Rüstungsexporte

Gabriels "starkes Signal"

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel
Lob für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel © Foto: Hannibal/dpa
Michael Brzoska im Gespräch mit Nana Brink · 05.08.2014
In dem verhinderten Verkauf eines Gefechtsübungszentrums nach Russland sieht Friedensforscher Michael Brzoska Anzeichen für eine Rückkehr zu einer strengeren Rüstungsexport-Politik. Gabriel wolle zeigen, "dass er es ernst meint". Allerdings werde der SPD-Politiker Waffenlieferungen an Länder wie Saudi-Arabien und Katar nicht verbieten.
Nana Brink: "Das kann ich nicht verantworten – es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben." Mit diesen Worten hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gestern ein Rüstungsgeschäft mit Russland gestoppt, dass bereits in Sack und Tüten war. Rheinmetall wollte für mehr als 100 Millionen Euro Teile eines Gefechtsübungszentrums an die russische Armee liefern. Das hat das Bundeswirtschaftsministerium nun untersagt, und natürlich geht es auch um Geld. Denn natürlich kann Rheinmetall auf Schadensersatz klagen. Ärger also ist programmiert. Professor Michael Brzoska ist Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Herr Brzoska, guten Morgen!
Michael Brzoska: Guten Morgen, Frau Brink!
Deutschland nimmt Nachteile in Kauf
Brink: Nun geht dieses Verbot des Rüstungsdeal weit über die EU-Sanktionen hinaus, die ja bestehende Verträge nicht antasten. Was bringt es Deutschland, das zu tun?
Brzoska: Es macht deutlich, dass für Deutschland dieses Rüstungsembargo gegenüber Russland nicht abhängig davon ist, ob oder ob nicht Deutschland davon eigene wirtschaftliche Nachteile hat. Das ist ja das, was im Grunde genommen die EU-Sanktionen gegenüber Russland zeigen sollen. Man ist, wenn Russland seine Haltung nicht ändert, auch bereit, eigene wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Bisher waren die Sanktionen ja weitgehend symbolisch, aber man droht ja auch mit weitergehenden Sanktionen. Und wenn man schon in diesem Bereich Waffenexporte, der ja nun eigentlich ziemlich offensichtlich ein Bereich ist, den man einschränken muss, wenn man Russland die Rote Karte zeigen will, wenn man da schon zurückweicht, wenn es eigene Nachteile hat, dann schadet das natürlich der Glaubwürdigkeit. Also Deutschland hat, glaube ich, mit dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass man die Sanktionen wirklich in einer Weise durchführen will, dass sie wirkungsvoll sind, auch wenn man selber Nachteile dadurch hat.
Brink: Aber es ist ja nicht so ein richtiger europäischer Zusammengang, denn England und Frankreich halten ja an ihren geschlossenen Verträgen fest, siehe Frankreich, die wollen ihre Hubschrauberträger weiterhin liefern. Warum also dann dieser doch so weitgehende Schritt?
Brzoska: Es war natürlich schon in der Europäischen Union eine sehr heftige Diskussion darüber, ob oder ob nicht die Waffenexporte sofort gestoppt werden sollten, und Frankreich war halt nicht bereit, auf die ja doch erheblichen Einnahmen, die man durch diesen Export der Hubschrauberträger ...
Für Franzosen steht mehr auf dem Spiel
Brink: Na, die Briten auch nicht!
Brzoska: Ja, die Briten haben sich etwas zurückgehalten. Bei den Briten würde ich mal davon ausgehen, dass im Moment intern sehr intensiv darüber diskutiert wird, ob man jetzt der deutschen oder der französischen Haltung folgt. Für die Briten waren die Waffenexporte eigentlich kein so ein großes Thema. Da geht es eher um diese Finanzsanktionen. Die haben einfach eher mit den Franzosen hier taktisch ein Geschäft geschlossen, um eben zu erreichen, dass bei den Finanzsanktionen wiederum man den Standort London nicht so schädigt. Also insofern, das britische Verhalten, denke ich mal, wird sich jetzt noch mal – ist jetzt auch noch mal in der Diskussion in London, möglicherweise schließen sich die Briten an. Bei denen geht es um zweistellige Millionenbeträge, also jetzt auch nicht so hohe Beträge wie bei den Franzosen. Es ist eben ein riesiger Unterschied zwischen den 1,5, manche sagen auch 1,8 Milliarden Euro, die in Frankreich auf dem Spiel stehen, und den 100 Millionen, vielleicht 80 Millionen, die in Deutschland oder in England auf dem Spiel stehen.
Ein aus Pappe gebastelter Panzer steht am 26.10.2012 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) vor der Rheinmetall-Zentrale.
Rheinmetall wollte in Russland ein Gefechtsübungszentrum bauen. © dpa / Daniel Naupold
Kostenerstattung für Rheinmetall
Brink: Ja, unterm Tisch ist es ja, unterm Strich ist es ja dann doch wichtiger, dass man seine Verträge erfüllt und dass man seinen Profit macht, siehe Frankreich. Wie trifft denn diese Entscheidung die deutsche Rüstungsindustrie?
Brzoska: Es geht ja, wie gesagt, bei uns um erst mal dieses Geschäft mit Rheinmetall in einer Größenordnung insgesamt von 100 Millionen, wobei ja die Informationen im Moment, jedenfalls aus meiner Sicht, etwas unklar sind, was da schon bezahlt worden ist, was schon geliefert worden ist, was noch offen ist, und inwieweit die russische Seite schon finanzielle Vorleistungen gegeben hat. Das wird sicherlich zu einer juristischen Auseinandersetzung führen. Ich denke, am Ende wird es nicht um 100 Millionen gehen, sondern um einen kleineren Betrag, weil eben einiges schon geliefert worden ist, auch weil Rheinmetall ja nachweisen muss, dass sie bestimmte Dinge einfach nicht mehr los werden. Dazu müssen sie sie aber auch erst mal hergestellt haben. Also insofern, es wird eine Kostenerstattung wahrscheinlich geben an Rheinmetall, aber sie wird jetzt nicht in einer riesigen Größenordnung sein. Man muss das ja auch im Gleichgewicht halten mit anderen Überlegungen, mit anderen Kosten. Etwa, wenn wir sehen, wie schon die Handelsbeziehungen zu Russland insgesamt gelitten haben, was da schon an Stornierungen passiert ist, was insgesamt schon im Handel mit Russland passiert ist, dann sind, glaube ich, diese vielleicht 100 Millionen maximal keine so besonders beeindruckende Größenordnung.
Brink: Sehen wir jetzt einen Wechsel oder einen anderen Umgang mit Rüstungsexporten? Gabriel hat das ja schon angekündigt, der hat gesagt, er will Kleinwaffen und Panzer in Länder außerhalb der NATO und EU beschränken. Das ist ja eigentlich auch seit 2000 schon so der Fall. Ist das jetzt noch mal ein Schritt weiter?
Gabriel will zeigen, dass er es ernst meint
Brzoska: Ja, die Ankündigung, die insbesondere die SPD im letzten Sommer im Rahmen des Wahlkampfes gemacht hat, dass sie die Rüstungsexporte restriktiver machen will, diese Ankündigungen zeigen jetzt langsam auch Wirkung. Herr Gabriel ist ja sehr dafür kritisiert worden, dass er im Frühjahr gesagt hat, er kann laufende Geschäfte nicht stoppen, weil eben Verträge zu erfüllen sind, aber er will neue Verträge sehr viel kritischer betrachten. Da fehlen ihm bisher so die Argumente, denn es ist jetzt nicht wirklich bekannt geworden, wo Ablehnungen da waren, aber dieses Russlandgeschäft ist jetzt eine günstige Gelegenheit für ihn natürlich, um zu zeigen, dass er es ernst meint und da auch bereit ist, wenn es im Extremfall, eben wie in Russland jetzt darum geht, auch unmittelbar deutsche Interessen gegenüber in diesem Fall Russland zu fördern, dass er auch im Extremfall bereit ist, laufende Geschäfte zu stoppen. Also das ist schon ein starkes Signal. Es ist aber auch natürlich eine günstige Gelegenheit, denn andere Geschäfte, die man auch stoppen könnte, wenn man wollte, die wird Herr Gabriel nicht stoppen.
Brink: Welche denn zum Beispiel?
Brzoska: Es geht da jetzt vor allen Dingen um Lieferungen an Saudi-Arabien. Ist ja auch früher diskutiert worden.
Brink: Oder an Katar zum Beispiel.
Brzoska: An Katar, Staaten in dieser Region. Da ist es eben schwieriger zu argumentieren, dass sich jetzt die politische Lage drastisch geändert hat, und insofern ist es politisch natürlich auch schwieriger durchzusetzen gegenüber dem Koalitionspartner, der ja weiterhin darauf besteht, die Rüstungsexportpolitik, die er betrieben hat in den letzten Jahren, seit die CDU mit an der Regierung ist, nun wieder zu ändern. Und wir sehen, die Rüstungsexportpolitik hat zwar viele Kontinuitäten, aber es war schon so, dass insbesondere unter Schwarz-Gelb zwischen 2009 und 2013 doch mehr genehmigt worden ist als etwa in den frühen 2000er-Jahren.
Brink: Aber die beiden Koalitionäre waren sich auch immer einig. Wir denken an den Deal von 2008, ich spreche da von Waffen von Heckler & Koch nach Saudi-Arabien. Das haben ja immerhin auch beide beschlossen, zusammen.
Brzoska: Also es ist richtig, dass – wir hatten unter Rot-Grün einen Rückgang der Rüstungsexporte. Die Richtlinien, die von 2000 sind, also aus der Anfangsphase von Rot-Grün, die waren deutlich restriktiver als das, was vorher da war. Und wir haben seitdem einen schleichenden Prozess der Erweiterung der Genehmigungen gehabt. Schon unter Rot-Grün, dann unter der großen Koalition, noch mal wieder unter Schwarz-Gelb. Das waren jetzt keine drastischen Veränderungen, aber es wurde immer mehr genehmigt. Und was Herr Gabriel jetzt jedenfalls angekündigt hat, ist eben, diesen Trend zu stoppen und wieder zurückzukehren zumindest zu der Politik, die in der großen Koalition gefahren worden ist, vielleicht sogar etwas restriktiver. Aber das muss man sehen, natürlich, das ist auch eine Auseinandersetzung, die in der Koalition noch nicht wirklich geführt worden ist.
Brink: Professor Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Schönen Dank für Ihre Einschätzungen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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