Rossini-Festival in Pesaro

Mehr als nur der Barbier

Alberto Zedda, Künstlerischer Leiter des Rossini-Opern-Festivals
Alberto Zedda, Künstlerischer Leiter des Rossini-Opern-Festivals © dpa picture alliance / Leonardo Wen
Von Bernd Doppler · 12.08.2014
Im italienischen Pesaro ist Rossini-Zeit: In der Geburtsstadt des Komponisten läuft in diesen Tagen das Rossini-Festival mit Neuem, ganz Altem, Überraschendem und auch einigem wenig Überzeugenden.
All die Jahre hat das Rossini-Festival in Rossinis Geburtsstadt Pesaro zeigen können, dass Rossini nicht nur der Komponist des viel gespielten "Il barbiere di Siviglia" ist, sondern hat an vielen lange vergessenen Rossini-Opern die verschütteten Tradition der italienischen Oper des frühen 19.Jahrhunderts ausgegraben. Und das Festival hat geholfen, Rossini neu zu entdecken.
Doch paradoxerweise war nun im 35. Jahr seines Bestehens ausgerechnet der Barbier von Sevilla der Höhepunkt des Festivals. Und noch dazu wurde dieser in der halbszenischen Produktion präsentiert. Das lag nicht an dem neuerlichen Fund einer Barbier-Partitur - sie zeigt nur marginale Änderungen gegenüber der gewohnten Fassung -, sondern an der musikalischen Interpretation durch das Orchester des teatro comunale di Bologna unter Giacomo Sagripanti. Und es lag vor allem an den Sängerdarstellern, die vorführen konnten, wie die Dramatik der Auseinandersetzungen und die Ambivalenz der Gefühle vor allem durch die Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme erzeugt werden.
"'Rossini singen' heißt: 'Beim Denken zusehen, und zeigen, wie Stimmungen und Gefühle sich dabei entwickeln'". Diese Maxime des künstlerischen Leiters des Festivals Alberto Zedda schienen die Sänger eindringlich zu verdeutlichen: ein vorzüglicher sehr junger Figaro, Florian Sempey - eine Entdeckung - mühelos auch in der enorm schwierigen Arie vor dem Finale Juan Francisco Catell, aber auch Alex Exposito als Bartolo und Chiara Amarù als Rosina.
Wenig überzeugend: "Aureliano in Palmira"
Gegen diesen Barbier fiel die Ausgrabung "Aureliano in Palmira" ab. Diese Oper hat interessanterweise die gleiche Ouvertüre und noch zwei andere Nummern wie der Barbier. Doch Eigenzitate - man könnte sie Selbstplagiate nennen - waren zu Rossinis Zeit ja üblich. Verblüffenderweise geht es durchaus auf, dieselbe Musik für eine "commedia" und eine ernste Oper wie "Aureliano" zu verwenden. Dieselbe Musik, die die komischen Trubulenzen des "Barbiere" einleitet, kann man auch als heroisch-weihevolle, mit schwermütiger Sehnsucht durchsetzte, dann wieder militärisch galoppierende Ouvertüre dirigieren.
"Aureliano in Palmira" spielt am Euphrat im 2. Jahrhundert nach Christus; Kaiser Marc Aurel versucht, Aufstände an den Grenzen des römischen Reiches einzudämmen und verwickelt sich dabei in eine Liebesgeschichte mit Königin Zenobia. Bis auf Michael Spyres als Kaiser konnten die Sängerinnen Jessica Pratt und Lena Belkina (Zenobia und Arasace) jedoch nicht mitreißen und auch das Orchestera Sinfonica G. Rossini unter Will Crutchfield fiel doch deutlich gegenüber dem Orchester aus Bologna am Vortag ab.
Vor allem bekam die Inszenierung von Mario Martone das zugegeben schwierige Stück, das zwischen Kriegshandlungen, ländlichem Rückzug am idyllischen Euphrat und Liebesgeschichten hin und her springt, nur unbeholfen in den Griff. Neben konventionellen Figuren wie aus einem Krippenspiel und echten Ziegen stellt er abstrakte Flächen mit transparenten Tüchern, sowie Klavier und Bassgeige auf der Bühne als Zeichen des Rückzugs ins Private.
Sehr wenig überzeugend auch die Eröffnungspremiere
In der großen neuen Adriatic Arena hatte zuvor die Eröffnungspremiere stattgefunden: "Armida", Rossinis Version von der Zauberin Armida, die den Kreuzfahrer Rinaldo bedrängt. Luca Ronconi hatte die Oper bereits vor 16 Jahren in Pesaro inszeniert, aber vollkommen anders: als Oper über eine Stummfilm-Femme fatale der 20er Jahre. In den Bühnenbildern von Margherita Palli und den Kostümen von Giovanna Buzzi als surreales Märchen und Marionettentheater überzeugte es nun wenig: sehr statisch mit wenig Intensität.
Hatte 1998 Rene Flemming als Armida ein glanzvolles Debut, so enttäuschte 2014 Carmen Romeu - oft unsicher - in der Titelrolle. So blieb es eher ein - bei Rossini ja üblicher - Wettstreit unterschiedlicher Tenöre als Kreuzritter, wobei Dmitry Korchaks sanfter Gernando noch mehr als Antonio Siragusas Rinaldo und Randall Bills Goffredo gefiel. Vor allem aber konnte das Bologna-Orchester unter Carlo Rizzi die Rafinesse und Eigenarten von Rossinis romantischer "Reformoper" durchaus deutlich machen.
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