Roman von Titus Müller

März 1848 − als Revolution in Berlin war

Barrikadenkämpfe der aufständischen Demokraten (im Hintergrund) gegen preußische Soldaten am 18. März 1848 am Berliner Alexanderplatz
Barrikadenkämpfe der aufständischen Demokraten (im Hintergrund mit schwarz-rot-goldener Fahne) gegen preußische Soldaten am 18. März 1848 am Berliner Alexanderplatz © dpa
Titus Müller im Gespräch mit Florian Felix Weyh · 20.06.2015
Titus Müller schildert den Berliner Märzaufstand von 1848 aus Sicht von Akteuren aus Proletariat, Bürgertum, Adel, Militär und Wissenschaft. Der Roman "Berlin Feuerland" des studierten Historikers macht deutlich, was die überraschende Liberalität preußischer Amtsträger hätte bewirken können.
Unlängst war Richtfest beim Berliner Stadtschloss – oder bei dem, was in der Rekonstruktion wieder Stadtschloss werden soll. Der Roman "Berlin Feuerland" von Titus Müller spielt zu einem großen Teil in dem, was das Stadtschloss einst gewesen ist: Residenz des preußischen Königs, in dem Falle von Friedrich Wilhelm IV. Eher ungewöhnlich für die sonst aufs Mittelalter fixierten Genreschreiber richtet Müller sein Augenmerk auf das 19. Jahrhundert. Der Berliner Märzaufstand von 1848 wird aus Sicht verschiedener Akteure aus Proletariat, Bürgertum, Adel, Militär und Wissenschaft geschildert – natürlich mit einer Liebes- und einer Spionagegeschichte gewürzt.
Der Kastellan des Stadtschlosses, ein aufgeklärter Bürgerlicher, fasst die Lage so zusammen: "Uns stellen sich zu viele Aufgaben auf einmal. Die grässliche Armutswelle. Der Adel will seinen alten Rang zurückerlangen, die Bürger wollen ihn abschaffen und selbst zur Geltung kommen. Tagelöhner und Handwerksgesellen wollen wie die Bürger angesehen sein, was diese verständlicherweise ablehnen. Die Arbeiter fordern kostenlose Schulen und das Wahlrecht, die Meister wollen über ihr Handwerk bestimmen und verlangen ein Gesetz, das die Fabriken zwingt, Aufträge nur an Meister zu vergeben. Die Studenten fordern die Republik, die Professoren ein Grundgesetz, die Beamten mehr Macht und Bewegungsfreiheit für den Verwaltungsapparat. Wo sollen wir anfangen? Wir bräuchten zehn Jahre, um all das zu lösen."
Buchcover: "Berlin Feuerland" von Titus Müller
Buchcover: "Berlin Feuerland" von Titus Müller© Karl Blessing Verlag
Welche Motive spielten eine Rolle bei der Wahl des Genres Historienroman?
Tatsächlich bleiben nur wenige Monate des Jahres 1848, an deren Ende – nach aufregenden Veränderungen – fast alles wieder beim Alten ist. Der Scharfmacher im Konflikt, des Königs Bruder Prinz Wilhelm von Preußen, wird erster deutscher Kaiser, die Reaktionäre siegen. Hundertausende enttäuschter Bürger verlassen Preußen in Richtung Amerika – ein gewaltiger Braindrain, denn diese 1848er-Revolution war eben kein reiner Armutsaufstand, sondern eine von Intellektuellen der Zeit – wie Alexander von Humboldt, Rudolf Virchow, Theodor Fontane – mitgetragene Bewegung.
Für den kurzen historischen Freiheitsmoment überrascht die verbürgte Liberalität des Berliner Polizeipräsidenten Julius von Minutoli und das nachgerade radikale Verständnis des preußischen Generals Ernst von Pfuel für die Aufständischen. Hätte Pfuels Plan Bestand gehabt, Orden und Adel komplett abzuschaffen, wäre Deutschland womöglich ein langer, blutiger Irrweg bis zur ersten Republik erspart geblieben.
Kann der Historienroman jenseits seiner Unterhaltsamkeit aufklärerisch wirken oder spielen andere Motive bei der Genrewahl eine Rolle? "Der Mann war Schriftsteller und trotzdem geschäftstüchtig. Eine seltene Verbindung", heißt es an einer Stelle des Romans. Womöglich eine ironische Selbstbezichtigung? Auch die Geschäftsmodelle des historischen Erzählens kommen im Gespräch mit dem studierten Historiker Titus Müller zur Sprache.

Titus Müller: Berlin Feuerland
Karl Blessing Verlag, München 2015
478 Seiten, 19,99 Euro, auch als eBook

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