Rockefellers Geschenk

Von Ralf Geißler · 09.01.2011
Nur wenige Gebäude haben die moderne Architektur so stark beeinflusst wie das Hauptquartier der Vereinten Nationen. 39 Stockwerke ragt es in den Himmel von New York. Ein schlichter, schlanker Betonbau mit einer Fassade aus türkisfarbigem Glas, direkt am East-River gelegen. Am 9. Januar 1951 wurde das Gebäude eingeweiht.
Die UNO ist in die Jahre gekommen. Das sehen Besucher schon von weitem. Am Hauptquartier in New York sprießt Gras zwischen den Gehwegplatten, die Fassade hat schimmelige Stellen. Eine Zeitung schrieb, der Komplex sei das größte Wrack der Moderne. Dabei war die UNO einmal der ganze Stolz berühmter Architekten. Sie träumten von einem eleganten Bau, der allen Völkern gefallen sollte. Nicht zuletzt wegen dieses Anspruchs gab es lange Diskussionen, bevor die Vereinten Nationen am 9. Januar 1951 ihr Hauptquartier beziehen konnten.

Als die UNO 1945 in San Francisco gegründet wurde, hatten ihre Mitglieder an fast alles gedacht. Es gab eine 14 Kapitel umfassende Satzung und eine Hymne. Nur ein Haus für Gremien und Delegierte gab es nicht. Und so schwor der erste Generalsekretär Trygve Lie seinen Eid noch in der provisorisch hergerichteten Londoner Central Hall:

"Ich, Trygve Lie, schwöre feierlich, die Funktion, die mir als Generalsekretär anvertraut wurde, gewissenhaft, in Loyalität und mit Taktgefühl auszuüben."

Der Norweger Lie ahnte zu jenem Zeitpunkt schon, dass sein Schreibtisch einmal in Amerika stehen würde. Der US-Kongress hatte alle Nationen 1945 eingeladen, das UNO-Hauptquartier in den USA zu bauen. Ein Komitee begutachtete San Francisco, Chicago und Philadelphia. Doch überall waren die Grundstücke zu teuer. 1946 platzte in New York ein Bauprojekt in Manhattan. Daraufhin schenkte der Milliardär John D. Rockefeller dieses Areal der UNO, das so zum internationalen Territorium wurde.

"Das war eine außerordentlich unattraktive, sehr verschmutzte Gegend Manhattans, berüchtigt für ihre Schlachthöfe und Kraftwerke."

Der deutsche UNO-Sprecher Werner Schmidt führt heute regelmäßig Besucher über das Gelände.

"Und eines der Heizkraftwerke stand bis vor kurzem noch unmittelbar südlich von diesem Gebäude und bis weit in die 50er-Jahre wurde dieses Heizkraftwerk mit Kohle befeuert. Und wenn der Wind ungünstig stand, dann saugte die Ventilation der Vereinten Nationen den Kohlenrauch in dieses Gebäude."

Doch so schmuddelig die Gegend auch war, die UNO wollte sie aufwerten. Statt einen Wettbewerb auszuloben, berief sie ein Komitee, in dem elf Architekten aus aller Welt einen gemeinsamen Entwurf für ein Hauptquartier erarbeiten sollten. Geleitet wurde die Gruppe von dem Amerikaner Wallace Harrison. Doch schnell dominierte ein Schweizer die Debatten: der Star-Architekt Le Corbusier. Das heutige 39-stöckige Zentralgebäude mit der türkisfarbigen Glasfassade basiert zu weiten Teilen auf Corbusiers Ideen, die Harrison umsetzte.

Das UN-Gebäude hätte von einem Amerikaner niemals erdacht und von einem Europäer niemals gebaut werden können.

Schreibt der niederländische Architekt Rem Koolhaas.

Es handelt sich um eine Kollaboration nicht nur zweier Architekten, sondern zwischen Kulturen. Die wechselseitige Befruchtung von Europa und Amerika brachte einen Hybriden hervor, der ohne die Paarung beider Kontinente nie zustande gekommen wäre - so wenig enthusiastisch sie auch vor sich ging.

Als die UNO 1951 ihre Büros einräumte, gehörte das Gebäude zu den modernsten der Welt. Doch bald wurde es eng. Die Architekten hatten für weniger als 100 Mitglieder geplant, heute gehören der UNO fast doppelt so viele Staaten an. Für einen Erweiterungsbau fehlte allerdings das Geld. Es reichte viele Jahre noch nicht einmal für eine Sanierung. Schon 1999 klagte der deutsche Diplomat Karl-Theodor Paschke über die Baufälligkeit der Anlage.

"Vor zwei Jahren hat hier bei einem heftigen Sturm eine Hälfte des Daches des Versammlungsgebäudes schlicht abgehoben und musste dann wieder repariert werden. Aber auch das ist mehr oder weniger mit Teerpappe und Leukoplast geschehen, anstatt dass man es wirklich solide saniert hätte."

Erst im Herbst 2007 begannen die Sanierungsarbeiten am UNO-Hauptquartier. Seitdem wird Asbest entfernt, an einer neuer Heizanlage getüftelt und eine Fassade entworfen, die besser dämmt als die alte. Experten schätzen, dass die Sanierung bis 2015 dauern und zwei Milliarden Dollar kosten könnte. Ein kompletter Abriss mit anschließendem Neubau wäre billiger gewesen. Doch am Fundament der UNO wollte niemand rütteln.