Rücktritt von Bahnchef Grube

Ein Halt auf freier Strecke zur Unzeit

Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, steht am 14.09.2016 bei der feierlichen Präsentation des neuen Zuges ICE 4 im Hauptbahnhof in Berlin am Triebkopf des Zuges.
Rüdiger Grube bei der Vorstellung des neuen ICE 4. Die Bahn fährt jetzt ohne ihn weiter. © dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Klemens Kindermann  · 30.01.2017
Er hat es geschafft, den Konzern wieder flott zu machen: Der Rücktritt von Rüdiger Grube komme für das Unternehmen Deutsche Bahn äußerst ungelegen, kommentiert Klemens Kindermann. Politische Streitereien um den Chefposten könne die Bahn jetzt nicht gebrauchen.
Reservierung gelöscht, Betriebsablauf gestört, Klimaanlage ausgefallen – kluge Bahnkunden nehmen die kleinen Reiseleiden auf der Schiene mit Humor. Was sie bisher nicht wussten: Auch an der Spitze des Unternehmens Deutsche Bahn gibt es keine reservierten Vertragsverlängerungen und keine ungestörten Betriebsabläufe beim Übergang von einem Chef zum anderen.

Frostiges Klima im Bahn-Tower

Und das Klima im Bahn-Tower liegt deutlich unter Null. Nur so ist zu erklären, dass Bahnchef Rüdiger Grube dem Aufsichtsrat seinen Spitzenjob regelrecht hingeschmissen hat. Dass es bei seiner Vertragsverlängerung mit dem Gehalt nicht ganz gestimmt haben soll, dürfte Grube als kleinlich empfunden haben. Aber nicht als entscheidend. Dass er allerdings statt der offenbar vereinbarten drei Jahre nur zwei Jahre hätte weitermachen sollen, das muss Grube als Kränkung empfunden haben. Hatte er den Bahn-Konzern nach der Ära Hartmut Mehdorn doch wieder auf die Spur gesetzt, hatte sich um das "Brot-und-Butter-Geschäft" des Personenverkehrs gekümmert. Die beiden großen Baustellen, die chronische Unterfinanzierung des Konzerns und der schwächelnde Güterverkehr, blieben zwar. Zuletzt aber gab es Fortschritte beim Ergebnis und bei der Pünktlichkeit der Züge. Zu Recht erwartete Grube, dass er noch einige der Früchte seines Umsteuerns hätte ernten können. Beim Projekt "Zukunft Bahn" übernahm er selbst die Führungsrolle und damit die Verantwortung für die Weichenstellungen der Zukunft. Beim Thema Digitalisierung ist die Bahn noch lange nicht so weit, wie es sich für einen Mobilitätsdienstleister gehört.

Pofalla zwischen den Wahlkampf-Fronten

Für das Unternehmen Bahn kommt dieser völlig überraschende Halt auf freier Strecke daher zur Unzeit. Der Mann, der eigentlich neuer Bahn-Chef werden sollte, der frühere Kanzleramtschef und Angela-Merkel-Vertraute Ronald Pofalla, gerät nun in die Fronten des Wahlkampfs. Er war gerade erst zum Jahreswechsel mit dem Schlüsselressort Infrastruktur als Kronprinz Grubes installiert worden. Nun aber wird die Politik sich der Neubesetzung des Chefpostens annehmen. Angesichts von 5,5 Millionen Bahnpassagieren täglich und knapp 200.000 Beschäftigten in Deutschland gibt es kein politischeres Unternehmen als die bundeseigene Deutsche Bahn. Schon kündigt der designierte SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz an, mitmischen zu wollen. Streiterei um die Konzernführung braucht die Bahn aber nicht, sondern einen entschlossenen Lokführer an der Spitze. Für die Kunden heißt das: Die Reiseleiden auf der Schiene – sie werden erst einmal nicht kleiner.

Klemens Kindermann ist seit 2009 Abteilungsleiter Wirtschaft und Gesellschaft beim Deutschlandfunk. Von 1991 bis 1997 war er Redakteur und Korrespondent der Deutsche Presse-Agentur (dpa). Danach wechselte er 1997 zur Wirtschafts- und Finanzzeitung "Handelsblatt", wo er als Fachredakteur, Desk-Chef im neu geschaffenen Newsroom und ab 2004 als stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft & Politik tätig war.

Klemens Kindermann
© Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré
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