Roman

Plötzlich taucht eine zweite Braut auf

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Eine Braut hält eine Pistole in der Hand. © Imago / Westend61
Von Johannes Kaiser · 01.07.2015
Die New York Times steckt Lisa Zeidner in eine Liga mit Doris Lessing, Margaret Atwood und Fay Weldon. Die US-Schriftstellerin Zeidner ist in Deutschland noch wenig bekannt, ihr neuer Roman "Die falsche Braut" ist ins Deutsche übersetzt worden.
Damit hatte niemand gerechnet, und der Schock ist groß. Auf der Hochzeitsfeier von Tess und Gabe taucht plötzlich eine zweite Braut auf und zwar schwerbewaffnet. Sie nimmt die Hochzeitsgäste als Geisel. Was ist passiert?
Die amerikanische Schriftstellerin Lisa Zeidner hat sich für ihren vierten Roman eine für Europäer sehr ungewöhnliche Situation ausgedacht. Was für uns wie ein völlig absurdes Szenario klingt, ist in den USA keineswegs eine abwegige Vorstellung. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Überfällen, Geiselnahmen, Amokläufen. Die Hochzeitsgäste sind dann auch entsprechend beunruhigt. Ist das der Tag, an dem sie sterben müssen?
Die Geiselnehmerin in ihrem weißen Hochzeitsgewand, das Gesicht unter einer Gasmaske und einer Sonnenbrille versteckt, wirkt ziemlich martialisch. Am Handgelenk blinkt der Fernzünder einer Bombe, im Gürtel steckt eine Schrotflinte. Sie sperrt die gut 60 Gäste im Wohnzimmer des Einfamilienhauses ein, verriegelt alle Türen, sammelt die Handys und die Handtaschen der Frauen ein. Dann wendet sie sich an "all die Betrüger und Herumlavierer unter den Versammelten... Alles, was ich möchte, ist eine schlichte, von Herzen kommende Entschuldigung'.
Traurige kleine Lügen und Betrügereien
Doch wer von den Eingeschlossenen soll sich entschuldigen? Wer hat die Geiselnehmerin gekränkt, dass sie mit einem Massaker droht? Lisa Zeidner liefert uns jetzt ein gutes Dutzend Berichte von Ehebruch und Liebesentzug, Rassismus und Sexismus, miserabler Elternschaft. Es sind die Dramen typischer amerikanischer Mittelschichtsehen mit all ihren traurigen kleinen Lügen und Betrügereien. Da der Bräutigam Afroaamerikaner ist und ein Teil der Hochzeitsgäste aus Afrika kommen, steht außerdem das Rassismus-Problem im Raum.
So liest sich die erste Hälfte des Romans, 'Drinnen' überschrieben, eher wie eine Sammlung konventionell erzählter Kurzgeschichten, voneinander getrennt durch kurze Schilderungen der zunehmenden Nervosität der Geiseln. All diese Bekenntnisse sind eher komisch denn erschütternd. Mit großem Vergnügen macht sich die Schriftstellerin zudem über das halbe Dutzend Psychiater lustig, die sich mit Diagnosen der Geiselnehmerin übertreffen, aber rein gar nichts begreifen. Woody Allen hätte seine wahre Freude an der ironischen Bloßstellung der Seelenklempner.
Der zweite Teil des Romans 'Draussen' schildert dann die heftigen emotionale Verletzung der 'Terroristin' durch einen Ex-Geliebten, einen Polizisten. Die Geiselnahme gilt ihm. Lisa Zeidner gelingt das Kunststück, uns die Geiselnehmerin so nahe zu bringen, dass wir ihr Verhalten verstehen. Der Roman ist zudem so angelegt, dass man nie mit einem drastischen Showdown rechnet. So wird der Thriller zuletzt zu einer fast leichten Sommerkomödie.

Lisa Zeidner: Die falsche Braut
Aus dem Amerikanischen Christel Dormagen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
336 Seite, 12.99 Euro