Roman

Vergnüglicher Ritt durch die Musikgeschichte

Von Thomas Wörtche · 13.02.2014
"Roadkill" ist kein realistischer Roman, sondern ein schönes Märchen - Gut siegt über Böse. Auf der Flucht vor zwei Killern kommen Vater und Sohn an alle bedeutenden Orte der amerikanischen Musikgeschichte - On-the-Road-Feeling garantiert.
Irgendwann in den 1930er-Jahren hat der Musiker Robert Johnson an einer Straßenkreuzung in Clarksdale, Mississippi um Mitternacht seine Seele dem Teufel verkauft und wurde daraufhin der wichtigste und beste Bluesmusiker aller Zeiten: der Grundlagenmythos für den Blues und für alle Musik, die auf dem Blues aufbaut. Und ein schönes Märchen. So wie der Roman "Road Kill" von Eyre Price auch ein schönes Märchen ist.
Der Held des Romans, der abgebrannte Musikproduzent Daniel Erickson, steht eines Nachts an eben dieser Kreuzung – nicht die große, wo sich die nicht minder legendären Highways 49 und 61 kreuzen –, sondern an der echten, der richtigen Johnson-Kreuzung. Erickson hat auch einen Pakt geschlossen. Allerdings nicht mit dem Teufel, sondern mit einem russischen Mafioso, dem er Geld, viel Geld schuldet. Mit einem Trick hat er sich aus einem extrem unangenehmen Tötungsszenario herausgeschwatzt, jetzt sind zwei arg psychopathische Killer hinter ihm her, die nicht nur ihn, sondern auch seinen Sohn bedrohen. Der war von zu Hause weggelaufen, weil ihm seine Familie zu kaputt war, und niemand weiß, wo er steckt. Da trifft es sich günstig, dass irgendwer dem gehetzten Daniel Hinweise zuspielt, die mit der Geschichte der amerikanischen Popmusik zu tun haben. Und die beginnt der Legende nach an eben jener Kreuzung in Clarksdale, Mississippi. Wo sich schnell ein seltsamer Herr materialisiert, der sich Mr. Atibon nennt und nicht unbedingt irdischen Gesetzen gehorcht.
Eine gut umgesetzte gute Idee
Faust meets the Blues, und Väter und Söhne bewegen sich auf den endlosen Highways zu unterschiedlichen Stationen und kommen unter anderem nach New Orleans, Memphis, Nashville, Philadelphia und bis nach Nordkalifornien, die Heimat des Grunge und Kurt Cobains. Bis sich im großen theme park der Popkultur, in Las Vegas, alle wieder zum Showdown versammeln, der dann ein bisschen an das Gemetzel in Joe Carnahans Film "Smokin'Aces" erinnert – also durch seine Überzeichnung eher comichaft, denn abbildend verfährt.
Überhaupt: Keine Angst, "Road Kill" ist nirgends ein realistischer Roman, sondern eine große, sehr vergnügliche und rasante Schnitzeljagd durch die Musikgeschichte. Ein fiktiver Blues, der "Blues Highway Blues" – so heißt auch die amerikanische Originalfassung – gibt die Tonart vor und alle Texte (im Anhang auch deutsch) und die dazu geschilderte Musik simulieren die jeweiligen Musikstile – Motown, Philly-Sound und so weiter. Und wie im Märchen helfen die Geister den Tapferen, aus Bösen werden Gute und die ganz Bösen fallen tief.
Man kann spüren, dass der Autor Eyre Price tatsächlich mit all dem, was er erzählt, viel anfangen kann. Das On-The-Road-Feeling, die spezifischen Freuden an den unterschiedlichen Musik-Stilen und vor allem das Bewusstsein, dass all das nicht originell und unerhört innovativ sein muss. Sondern noch entspannter unterhält, wenn es mit Witz, Sarkasmus und offensichtlicher Spaß an der Freud' niedergeschrieben ist. Kein anstrengender Meilenstein der Literaturgeschichte, sondern einfach ein gut umgesetzte gute Idee.

Eyre Price: Roadkill
Aus dem Amerikanischen von Jörn Ingwersen
Heyne Hardcore, München 2014
479 Seiten, 12,99 Euro