Rücktritt nicht ausgeschlossen

Von Annette Riedel · 10.07.2013
Dem luxemburgischen Regierungschef und ehemaliger Euro-Gruppen-Chef, Jean-Claude Juncker, wird vorgeworfen, er sei seiner Verantwortung für den Geheimdienst seines Landes nicht nachgekommen. Nicht ausgeschlossen ist, dass er sein Amt nach 18 Jahren aufgeben wird.
Für einen umfangreichen Bericht hat ein Untersuchungsausschuss des luxemburgischen Parlaments so einiges zusammengetragen über die Aktivitäten des Geheimdienstes.

Fest steht, dass der SREL, der Geheimdienst des 500.000-Einwohner-Landes seine Bürger bis mindestens weit in die 90er-Jahre ausspioniert hat. Der damalige Chef des SREL, Marco Mille, soll vor fünf Jahren gegenüber dem obersten Dienstherr der Geheimdienstes, dem luxemburgischen Ministerpräsidenten, Jean-Claude Juncker gesagt haben, dass alles überwacht wurde, was nicht stramm konservativ gewesen sei. Diese Aktionen seien aber alles andere als mit ihm abgesprochen gewesen, sagte Juncker im Dezember bei einer Pressekonferenz in Luxemburg.

"Ich habe immer deutlich gemacht, dass ich auf keinen Fall innenpolitische Spionage will. Weder politische Parteien, noch Studentenbewegungen, noch Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen sollten vom Geheimdienst überwacht werden."

Auch er selbst, Juncker, wurde 2007 vom Geheimdienstchef, jenem Marco Mille persönlich, abgehört - ganz filmreif, Mittels Mikro in der Armbanduhr.

"Ich könnte mich auch als Opfer einer Abhöraktion hinstellen, die ich als absoluten Vertrauensbruch betrachte."

Warum der Geheimdienst-Chef nach diesem Vertrauensbruch nicht umgehend gefeuert wurde, sondern in aller Ruhe seinen Wechsel in die Privatwirtschaft vorbereiten konnte, gehört zu den vielen Ungereimtheiten der ganzen Geschichte.

Selbst wenn die Abhöraktionen nicht mit ihm abgesprochen oder mit seinem stillschweigenden Einverständnis geschehen sein sollten, bleibt die entscheidende Frage, was wusste Christdemokrat Juncker? Oder: Was hätte er wissen müssen? Hat er seine Pflichten als oberster Aufseher des Geheimdienstes vernachlässigt?

"Ich kann ja schlecht alle 300.000 Seiten geheimer Akten im Archiv lesen. Ich habe auch keine Zeit für Voyeurismus oder mich damit auseinander zu setzen, was die Geheimdienste seit 1960 gemacht haben. Ich ging davon aus, dass es keine innenpolitische Spionage gab."

Neben dem mangelnden Interesse, das ihm von einigen unterstellt wird, steht auch der Vorwurf im Raum, bzw. in den Akten des Untersuchungsausschusses, dass Juncker nicht oder zu zögernd den Geheimdienstkontrolleuren im Parlament Akten zur Verfügung gestellt hat. Auch das hat Juncker zurückgewiesen.

"Alle Akten waren für das Parlament zugänglich."

Dubios bleibt bei alledem die mögliche Verwicklung des Geheimdienstes und/oder ausländischer Geheimdienste in eine Serie von Bombenanschlägen auf öffentliche Einrichtungen in Luxemburg in den 80er-Jahren.

Für alles jedenfalls, was seit Beginn seiner Amtszeit 1995 geschah, trägt Juncker die politische Verantwortung. Die Wahrscheinlichkeit, dass der luxemburgische Ministerpräsident heute Abend, nach 18 Jahren entweder sein Amt aufgibt oder zum Aufgeben genötigt wird, ist nicht gering. Ein Misstrauensvotum im Juni überstand er, weil der sozialdemokratische Koalitionspartner ihn stütze. Darauf kann Juncker heute nicht mehr sicher setzen.