Roman

Schön zum Gruseln

Gewitterwolken ziehen am 09.06.2014 über den Ort Sörmeke bei Geseke (Nordrhein-Westfalen). Orkanböen, Starkregen und heftige Blitze: Wie eine Walze zog eine Gewitterfront über Nordrhein-Westfalen am 09.06.2014 hinweg
In Howeys "Level" ist keine Naturkatastrophe schuld am Weltuntergang, sondern die Atommacht USA. © picture alliance / dpa / Thomas Rensinghoff
Von Marten Hahn · 21.08.2014
"Level" erzählt ausgehend von realen politischen Ereignissen von einer postapokalyptischen Welt: Nachdem die USA die Atombombe gezündet haben, lebt die Bevölkerung des Landes unter der Erde. Das Buch ist eine lesenswerte Dystopie.
Die Welt wie wir sie kennen ist untergegangen. Wieder einmal. Wir kennen das. Wir haben oft davon gelesen. Aber dieses Mal war es keine Naturkatastrophe, keine außerirdische Rasse und kein Killervirus. In "Level" von Hugh Howey waren wir es selbst. Iran und Nordkorea arbeiten an Nanowaffen, Kleinstpartikeln, programmiert darauf bestimmte Bevölkerungsgruppen auszuschalten. Also entscheidet sich die politische Klasse der USA für einen nuklearen Präventivschlag. Jedoch nicht ohne vorzusorgen: Die Bevölkerung lebt fortan strikt reglementiert in unterirdischen Silos.
Hugh Howey, geboren 1975, bedient sich für seinen Roman "Level" bei realen politischen Ereignissen. Angebliche irakische Massenvernichtungswaffen, die es dann doch nicht gab. Der schwelende Atom-Konflikt mit dem Iran. Die Unberechenbarkeit des nordkoreanischen Regimes. Und liegt hinter dem Roman die bekannte (und bedrohliche) Frage: Ist das Bedrohungsszenarium, das die Mensch in die unterirdischen Silos getrieben hat, eigentlich real? Oder sind die Menschen Opfer einer übersteigerten Paranoia geworden, gepaart mit brutalem politischem Gestaltungswillen?
"Level" ist Vorgeschichte zum Erfolgsroman "Silo"
Howey ist kein Unbekannter. Nicht nur weil sein Debüt "Wool" ein Erfolg war, sondern auch weil die Entstehungsgeschichte seines Erstlings mittlerweile legendär ist. Der Amerikaner veröffentlichte "Wool" – zunächst angelegt als Novelle - im Selbstverlag, als E-Book bei Amazon. Die Nachfrage der Leser war riesig, so dass er weiter schrieb. Irgendwann hatte er einen 500 Seiten starken Roman zusammen, um den sich die Verlage rissen und der in Deutschland unter dem Titel "Silo" erschien.
Auch wenn es sich bei "Level" nun um die Fortsetzung eines Fortsetzungsromans handelt, hat die Geschichte kaum an Kraft eingebüßt. Das mag unter anderem daran liegen, dass es sich bei "Level" um ein Prequel handelt. Howey erzählt hier die Vorgeschichte zu "Silo" – beklemmend, vertrackt und kaum aus der Hand zu legen.
Und: "Level" ist auch ein symptomatisches Buch. Howey ist nicht der einzige Autor, der derzeit versucht, auf der post-apokalyptischen Erfolgswelle zu surfen. Mit "Enders", ebenfalls bei Piper erschienen, liefert Lissa Price zum Beispiel gerade die Fortsetzung ihres Debüts "Starters". Die US-Amerikanerin schreibt darin die Geschichte einer Gesellschaft weiter, in der eine Katastrophe die mittleren Generationen ausradiert hat und nur Jugendliche und Alte überlebt haben. Um Geld zu verdienen, vermieten die verwaisten Jungen ihre Körper an die Alten – ein Generationenvertrag der besonderen Art.
Es kribbelt so schön
Auch wenn Fortsetzungen dieser Art statt Kunst meist Kommerz im Sinn haben, dürften sich Howey und Price um eine entsprechende Leserschaft keine Sorgen machen müssen. Dystopien verkaufen sich: weil es so schön kribbelt auf dem Heile-Welt-Sofa, wenn Howey alte Kalte-Kriegs-Angst vor einem Atomkrieg mit der futuristischen Furcht vor unsichtbaren Nanopartikeln verbindet. Weil Dystopien die "kollektive Zukunft" als grausamen Ort zeichnen, wie der deutsche Science-Fiction-Experte Sascha Mamczak in seinem aktuellem Essay über "Die Zukunft" schreibt. Weil unsere Regeln dort nicht gelten.
Wie kein anderes Genre lehren Dystopien uns das Gruseln. Nicht wie Krimis, vor dem barbarischen Individuum, sondern vor dem barbarischen Kollektiv, der Spezies Mensch im Allgemeinen.

Hugh Howey: Level
Aus dem Amerikanischen von Gaby Wurster
Piper, München, 2014
432 Seiten, 19,99 Euro, als E-Book 15,99 EUR

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