Roger Deakin: "Logbuch eines Schwimmers"

Exzentrische Erkundung Englands

Aufnahme vom 24.04.2005
Auf seiner Reise durchschwamm Roger Deakin auch den Cam-Fluss in der Universitätsstadt Cambridge © picture alliance / dpa / Chris Radburn
Von Eva Hepper · 09.02.2016
Im "Logbuch eines Schwimmers" schildert der britische Autor Roger Deakin seine einjährige Reise durch England - als Schwimmer in natürlichen Gewässern. Das Buch bietet ungewöhnliche Naturbeobachtungen und prangert zugleich die Wasserverschmutzung an.
Schließlich war er doch entdeckt worden. Nur mit einer Badehose und Neoprenfüßlingen bekleidet, stand Roger Deakin am Flussufer des Itchen vor zwei Männern vom Wachpersonal und deren Schäferhund. Ob er denn nicht wisse, dass er auf privatem Grund stehe? Er habe doch nur ein wenig Schwimmen wollen. Das sei aber hier nicht gestattet. Aber sollte es nicht ein Grundrecht sein, in Flüssen schwimmen zu dürfen?
"Von da an wurde es hässlich", schreibt Roger Deakin lakonisch. Der Disput mit den Wachleuten der Universität Winchester – zu deren Gelände auch Auen des Kalkflusses Itchen zählen – gehört zu einer der vielen Episoden, die der britische Autor und Journalist auf einer sehr besonderen Reise erlebte: Ein Jahr lang durchquerte Deakin sein Heimatland als Schwimmer. Er kämpfte sich durch Englands Bäche, Flüsse, Seen, durch die Fluten der Nordsee und des Atlantiks.
1999 erschien sein "Logbuch eines Schwimmers". Es machte ihn nicht nur berühmt, sondern initiierte Schwimmen in natürlichen Gewässern als neuen Trend. Jetzt liegt das faszinierende und poetische Werk auf Deutsch vor.
Schwimmend, in einem Wassergraben hinter seinem Haus in Suffolk, kommt Deakin die Idee zu dieser in ihrer Exzentrik zunächst sehr britisch anmutenden Expeditionstour. Doch schon nach wenigen Seiten wird deutlich: Die Vermessung des Landes aus Fisch- und Froschperspektive erbringt handfeste und durchaus unerwartete Erkenntnisse über die Natur, ihre – nicht nur – tierischen Bewohner und damit über die gesamte Insel.
Wo schon Lord Byron am liebsten eintauchte
Wenn Deakin beispielsweise nach Cambridge reist, um in den Cam zu springen, schildert er nicht nur minutiös Kälte, Wasserqualität und seine Schwimmroute, sondern nimmt auch die Geschichte der Gegend ins Visier: Er erzählt von den ehemals nach Geschlecht getrennten und schon lange verwaisten alten Badestellen, er weiß, wo Lord Byron am liebsten eintauchte, er lässt die Erfolge der universitären Schwimm-Mannschaften Revue passieren, referiert über die Entwicklung von Kraultechnik und Badeanzügen und hat auch ein Ohr für die Vogelwelt am Ufer.
Geradezu hinreißend sind Deakins Beschreibungen von Natur und Tierwelt. Kenntnisreich und liebevoll schreibt er über Begegnungen mit Fröschen, Aalen, Ottern, Insekten oder Kammmolchmännchen, die er als exotische Persönlichkeiten porträtiert – als kämen sie aus "einer Vivienne-Westwood-Show".
Manifest der Freiheit
Gerade weil der passionierte "Am-Liebsten-Brust"-Schwimmer die Natur verehrt, ist sein Reisebericht immer auch ein Manifest der Freiheit und der Achtung vor dem Leben. Umweltverschmutzung, Flussbegradigung und das Verschwinden natürlicher Überlaufwiesen prangert Deakin ebenso an, wie die Sperrung ehemals öffentlicher Gewässer durch Privatisierung der Uferlandschaft und den Wandel des Naturguts Wasser zur Ware.
Dieses Buch ist beglückend, denn es lässt sich aufs Schönste darin abtauchen. Am besten nimmt man es zur Hand wie Deakin seine Karten:
"Nicht, um mich zurechtzufinden, sondern um mich in der Landschaft zu verlieren".

Roger Deakin: "Logbuch eines Schwimmers"
Aus dem Englischen von Andreas Jandl und Frank Sievers
Naturkunden bei Matthes & Seitz
387 Seiten, 38,00 Euro
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