Video, wo Sie als Aktivistin eine Rede von Barack Obama vehement stören, Ihre Forderungen laut rufen und Präsident Obama, aus meiner Sicht, ziemlich gelassen bleibt und verspricht, dass Stimmen wie Ihre auch wirklich gehört werden und dass man sich auch wirklich mit Ihnen auseinandersetzt. Haben Sie Vertrauen in eine solche Aussage des Präsidenten?
Benjamin: Ich glaube, die einzige Art ist, wie wir ihn dazu bringen, diesem Thema Aufmerksamkeit zu widmen, wenn wir massiv die Öffentlichkeit auf unserer Seite haben. Und das ist der Grund dafür, dass ich dieses Buch geschrieben habe, dass ich durch Hunderte von amerikanischen Städten gereist bin. Wir verändern damit auch die öffentliche Meinung. 2012 waren noch 80 Prozent der Amerikaner für den Einsatz von Drohnen, heute sind das nur noch 60 Prozent.
Und wir müssen das unter 50 Prozent kriegen, dann kann es auch eine Veränderung der Politik geben. Man muss dazu sagen, dass die US-Regierung natürlich auch sensibel reagiert auf internationalen Druck.
Also, man weiß ja von internationalen Umfragen, dass die Menschen auf der Welt gegen den Einsatz von Drohnen sind, jetzt müssen eben aber auch noch die Regierungen sprechen. Und gerade Deutschland ist dabei ein wichtiger Punkt, denn wegen der US-Basis in Rammstein ist ja bekannt, dass auch von dort aus Drohnen gesteuert werden, Ziele ausgewählt werden und das von deutschem Boden aus sozusagen dieser Drohnenkrieg mit geführt wird.
Deswegen ist es wichtig, dass besonders Deutschland wegen der Nutzung seines Bodens sich gegen diese Politik der USA wendet, auch auf dem Niveau der Vereinten Nationen. Und da braucht man eben die Opposition anderer Regierungen.
Hanselmann: Medea Benjamin, Aktivistin und Autorin des Buches "Drohnenkrieg. Tod aus heiterem Himmel". Und vielen Dank an Marai Amir für die Übersetzung! Morgen Abend wird Frau Benjamin in Hamburg an einer Podiumsdiskussion teilnehmen, die Uli Cremer von der Grünen Friedensinitiative moderieren wird, unter anderem mit auf dem Podium dann Professor Peter-Alexis Albrecht, Strafrechtler von der Goethe-Universität Frankfurt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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