Roman

Von der ewigen Sehnsucht

Von Rainer Moritz · 01.04.2014
Yates' "Eine strahlende Zukunft" ist ein Künstlerroman. Es geht um Lebensträume, die nie verwirklicht werden. Auch wenn das Selbstmitleid des Protagonisten stellenweise nervt, lohnt sich die Lektüre - berührender Stoff.
Der Roman wirkt auf den ersten Blick wie ein Remake von Yates’ Debütroman "Zeiten des Aufruhrs" (1961). Lucy und Michael Davenport heißen die Protagonisten diesmal, ein junges Paar, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg früh heiratet und eine Tochter, Laura, bekommt. Während Lucy aus vermögendem Elternhaus stammt, träumt Michael von seinem Durchbruch als Lyriker und Dramatiker.
Vom Geld seiner Frau möchte er nicht leben, sodass beide zuerst eine bescheidene Wohnung im West Village Manhattans beziehen, ehe sie sich – ein Trauma für viele Figuren Yates’ – in den öden "Vorstadtdschungel" von New York zurückziehen. Michael verdingt sich als Lohnschreiber, veröffentlicht seine ersten Lyrikbände, was ihm nicht mehr als wohlmeinende Anerkennung unter Insidern einbringt, und trinkt sich jeden Tag mit Whiskey schön.
Breites Spektrum künstlerischer Existenzen
Die Ehe der Davenports hält diesem Druck nicht stand, zumal Michael unter psychotischen Schüben leidet, die zu einer Einweisung in das berüchtigte Krankenhaus Bellevue in Manhattan führen. Auf der Höhe der Ehestreitigkeiten trennt sich das Paar, und Michaels Welt ist zerbrochen.
Yates hat die drei Kapitel seines (stark autobiografischen) Romans präzise strukturiert, Handlungsstränge und Motive eng miteinander verwoben. Der Mittelteil kreist um Lucy, die sich auf verschiedenen Feldern versucht. Weder als Schauspielerin noch als Schriftstellerin, noch als Malerin findet sie Erfüllung, und auch ihre Affären sind selten mehr als flüchtige Abenteuer mit sie enttäuschenden Männern.
Michael hingegen wähnt seine "zweite Chance" gekommen. Er findet Unterschlupf als Creative-Writing-Dozent an einer Provinzuniversität und heiratet ein weiteres Mal, die zwanzig Jahre jüngere Sarah, mit der er ein zweites Kind bekommt. Doch wie in einem Yates-Roman kaum anders zu erwarten: Vom – wie es Michael sieht – aufkommenden "feministischen Schwachsinn" getrieben, entfernt sich Sarah von ihrem Mann, und am Ende scheint es mehr als fraglich, dass sie jemals zu ihm nach Boston zurückkehren wird.
Der Roman hat Längen
Der Roman handelt vor allem von dem, was Yates zeitlebens nie losließ: von Träumen, die sich nicht realisieren lassen, von Ansprüchen, denen man selbst und denen die Welt nicht genügt. Das Fazit ist bedrückend: "Wir waren ein Leben lang voller Sehnsucht. Ist das nicht schrecklich?" Rund dreißig Jahre umfasst "Eine strahlende Zukunft" und ist nicht zuletzt ein Künstlerroman. Viel stärker als in seinen anderen Büchern führt Yates ein breites Spektrum künstlerischer Existenzen vor.
Trotz der Qualitäten, die "Eine strahlende Zukunft" auszeichnen, reicht der Roman nicht an "Zeiten des Aufruhrs" oder "Easter Parade" heran. Das liegt zum einen daran, dass er Längen hat, und zum anderen ist Michael Davenport eine sich zu sehr im Selbstmitleid ergehende Figur. Dennoch: Es lohnt sich allemal, in diese Welt nie zur Ruhe kommender Sehnsüchte einzutauchen und am Ende die vom Leben gebeutelten Lucy und Michael bei einem wunderbar lapidar geschilderten Wiedersehen zu beobachten. Kalt wird das keinen Leser lassen.

Richard Yates: Eine strahlende Zukunft.
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014
496 Seiten, 22,99 Euro

Mehr zum Thema