Rosenmüller: "Man kennt immer nur Mozart!"

Marcus H. Rosenmüller im Gespräch mit Susanne Führer · 22.12.2011
Der Schikaneder, die Hauptfigur in seinem neuen Film "Sommer der Gaukler", sei schon ein Vorbild für ihn, sagt Marcus H. Rosenmüller. Er wolle unterhalten, sodass die Zuschauer sich nach dem Kinobesuch ein bisschen besser fühlen als vorher.
Susanne Führer: Bernd Sobolla über den Film "Sommer der Gaukler" von Marcus H. Rosenmüller, und er ist jetzt bei uns im Studio. Grüß Gott, Herr Rosenmüller!

Marcus H. Rosenmüller: Ich grüße Sie recht herzlich!

Führer: Ja, Bernd Sobolla hat es gesagt, eine Burleske, eine Posse, eine Farce, man könnte wahrscheinlich auch sagen, eine Riesengaudi. Also ich nehme mal an, dass der Bayer das so sagen würde, zumindest für die Zuschauer wirkt es so wie eine Riesengaudi.

Rosenmüller: Ein Spektakel!

Führer: War es auch beim Dreh eine Gaudi? Hat es Spaß gemacht?

Rosenmüller: Ja, es hat Spaß gemacht, es hat unheimlich Spaß gemacht, auch weil wir eben so in die Vollen gegangen sind, weil wir ausprobiert haben, weil der Funke von Schikaneder auf uns übergesprungen ist, dieses Lustvolle, und man so eintauchen konnte in diese Zeit. Und wir hatten ein so grandioses Szenenbild, so tolle Motive, wir hatten so einen tollen Maskenbildner, der auch beim "Parfüm" und "Die Fälscher" und beim "Pianisten" zuständig war, und wir hatten so ein tolles Kostümbild, und das hat den Schauspielern schon so ein bisschen Flügel verliehen. Und die haben dann so lustvoll gespielt.

Führer: Na ja, die Hauptrolle, also den Schikaneder, spielt ja Max von Thun, und bei dem hat man wirklich den Eindruck, der suhlt sich so richtig vor Wonne in der Rolle.

Rosenmüller: Ja, genau, so war es. Und das war so ansteckend, und das ganze Team hatte dann so Lust, eigentlich so ansteckende Freude am Leben und am Drehen.

Führer: In dem Film sagt der Schikaneder - also ich übersetze jetzt mal ins Hochdeutsche -, er sagt: Dem Publikum sind doch die Moden und die Stile, was gerade so angesagt ist in der Kunst, egal. Das will sich amüsieren. Ich versuche es mal auf Bayrisch: Das Publikum will a Gaudi und a Fez. Haben wir es da mit einem frühen Seelenverwandten des Künstlers Marcus H. Rosenmüller zu tun?

Rosenmüller: Zumindest mit einem Vorbild. Also dass ich unterhalten möchte, dass ich nach dem Kinobesuch mich ein bisschen besser fühlen will, das ist schon was, was ich dem Zuschauer gerne mitgebe. Ich habe viele Vorbilder, aber für diesen Film war es tatsächlich der Schikaneder. Man kann es sogar nachlesen in der Biografie, wie der es getrieben hat, was der auf die Bühne gebracht hat, wie produktiv und kreativ er war. Und ja, man kennt immer nur Mozart, aber wer war das Genie hinter Mozart? Und das war Emanuel Schikaneder. Der war unglaublich berühmt zu seiner Zeit, hat viel angestellt und ist verrissen worden von der Kritik, dass es schön war.

Führer: Genau. Und da leidet er ja doch auch so ein bisschen drunter, dass die Kritik ihm immer so mangelnden Tiefgang vorwirft. Ist Ihnen das auch schon mal passiert mit Ihren Filmen, Herr Rosenmüller?

Rosenmüller: Das ist auch mir schon mal passiert, und ja, das ist so ein bisserl schade manchmal, weil wir natürlich wissen, wir haben an der Oberfläche eine unterhaltende Geschichte, aber sie würde mir nie Spaß machen, wenn ich darunter nicht einen Kern hätte, eine Aussage, die meines Erachtens philosophisch hochwertig ist.

Führer: Sie haben gerade das Genie Mozart erwähnt. Also der ist ja doch wichtig, weil der nämlich den Schikaneder sozusagen entdeckt, und dadurch, dass er ihm erlaubt, das Libretto für die "Zauberflöte" zu schreiben, ihn auch wirklich berühmt macht.

Rosenmüller: Ja, nahezu. Heutzutage ist das Libretto das, was übriggeblieben ist vom Schikaneder, oder so ein paar Volkslieder: "Die Tiroler sind lustig, die Tiroler sind froh ... ", das kennt man vielleicht noch - also zumindest bei uns im Süden -, aber zu seiner Zeit war er schon vorher berühmt. Er war ein Theatermacher, er war eine bekannte Persönlichkeit, das kam nicht erst mit Mozart.

Führer: Wenn wir noch mal bei der Kritik und ein bisschen der Verwandtschaft bleiben: Auf dem Filmplakat - ist ja so herrlich selbstironisch - steht da der Spruch: "Das ist höchstens was fürs Publikum", Zitat, in Klammern "Ein Kritiker", und daneben steht aber die Kritik "Grandios!" (mit Ausrufungszeichen), das sagt aber nur die Schwiegermutter vom Kameramann.

Rosenmüller: Ja, man sieht schon, wir hatten einfach Lust, und die Ironie, die auch im Film steckt und einfach endlich mal wieder ... Irgendwie war diese Schere weg plötzlich, und wir wollten einfach machen, was uns Spaß macht. Und man hat es schon ein bisserl satt eben mit den Kritikern, weil überhaupt kein Schwung drin ist, also oftmals der Schwung fehlt in Deutschland, finde ich. Meines Erachtens sind so viele tolle Filme unterwegs, und man muss immer so - ach, schafft der es jetzt, oder irgendwie so ... Deswegen gefiel mir diese Aussage so gut: "Das ist höchstens was fürs Publikum". Und der Film ist natürlich sehr fürs Publikum gemacht.

Führer: Das ist ja sozusagen Ihr zweiter Kostümfilm, wenn man so will. Vorher lief "Sommer in Orange", da mussten die Schauspieler nur mal kurz in dieser orangen Klamotten der Sannyasins, also dieser Bhagwan-Jünger, springen - und der Film spielt so vor circa 30 Jahren, jetzt war der Sprung ja viel weiter zurück, gut 200 Jahre.

Rosenmüller: Es ist tatsächlich der größte Sprung, und es ist - man sieht es dem Film an, dass er auch das offen zeigt, diese Kostümierung. Wir haben eben schon die Wurzeln ganz klar gesagt, wir wollen diese Zeit erzählen, und haben halt dann subtile Brüche gemacht, sage ich mal. Also ich wollte, dass die Theatergruppe auch wie Rockstars rumzieht - also ich hätte wahrscheinlich wieder übertrieben und hätte sie in was Modernes reingesteckt, und die haben aber in den alten Klamotten dann so ein paar Änderungen vorgenommen, dass irgendwie der Rockstar rüberkommt, aber es auch klar als historisches Gewand gesehen wird.

Führer: Was hat Sie denn an diesem Drehbuch eigentlich gereizt? Also wir haben jetzt gesprochen, den Schikaneder finden Sie toll, ist hauptsächlich ...

Rosenmüller: Tatsächlich, genau. Es gab zwei große Punkte: Der Charakter vom Schikaneder als einen Protagonisten, der so wie früher Danny Kaye durch den Film marschiert, und das andere war dieser Kern der Geschichte, das Leben als Theaterspiel zu nehmen und aber das Theaterspiel so wichtig zu nehmen, dass es den Tod bedeuten kann. Und dann plötzlich wieder ist mir auch bewusst geworden, wie oft laufe ich eigentlich durchs Leben und bin durch mich selbst oder vielleicht durch außen - Gesellschaft, Religion - eigentlich ein Theaterspieler?

Wie oft spiele ich Rolle, und wann gibt es eigentlich die Momente, in denen ich ehrlich und wo ich der Wahrheit näherkomme und wo ich merke halt, ich will den Weg jetzt gar nicht gehen, wo ich zumindest der Akteur bin? Und wie oft ist es aber auch wichtig zu wissen, dass es ein Spiel ist oder dass man eine Rolle spielt, und wie oft kann man sich da retten? Und das war eigentlich der Kern, der philosophische Ansatz von dem Film.

Führer: Der Regisseur Marcus H. Rosenmüller ist zu Gast im Deutschlandradio Kultur. Herr Rosenmüller, der Film davor, "Sommer in Orange", hat ein bisschen im Grunde genommen eine ähnliche Geschichte. Da gibt es auch so eine Gruppe von - tja, wie soll man mal sagen? - Filous, also die Anhänger Bhagwans, die Sannyasins, und die brechen da in so ein festgefügtes bayrisches Dorf ein und bringen alles durcheinander. Jetzt im "Sommer der Gaukler" ist es tatsächlich eine Gruppe eben von Gauklern, von Schauspielern, und die kommen auch in so ein Dorf und bringen da auch alles durcheinander und stellen alles auf den Kopf, hab ich gesagt. Mögen Sie vielleicht so diese Unruhe, so diesen Umsturz?

Rosenmüller: So habe ich es gar nicht gesehen, die Parallelen bisher, weil bei mir ist das Grundthema ein ganz anderes gewesen, ja? Aber den Umsturz mag ich natürlich, das ist so eine Problematik und das Aufbegehren, dass man sich mal wieder rührt, dass man mal wieder sagt: Hey, was wollen wir eigentlich und wo soll es hingehen? Und das ist immer was Tolles. In dem Dorf, die wehren sich gegen die Obrigkeit, und das ist das Vorrevolutionäre, 1780, kurz vor der französischen Revolution. Das ist das erste Mal, dass das Volk überhaupt in ein Theaterstück reinkommt. Das ist das erste Mal, dass hier das Volk zur Kunst dazukommt. Und das ist dann schon interessant, wenn du zum ersten Mal mit so was konfrontiert wirst, wie dich das noch berühren kann.

Führer: Warum spielen Ihre Filme eigentlich immer in Bayern? Ich meine, wie wäre es denn mal mit Hamburg oder der Nordsee? Also so ein norddütsches Dorf, das gibt doch auch was her.

Rosenmüller: Absolut. Ich würde mich auch freuen, wenn ich da mal Angebote bekommen würde. Ich bin selber ein ganz langsamer Schreiber, bin angewiesen auf gute Drehbücher, und so ist es, dass bisher die Drehbücher, die mir Spaß gemacht haben, viel mit meiner Heimat zu tun hatten. Das ist also nicht festgemeißelt, dass ich immer in Bayern drehe, bisher waren es die Geschichten, die mir gefallen haben. Also wenn hier ein guter, toller Drehbuchautor zuhört, der eine tolle Geschichte in Hamburg oder Berlin hat oder noch nördlicher, also ich bin bereit!

Führer: Also norddeutsche Drehbuchschreiber, dann mal ran?

Rosenmüller: Genau.

Führer: ... an den Rosenmüller.

Rosenmüller: Genau. Gerne in der Richtung wie dieser Käutner oder so eine Poesie vom Ringelnatz, die könnte doch hier zu finden sein.

Führer: Das sagt der Regisseur Marcus H. Rosenmüller. Heute kommt ein Film "Sommer der Gaukler" in die Kinos.

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