Roboter für den Rettungseinsatz, Hausgebrauch und Fußballplatz

Von Michael Engel · 04.04.2011
Vor zehn Jahren standen die Fußball-Roboter mehr, als dass sie spielten. Inzwischen klappt es auch mit dem Kombinationsspiel, wie bei den 10. Robotermeisterschaften in Magdeburg deutlich wurde. Neben kickenden Robotern traten auch Service-Roboter und Rettungsroboter im Wettbewerb an.
Torjubel in Halle 2 der Magdeburger Messe. Wenn die Roboter ein Tor schießen, dann freuen sich auch Ines und Sandra Frei. Beide tragen gelbe T-Shirts, und auch sonst sehen sie sich sehr ähnlich. Kein Wunder – bei eineiigen Zwillingen. Und da erscheint es fast schon logisch, dass sich beide Schülerinnen aus Stuttgart auch für Roboter interessieren. Sandra Frei:

"Man will es am Ende ja testen. Wir hatten jetzt relativ lange Zeit. Wir sind seit September dran. Wir haben verschiedene Roboter gebaut, verschiedene Versionen. Und man will am Ende ja auch wissen, wie gut man ist, wie gut die anderen sind, was es halt wirklich ausmacht - unsere Roboter -, wo man sie vielleicht auch noch verbessern kann."

650 Schülerinnen und Schüler sind zu den Wettkämpfen nach Magdeburg gekommen. So viele wie nie zuvor. Für die Jugendlichen ist der Wettkampf mit den selbst entwickelten Robotern einfach nur faszinierend. Und vielfach werden hier auch die Weichen für das spätere Berufsleben gestellt, so der Physiklehrer Dr. Winfried Schmitz von der CJD-Christophorus Schule Königswinter:

"Ich habe jetzt Erfahrungen über zehn Jahre Robotics in meiner Schule. Und alle Schüler, die durch meine AG gelaufen sind und die an solchen Wettbewerben – Robocup und ähnliche – teilgenommen haben, studieren heute in MINT-Fächern zu 90 Prozent. Der eine oder andere wird Rechtsanwalt oder Politologe, aber das schadet nichts. Da haben wir dann auch ein paar Leute, die von Naturwissenschaften eine Ahnung haben."

MINT – das bedeutet Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik; Gebiete also, in denen es seit Jahren an Fachkräften mangelt. Indes, wundert sich Lehrer Winfried Schmitz, kommt von der Wirtschaft kaum Hilfe, obwohl er händeringend danach sucht.

"Und da würde ich mir wünschen, dass die Lokalindustrie auch viel eher anspricht und sagt: Kinder, die was erreichen, die sich einsetzen, die müssen wir fördern und denen geben wir ein gewisses Budget, um an solchen Wettbewerben teilzunehmen."

Ähnliche Erfahrungen macht auch Dr. Ansgar Bredenfeld – der Organisator der "Robocup German open". Zweimal wurde der Informatik-Nachwuchs auf die Industriemesse nach Hannover geholt. Dann cancelte die Messe AG den Fünfjahresvertrag, weil es 2009 gerade nicht gut lief mit der Wirtschaft. Dabei ist hier die Zukunft der Informatik versammelt, betont Dr. Ansgar Bredenfeld:
"Wir haben im Umfeld von Robocup sehr viele wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten. Wir haben die Teams jetzt mal befragt. Und wir haben circa 25 Promotionen, die jetzt von den Teams, die jetzt hier sind, schon abgeschlossen. Und wir haben an laufenden Promotionen sicherlich noch mal den gleichen Anteil."

Vor zehn Jahren – als alles anfing, verharrten die Roboter häufig auf der Stelle. Und wenn tatsächlich mal ein Tor fiel, dann häufig aus Versehen, noch dazu ins eigene Tor. Heute ist das Spielfeld ein richtiger Fußballplatz in der Halle, die Maschinen entwickeln ein irrwitziges Tempo. Die Begeisterung ist groß.

Torjubel in Halle 3 – bei den "humanoiden" Robotern. Sie laufen auf zwei Beinen und üben sich dabei im Kombinationsspiel. Weit über 1000 Teilnehmer kamen nach Magdeburg: neben Jugendlichen auch 370 Studierende. Kicken ist dabei nicht das einzige Thema. In der Halle 1 erkundet ein Roboter auf Rädern ein Labyrinth aus Sperrholzplatten.

Überall liegen Puppen herum, die mathematisch klingende Laute von sich geben und in Wärmedecken gehüllt sind. Die Puppen symbolisieren menschliche Opfer, die mit Hilfe von Wärmebildkameras und Schalldetektoren ausfindig gemacht werden sollen. Kai Renken von der Uni Paderborn entwickelt solche "Rettungsroboter" und ist überrascht über die große Zahl von Zuschauern. Wahrscheinlich, rätselt der Informatik-Student, liegt das an "Fukushima", wo Rettungsroboter zum Einsatz kommen sollen.

"Wir konnten feststellen, dass das Interesse an dieser Liga schon mal gestiegen ist durch die aktuellen Ereignisse und mehr Zuspruch vom Publikum und von der Öffentlichkeit. Jetzt wäre natürlich zu hoffen, dass die Forschung weiter gefördert wird und mehr Universitäten sich dem Thema widmen und dann weiter investiert wird in diesem Bereich."

Quasi im Vorbeifahren scannen Laserkameras das verwinkelte Labyrinth und entwerfen einen Lageplan, der auf einem großen Monitor über der Arena angezeigt wird. Gewinner ist, wer die meisten Puppen detektiert und ihre Position präzise lokalisiert. Mit dabei: Torsten Graber von der TU Darmstadt, der weit über den spielerischen Einsatz hinaus denkt.

"Ja, auf jeden Fall ist es eines der Hauptanwendungsgebiete, Roboter in die Gegenden zu schicken, die für den Menschen entweder zu schwer zugänglich sind oder zu gefährlich sind aufgrund radioaktiver Verstrahlung oder aber auch Gebäude, die vielleicht teilweise zerstört sind, die einstürzen könnten. Und genau das sind die Themengebiete, mit denen wir uns hier beschäftigen."
Torsten Graber verknüpft seine Doktorarbeit mit dem Darmstädter Rettungsroboter. Mittlerweile sind schon acht Dissertationen entstanden, sagt der Maschinenbauer. Die Mühe hat sich gelohnt. Das Team der TU Darmstadt gewann die "RoboCup German open" in der Disziplin "Rettungsroboter" und damit auch ein Ticket zur Weltmeisterschaft in Istanbul.