Romanverfilmung

Kein sozialkitschiges Märchen

Der französische Schauspieler Omar Sy spielt die Hauptrolle in dem Film "Heute bin ich Samba" - bekannt ist Sy durch den Film "Ziemlich beste Freunde"
Der französische Schauspieler Omar Sy spielt die Hauptrolle in dem Film "Heute bin ich Samba" © AFP PHOTO / PATRICK KOVARIK
Von Sigrid Brinkmann · 25.02.2015
Samba Cissé könnte jeden Tag nach Mali abgeschoben werden, ihm gelingt es aber, sich jenseits der glamourösen Boulevards von Paris durchzuschlagen. In "Samba für Frankreich" werden Existenznöte illegal in Paris lebender Afrikaner geschildert. Das Buch wurde verfilmt, mit Omar Sy ("Ziemlich beste Freunde") in der Hauptrolle.
Fiktionen, die uns empfänglich machen für die existenziellen Nöte von Illegalen, die den Glauben an republikanische Werte einfach nicht preisgeben wollen: Die Filmregisseurin und Erzählerin Delphine Coulin hat ehrenamtlich in einem Hilfswerk für Flüchtlinge gearbeitet, bevor sie den Roman "Samba für Frankreich" schrieb. Darin schildert sie die Existenznöte und Identitätskrisen illegal in Paris lebender Afrikaner.
Minderjährig war Samba Cisséaus Mali geflohen und nach einer qualvollen Odyssee in die Stadt seiner Träume gelangt: Paris. Zehn Jahre und fünf Monate hat Samba sich schon mit illegalen Jobs über Wasser gehalten, als er im Juli 2009 beschließt, endlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in der Polizeipräfektur zu beantragen. Er endet in Abschiebehaft und verliert auch dort nicht seinen kindlich-beharrenden und alle wohlwollenden Kräfte beschwörenden Glauben an Frankreich als eine die Menschenrechte achtende Nation.
Über Schildkröten, Schwalben und Wildlachse
In Rückblenden erzählt die 42-jährige Autorin in ihrem Roman von den Umständen der Flucht Sambas wie von traumatischen Bürgerkriegserlebnissen anderer Afrikaner, denen der Romanheld in Paris begegnet. Nach der vorübergehenden Entlassung aus der Haft beschließt Samba unterzutauchen. Dass sein Onkel, der einen festen Arbeitsplatz hat, ihm den eigenen Ausweis "leiht", zeigt, dass auch dieser die Hoffnung auf die Anerkennung von Flüchtlingen, die - wie Delphine Coulin an Einzelbeispielen zeigt - systematisch von Arbeitsagenturen und Arbeitgebern ausgebeutet werden, verloren hat.
Erratisch schön sind die Einschübe von Traumsequenzen und fragmentarischen Texten über Schildkröten, Schwalben und Wildlachse. Keine dieser migrierenden Spezies, so Coulin, ist "ahnungslos oder blind". Dennoch "folgt sie dem Strom, ohne sich ihm entziehen zu können". Nichts konnte Samba davon abhalten, sich nach Frankreich durchzuschlagen.
Näher kann Literatur dem aktuellen politischen Geschehen kaum kommen. Denn wer in diesen Tagen den Roman "Samba für Frankreich" über einen jungen afrikanischen Immigranten liest, wird unwillkürlich an Lassana Bathily denken. So heißt der aus Mali stammende 24-Jährige, der von der französischen Nation gerade als "Held von Paris" gefeiert wird, weil er während der Geißelnahme in einem jüdischen Supermarkt am 9. Januar 2015 einigen Kunden half, sich vor dem Terroristen in einem Kühlraum zu verstecken. Als Dank für seine patriotische Zivilcourage soll er nun die französische Staatsbürgerschaft erhalten, um die er sich seit 2006 vergeblich bemüht.
Charlotte Gainsbourg spielt weibliche Hauptrolle
Delphine Coulins Roman hatte in Frankreich erstaunlich viel Erfolg, besonders, weil das mit dem Kinohit "Ziemlich beste Freunde" berühmt gewordene Regieduo Eric Toledano und Olivier Nakache die Verfilmung übernommen hatte. Für das Drehbuch haben die Regisseure Delphine und Muriel Coulin als Mitarbeiterinnen engagiert, und offenbar waren die beiden damit einverstanden, dass nun eine zarte Liebesgeschichte zwischen Samba und einer weißen Französin den Kern bildet.
Charlotte Gainsbourg spielt eine am Burn-out-Syndrom leidende Managerin, die sich eine Auszeit nimmt und als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin zurückfindet in die Wirklichkeit der französische Gesellschaft. Ob der um eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung kämpfende illegale Arbeiter Samba und sie ein Paar werden, lässt der Film bewusst offen. Toledana und Nakache wollten um jeden Preis vermeiden, ein sozialkitschiges Märchen zu drehen. Selbst wenn ihr Werk - anders als das Buch - leider jene Orte ausblendet, an denen sich arme weiße und schwarze Hauptstädter mit Straßenverkäufen über Wasser halten, so bleibt doch spürbar, wie viel Anstrengung es die nicht im Land Geborenen und sozialen Absteigern kostet, den Alltag in Paris ehrlich und würdevoll zu leben.
Seit Mitte Oktober haben an die drei Millionen Menschen die Verfilmung von "Samba pour la France" gesehen. Heute kommt der Film auch in die deutschen Kinos - mit dem ebenfalls aus "Ziemlich beste Freunde" bekannten Omar Sy in der Hauptrolle.

Delphine Coulin: Samba für Frankreich
Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze
Aufbau Verlag, Berlin 2014
268 Seiten, 16,95 Euro

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