Roman voller Wut und Hoffnungslosigkeit

17.12.2012
Edo Popovic hat ein düsteres Szenario des künftigen Kroatiens gezeichnet: Die Reichen leben hinter einer großen Mauer. Alle, die stören, werden ausgeschlossen. Radikale Konsumkritiker kämpfen mit teils brutaler Gewalt gegen die Mächtigen an.
In knapp einem Jahrzehnt ist von Kroatien praktisch nichts mehr übrig. Eine hohe Mauer zieht sich um die größten Städte des Landes. Sie schützt die Reichen, Mächtigen und Schönen, die in einer Holding organisiert sind. Dieser Ersatzstaat sorgt für pausenlosen Konsum, Gewaltenteilung ist passé, das Parlament hat der Firmengründer zur Privatvilla ausgebaut.

Alles, was den Interessen der Eigentümer widerspricht, gilt als Störung des Betriebsfriedens, für deren Einhaltung die Security zuständig ist. Wer da nicht mitmachen kann, darf oder will, bleibt außerhalb der Mauer - in der sogenannten Zone. Dort sind die Menschen zuhause, die vom Abfall der anderen leben, und dort treiben sich die Ungenießbaren herum, radikale Ökologen und Konsumkritiker, die gegen die Holding kämpfen - manchmal mit brutaler Gewalt.

"Aufstand der Ungenießbaren" heißt der jüngste Roman des kroatischen Erzählers Edo Popović, der nun in der Übersetzung von Alida Bremer auf Deutsch erschienen ist. Popović malt ein düsteres Bild seines Landes. Sein Buch ist keine reine Science-Fiction, sondern liefert ein Zukunftsszenario mit langer Vorgeschichte und präsentiert Figuren, die in der jugoslawisch-kroatischen Wirklichkeit fest verankert sind.

1984, noch zu sozialistischen Zeiten, hat Holdingboss Ilija Tešić mit einer Grillbude aus Montageblech auf dem Zagreber Friedhof angefangen. Später kaufte er Staatsbetriebe auf. Das wäre keinesfalls möglich gewesen ohne die Jugoslawien-Kriege und eine schlagkräftige Seilschaft aus Polizei, Militär und Politik.

Gegen die schöne böse kapitalistische Welt aus Kriegsgewinnlern und Wendeprofiteuren begehren die Ungenießbaren aus der Zone auf - jeder auf seine Art. Ivan Vida flüchtet sich ins Felsgebirge des Velebit, mitten in der Krajina, wo er zehn Jahre zuvor als kroatischer Soldat Dienst für die Vertreibung der Serben tat. Nun wird er nach einem Schlangenbiss von dem serbischen Rückkehrer Nikola Jokić gerettet, mit dem er die Sinnlosigkeit von Krieg und nationaler Aufwallung disputiert. Vanča hat die Ungenießbaren aus der Taufe gehoben, wendet sich aber von seinen Mitkämpfern ab, als die versuchen, Gerechtigkeit mit Gewalt durchzusetzen. Fraktalfrau, seine Ex-Gefährtin hat sich mit Gärtner zusammengetan, der Leute aus der Holding und sogar einen Priester einfach umbringt.

Edo Popović, 1957 in Bosnien-Herzegowina geboren, seit 1968 in Zagreb zuhause, schreibt seit langem pointiert sozialkritische Literatur. Seine Romane "Ausfahrt Zagreb Süd" und "Kalda", mit denen er auch im deutschsprachigen Raum bekannt wurde, stecken zugleich voll beißender Ironie und Komik. Davon ist im "Aufstand der Ungenießbaren" kaum etwas zu spüren. In diesem dennoch allemal lesenswerten Roman, verfasst im für Popović typischen lakonisch-schnoddrigen Grundton, dominieren Wut und Hoffnungslosigkeit. Letztlich landet der Autor bei der spätestens seit Dostojewski verbreiteten Einsicht von der Menschenfeindlichkeit der Menschheitsfreunde. Bei Popovićs Protagonisten Ivan Vida hört sich das so an: "Auf ganz blöde Art ergibt es sich immer wieder, dass die Menschen bei ihrem Bestreben, die Welt besser zu machen, alles nur verbaseln."

Besprochen von Martin Sander

Edo Popović: "Aufstand der Ungenießbaren"
Aus dem Kroatischen von Alida Bremer
Luchterhand Verlag München
196 Seiten, 17,99 Euro
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