Roboter in der Reha

Von Susanne Nessler · 09.10.2006
Bei der Rehabilitation sind Roboter gute Partner. Schlaganfallpatienten an der Charité in Berlin lernen mit ihrer Hilfe wieder eigenständiges Gehen. Bewegungsabläufe werden von Robotern exakt simuliert und zusammen mit dem Patienten trainiert.
Wenn Stefan Hesse seine Patienten bittet, sich ganz auf den Roboter zu verlassen, haben sie keine andere Wahl. Zuerst werden sie in einen Fallschirmgurt gehängt und dann in dicke Schneeschuhbindungen eingespannt.

"Der Gurt dient zum Ausgleich eines gestörten Gleichgewichtes. Gleichzeitig kann ein Teil des Körpergewichtes abgenommen werden, weil während des Gehens müssen sie ihr Körpergewicht zu 80 Prozent der Zeit auf einem Bein balancieren. Und wenn sie eine Lähmung haben sind sie zu schwer, vielleicht haben sie noch ein, zwei Kilo zuviel auf den Rippen, entsprechend machen wir sie leichter."

Jedes Jahr erleiden circa 300.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Während der Attacke wird das Gehirn nicht mehr ausreichend durchblutet. Danach fällt vielen Patienten oft das eigenständige Bewegen und Gehen schwer. An der Technischen Universität Berlin testet eine kleine Gruppe Schlaganfall Patienten mit Gehschwierigkeiten seit kurzem einem speziellen Roboter.
Noch steht die Maschine in der Werkshalle des Instituts für Ingenieurswissenschaften. Die Patienten werden zum Training im Rollstuhl in die riesige Forschungshalle der Techniker gebracht. Zwischen Waschmaschinenwiederverwertungsanlagen und Industrierobotern lernen sie wieder Laufen.

"Das ist ein Forschungsprototyp in dieser Phase, ein Robotersystem das beliebige Gangbewegungen ermöglicht. Was wirklich die Dynamik des Menschlichen Ganges bei beliebigen Laufbewegungen, sei es Laufen in der Ebene, sei es Treppen steigen aufwärts, abwärts, stolpern, ausrutschen - also auch irreguläre Gangbewegungen mit simulieren können. "

Heute steigt der Arzt Stefan Hesse selbst in die Maschine. Er hängt frei schwebend im Fallschirmgurt an einer Stange, seine Füße stecken festgezurrt in Skibindungen und werden über zwei große Antriebsschienen bewegt. Ohne dass der Arzt sich von der Stelle bewegt, zeigt ihm der Roboter den richtigen Weg. Stefan Hesse ist jetzt auf dem Weg nach oben und kommt ein wenig ins schnaufen.

"Das ist wesentlich anstrengender, weil ich jetzt bergauf gehe und das bedeutet eben auch für meine Oberschenkelmuskulatur viel mehr Einsatz. "

Entwickelt hat den Laufroboter Henning Schmidt. Er ist Ingenieur. Über ein Computerprogramm steuert er das Laufen. Ob es aufwärts, abwärts oder über eine Bordsteinkante geht, berechnet die Software. Sogar das Stolpern und auch Ausrutschen auf glatten Böden oder auf einer Bananenschale kann man mit dem Roboter üben, ohne dass sich die Patienten von der Stelle bewegen oder gar hinfallen.

"Sie haben ja eine geführte Bewegung und wenn sie auf der Bananenschale ausrutschen, haben sie eine plötzliche Beschleunigung des Fußes nach vorne. Und das ist für den Ingenieur überhaupt keine Schwierigkeit diese Bewegung der Fußplatte zu programmieren und den Maschinen den Befehl zu erteilen so jetzt schleuder die Fußplatte nach vorne wie beim Ausrutschen auf der Banane. "

Wer weiß wie er fällt, trainiert gleichzeitig Stürze zu verhindern. Die Maschine führt die Muskeln und bringt so dem Gehirn die vergessenen Bewegungsabläufe wieder bei, sagt Stefan Hesse.

Das was der Roboter tut, machen Physiotherapeuten täglich in ihrer Praxis. Sie üben mit Patienten das Gehen. Sie setzen per Hand einen Fuß vor den anderen, um die Bewegung zu trainieren. Mit dem Roboter gelingt das exakter, die Laufbewegung ist immer zu 100 Prozent dieselbe. Diese Genauigkeit erleichtert das Lernen. Denn die Bewegung kann häufiger und kontinuierlich geübt werden. Für den Physiotherapeut ist der Roboter eine Hilfe, er betreut weiterhin den Patienten.

"Eine Maschine wird nie einen Menschen ersetzen können, eine Therapie lebt von der Interaktion zwischen Patient und Therapeut. Diese Maschinen sollen die Therapie ergänzen, indem sie eine nachvollziehbare Bewegung wiederholt erlauben."

Diese können ganz konkret auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten werden. Der nächste Schritt wird sein, den Roboter mit einer speziellen Brille zu verbinden. Sie soll dem Patienten den Raum zeigen durch den er läuft, sagt Stefan Henning.

"Das ist eine konkrete Idee, die wir haben, dass man nicht irgendeine Landschaft hier einblendet, sondern zum Patienten nach Hause geht, quasi seine häusliche Umgebung mit der Videokamera aufnimmt. Also reinkommt ins Erdgeschoss, hoch geht die Treppe in den ersten Stock, ins Badezimmer reingeht ins Schlafzimmer reingeht, ins Wohnzimmer geht in die Küche, diese ganzen Aufnahmen hat, sie ihm in der Brille einspielt auf der Maschine und ihn diesen Trainingsparcour dann durch laufen lässt."

Treppen, Türschwellen oder Teppichkanten, die den Patienten zuhause erwarten, lernt dieser schnell wieder über die virtuelle Animation zu meistern. Zusätzlich misst der Computer bei jedem Training die genauen Bewegungsdaten und kann so das Trainingsprogramm immer wieder individuelle verändern.

Seit sechs Jahren arbeiten der Stefan Hesse und Henning Schmidt gemeinsam an der Entwicklung des Laufroboters. Eine erste klinische Studie hat gezeigt, dass mit dem Roboter die Rehabilitation tatsächlich schneller gelingt. Satt sechs Wochen, brauchen die Patienten nur noch drei bis vier Wochen, um wieder auf die Beine zu kommen.