"Rosenkavalier" an der Frankfurter Oper

Zelebrieren eines Totentanzes

Frankfurter Oper
Hat eine faszinierende Inszenierung im Programm: Die Frankfurter Oper © dpa / picture alliance / Daniel Reinhardt
Von Dieter David Scholz · 24.05.2015
Claus Guth inszeniert den "Rosenkavalier" als makaberes Spiel der Entgrenzung: Er siedelt das Stück in einem Sanatorium an, hier tanzen Todkranke neben schon Gestorbenen. Eine faszinierende Inszenierung, konsequent in Konzeption und Durchführung. Einzig musikalisch gibt es einen Wermutstropfen.
Im "Rosenkavalier" geht es um Vergänglichkeit, Unwiederbringlichkeit und das Verrinnen von Zeit. Themen, mit denen sich der Regisseur Claus Guth schon mehrfach befasst hat. Auch in seiner jüngsten Inszenierung an der Oper Frankfurt zeigt er eine besondere Affinität zu diesen Themen, aber er setzt einen anderen Akzent. Es geht ihm weniger um Zeit und Vergänglichkeit, als um Leben und Tod, um das Aufeinanderprallen von jüngeren und älteren Generationen. Und deshalb macht er aus der "Wiener Farce" der Marschalin eine schwarze Komödie mit Todesfolge. Er lässt einen Totentanz zelebrieren.
Tänze, Walzer natürlich, durchziehen wie ein Leitmotiv seine stark ritualhafte Inszenierung. Es tanzen Hauspersonal, Kellner, aber auch Greise eines Sanatoriums, in dem er das Stück ansiedelt, alte Menschen, die beim Tanzen sterben. Überhaupt tritt der Tod in Gestalt von Todkranken oder tatsächlich Gestorbenen immer wieder ins Bild. Dieser "Rosenkavalier" ist ein makaberes Spiel der Entgrenzung, stark choreographisch durchstrukturiert in den Bewegungsabläufen, die immer wieder auch mit Ironie und Konvention spielen. Die Inszenierung gewährt einen ganz gewohnten Blick auf das Stück und sie ist sehr faszinierend, weil konsequent in Konzeption wie Durchführung.
Das Bühnenbild ist spektakulär
Die Oper spielt eigentlich im Wien Maria Theresias. Claus Guth verlegt sie allerdings ins Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Christian Schmidt hat eine Mischung aus dem legendären Wiener Kaffeehaus Sperl und einem Phantasie-Sanatorium bzw. Grand Hotel auf die Bühne gestellt. Es sind, wenn man so will, drei Stockwerke: Sanatoriumssaal, Grandhotelfoyer und Leichenkeller. In ihm spielt der dritte Akt. Die Schauplätze sind verbunden durch einen Lift, in dem am Ende Sophie und Oktavian nach oben fahren, während die Marschallin unten stirbt. Verbunden wird diese ungewöhnliche Bühnenverortung aber auch durch einen immer neue Ansichten und Einsichten gewährenden magischen Kubus auf der Drehbühne: Brunnen, Weinregale, Sitzecken und Treppen tun sich da wie von Zauberhand bewegt auf und verschwinden wieder. Dieses Bühnenbild ist spektakulär .
Im Mittelpunkt der Inszenierung wie der Oper steht eigentlich nicht die Titelfigur, der Rosenkavalier, sondern die Feldmarschallin, eine philosophierende, verlassene Geliebte. Claus Guth macht aus dieser Marschallin eine todkranke junge Frau, die aus dem Bewusstsein ihres nahen Endes heraus die Einsicht in die Zeitlichkeit aller Dinge gewinnt, man könnte auch sagen durch den Weckruf des Todes zur Erkenntnis des Lebens gelangt. Eben deshalb inszeniert sie diese "Wiener Maskerade", in der sie als Liebhaberin zurücktritt und auf ihren Liebhaber verzichtet zugunsten zweier jungen Menschen, die sie zusammenführt, damit diese ihre Liebe realisieren können.
Es fehlt an Klangsinnlichkeit in der Musik
Die Marschallin ist bei Guth die Strippenzieherin, die durch alle Akte geistert, alles beobachtet, immer wieder eingreift, um am Ende einsam in Leichenkeller eines Sanatoriums zu sterben. Das ist nicht nur gut durchdacht, sondern auch sehr bewegend, zumal mit der Sopranistin Amanda Majeski eine geradezu ideale Interpretin dieser Hauptfigur zur Verfügung steht. Sie übertrifft die derzeit wohl gefeierteste Marschallin, Anja Harteros, noch an Technik und beseeltem Ausdruck. Aber auch die übrige Sängerbesetzung in Frankfurt ist vorzüglich. Man kann die vielen Partien dieser Straussoper fast ausschließlich mit Hauskräften besetzen. Neben der fulminanten Marschallin von Amanda Majeski sind auch der Oktavian von Paula Murrihy und die Sophie von Christiane Karg ausgezeichnet.
Sebastian Weigle verantwortet die musikalische Leitung der Neueinstudierung. Er hält die Fäden von Orchester und Bühne sicher zusammen. Er ist ein ordentlicher Kapellmeister, mehr aber auch nicht. Der Spagat zwischen Pathos und Ironie, Rokoko und Walzer, Moderne und Romantik, den Richard Strauss wagt und der das Schillernde der Rosenkavaliermusik ausmacht, ist Weigles Sache nicht. Dazu fehlt es ihm an dirigentischer Raffinesse. Die Metaphern und Symbole dieser chiffrierten, anspielungsreichen wie erzironischen Musik hörbar zu entschlüsseln und zum Blühen zu bringen gelingt Weigle leider nicht. Das Frankfurter Museums- und Opernorchester Orchester lässt es darüber hinaus an Klangsinnlichkeit und Brillanz fehlen. Aber das ist der einzige Einwand, den man erheben kann. Ansonsten ist die Aufführung ein großartiger Abend, der vom Publikum als solcher mit frenetischem Beifall gewürdigt wurde. Ein großer Erfolg für die Frankfurter Oper.
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