Rohstoffe

Niedriger Ölpreis - wem nützt und wem schadet er?

Eine Erdölförderpumpe im Sonnenuntergang
Erdölförderpumpe zur Erdölförderung: In Deutschland sorgt der gesunkene Ölpreis in diesem Jahr für einen Wachstumsschub. © imago
Von Michael Braun und Brigitte Scholtes · 06.10.2015
Vor sieben Jahren war der Ölpreis drei Mal so hoch wie heute. Verbraucher und große Teile der Wirtschaft atmen auf, weil sie günstig Treibstoffe bekommen. Doch der niedrige Ölpreis hat auch seine Schattenseiten - für die Schwellenländer und auch für die deutschen Sparer.
Es brummt im Moment in den Geschäften. Wie das Statistische Bundesamt ermittelte, ist im deutschen Einzelhandel der Umsatz im August wieder mal gestiegen, den dritten Monat in Folge und zuletzt dabei mit einer Jahresrate von 2,5 Prozent. Ein Grund: Die Preise steigen nicht.
In Deutschland lag die gemessene Inflationsrate zuletzt bei 0,0 Prozent. Verbraucher finden das gut, weiß Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung: "Da steigt die Kaufkraft. Das heißt: Von den Einkommenssteigerungen verbleibt auch mehr in den Geldbörsen." Denn hier steigen die Löhne, im zweiten Quartal um 3,2 Prozent.
Der niedrige Ölpreis und seine Freuden
Und wenn es bei 0,0 Prozent Geldentwertung bleibt, dann bleiben – von der Steuerprogression abgesehen - auch jeder mehr verdiente Euro in der Hand der Verbraucher. Das strahlt auf die private Ersparnis aus. Und Verbraucher werden damit auch zum Treiber der diesjährigen Konjunktur.
Rolf Schneider, Volkswirt bei der Allianz sagt: "Wir sehen durch die gute Entwicklung der Einkommen in diesem Jahr einen leichten Anstieg der Sparquote. Das ist, finde ich, ganz erfreulich. Aber es bleibt bei einem Realeinkommenswachstum in einer Größenordnung von nahezu drei Prozent – das ist das höchste seit der deutschen Wiedervereinigung – auf jeden Fall genügend Einkommen übrig, um den Konsum auszuweiten."
Zu verdanken ist das alles dem niedrigen Ölpreis: Die Ausgaben für Benzin und die heimischen Heizkosten sind niedriger als voriges Jahr. In der Eurozone sind die Energiekosten im September um 8,9 Prozent gegenüber dem vorigen Jahr gesunken. So rutsche die Inflationsrate in Euroland gar in den negativen Bereich, in Deutschland auf die erwähnten 0,0 Prozent: "Dies ist im Wesentlichen, ich würde sagen: fast ausschließlich dem Rückgang der Rohstoffpreise und vor allen Dingen dem Ölpreis geschuldet", sagt Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft bei der Deka Bank.

Gute Nachricht also für die Verbraucherkonjunktur. Die steht für etwa die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Leistung in Deutschland. Aber auch viele Unternehmen profitieren: Spediteure, Stahlwerke, die Hersteller von Baustoffen, Glas und Papier.
In Deutschland, haben Volkswirte ausgerechnet, sorge der gesunkene Ölpreis in diesem Jahr für einen Wachstumsschub von 0,4 Prozent. Der Grund: Zusätzlich zu den Verbrauchern würden auch Unternehmen entlastet, alles in allem in einer Größenordnung von etwa 25 Milliarden Euro. Das Geld lässt sich in Investitionen und Arbeitsplätze, in Gewinne und Konsum stecken. Viel besser, als es den Öl- und Gasproduzenten dieser Welt zu geben.

Und wem schadet der niedrige Ölpreis nun?
Wenn ein Fass Öl der Nordseesorte Brent unter 50 Dollar kostet, wie derzeit, dann geht das aber an den Produzenten nicht spurlos vorbei. Zu ihnen gehört auch der weltgrößte Chemieriese BASF. Was die Bewegung beim Ölpreis für den Konzern bedeutet, erklärt dessen Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel: "Beim Öl gilt – nur für das Öl- und Gasgeschäft – bei einer Veränderung um einen US-Dollar bei Brent eine Veränderung um 20 Millionen im Ebit."

Da kommen dann erkleckliche Summen zusammen, die das Ebit, also das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern drücken. Ein Konzern wie BASF kann das jedoch mit seiner großen Chemiesparte auffangen, denn die profitiert, wenn der Preis für ihren Rohstoff sinkt.
Der Niedergang der Preise hat dabei einen wesentlichen Grund: Das Angebot auf dem Weltmarkt ist zu groß. Das liegt unter anderem am Fracking: Das haben vor allem Produzenten in den USA vorangetrieben. Sie benötigen jedoch für diese Methode, bei dem Öl unter hohem Druck aus Gesteinsschichten herausgepresst wird, eigentlich höhere statt wie derzeit nur niedrigere Verkaufspreise im Vergleich zur konventionellen Förderung. Denn das Fracking ist sehr kostspielig: Viele Produzenten sind hoch verschuldet und werden diesen Wettbewerb nicht allzu lange durchhalten.
Schlimmer noch sieht es für die Staaten aus, die stark von der Ölförderung abhängen, also Venezuela oder Russland: Diese Länder benötigen die Einnahmen aus dem Öl für die Finanzierung ihrer Staatshaushalte.
Es leiden aber auch die Zulieferer der Ölproduktion, erklärt Stefan Schneider, Volkswirt der Deutschen Bank: "Zum Beispiel alle Anlagenbauer, die in der Energieproduktion, der Weiterverarbeitung, ihren Schwerpunkt haben. Da geht die Nachfrage natürlich zurück, weil Investitionen bei so niedrigen Ölpreisen wesentlich weniger rentabel sind." Das beispielsweise bekommt nun der Münchner Industriekonzern Siemens zu spüren: Der hatte im vergangenen Jahr einen texanischen Zulieferer der Öl- und Gasbranche übernommen – für mehrere Milliarden Euro.

Auch die Europäische Zentralbank schaut nicht nur mit Freude auf den sinkenden Ölpreis. So sagte EZB-Präsident Mario Draghi vor einigen Wochen: "Wenn Ölpreise wegen der Nachfrage sinken, dann müssen wir auch den negativen Einfluss berücksichtigen, den niedrigeres Wachstum in den Volkswirtschaften der Schwellenländer haben wird auf das Wachstum im Euro-Währungsgebiet."

Das könnte ein weiterer Grund sein, die Zinsen auf ihrem Rekordtief zu belassen. Und darunter leiden dann wieder die Sparer, denn sie müssen mehr zurücklegen, wenn sie für das Alter vorsorgen wollen.
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