Robin Ticciati

Der Neue fürs DSO schnuppert schon mal rein

Robin Ticciati wird Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin
Robin Ticciati wird Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin © dpa / picture alliance / Juan Herrero
Von Philipp Quiring · 10.01.2017
Robin Ticciati wird in Zukunft das Deutsche Symphonie-Orchester führen, sein offizieller Dienstantritt wird die Spielzeit 2017/2018 sein. Doch bis dahin ist er nicht tatenlos - schon jetzt arbeitet er mit dem Orchester.
"Ich erinnere mich besonders an den Moment, als ich da auf dem Podium stand, kurz vor dem Beginn von Bruckners Vierter Sinfonie. Ich blickte aufs Orchester und da war diese Stille. Eine Stille für die Musik, die mir so stark erschien, weil sie aus dem Herzen der Musiker kam."
Robin Ticciati erinnert sich an sein erstes Konzert als Gastdirigent mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Bruckners romantische Sinfonie und Brittens Cello-Sinfonie standen damals, 2014, auf dem Programm.
Die akribische Arbeit Ticciatis im Umgang mit dem Orchester - der für den tieferen Zugang zur Musik extra noch ein Studium der Musikwissenschaften in Cambridge absolvierte – hinterließ einen bleibenden Eindruck, sodass dass DSO nach Tugan Sokhiev wieder auf einen jungen Dirigenten setzt.

Jüngster Dirigent an der Mailänder Scala

Mit seinen 33 Jahren kann Ticciati schon auf eine über 10-jährige Karriere zurückblicken. Er wurde mit 22 Jahren zum jüngsten Dirigenten, der je an der Mailänder Scala den Taktstock in der Hand hielt. Mit Gastspielen ein Jahr später bei den Salzburger Festspielen und in den Jahren darauf bei weltweit bedeutenden Klangkörpern wie dem Amsterdamer Concertgebouw oder dem Leipziger Gewandhaus nahm seine Karriere weiter an Fahrt auf.
Nun also bald Chefdirigent mit 33 beim DSO.
"Ich denke nicht so sehr ans Alter. Wichtig ist doch das Verhältnis zur Musik. Vielleicht ist der richtige Zeitpunkt mit 50 oder 70. Vielleicht aber auch mit 23 oder 24. Da gibt es keine Regel. Bin ich jung, bin ich alt? Ich denke darüber nicht nach. Ich denke nur an den Moment: Jetzt bin ich hier, und was ist da unser Ziel, was tun wir gemeinsam für die klassische Musik, die für das Leben der Menschen so wichtig ist? "
Der Rundfunkmitschnitt von Bruckners Vierter Sinfonie ist einer von zweien, die vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und Ticciati existieren. In der Jesus-Christus-Kirche in Dahlem entstand vergangene Woche eine weitere Aufnahme. Claude Debussys "Ariettes oubliées" nach Gedichten von Paul Verlaine – gesungen von Magdalena Kožená - sollen mit dem Amtsantritt im September als erste gemeinsame CD-Produktion veröffentlicht werden. Für Robin Ticciati hat seine Cheftätigkeit schon vor dem offiziellen Auftakt begonnen.
"Das DSO ist vor allem für seinen Publikumskontakt und seine gewagten programmatischen Ideen bekannt – mit allen Arten von Musik. Es ist ein Orchester mit einer chamäleonartigen Qualität, das seine Erscheinung verändert. Das ist etwas, was für mich sehr wichtig ist."
Die programmatische Grund-Ausrichtung des DSO wird Ticciati mit seiner Arbeit fortführen. "He is a 'Mensch'" sagte Simon Rattle über Robin Ticciati. Während der Produktion in Dahlem wird klar, welche Charakterzüge Rattle damit wohl gemeint hat. Ticciati wirkt zunächst eher zurückhaltend und nachdenklich. Er lässt sich auf knappe Diskussionen ein und berücksichtigt Wünsche der Musiker - ohne dabei die Führung zu verlieren.

Säuretropfen ins Programm geben

Er wird aber auch eigene programmatische Ideen mit einfließen lassen, wie in das Konzert kommenden Freitag. Neben der Rheinischen Sinfonie von Schumann und dem Violinkonzert von Elgar – gespielt von Renaud Capuçon – steht mit "Near Midnight" ein eher unkonventionelles Stück von Helen Grime auf dem Programm.
"Welche 'Säuretropfen' kann ich in das Programm geben. Helen Grimes Musik ist da fantastisch. Webern hat gesagt, dass auch Zwölftonmusik mit extremer Romantik gespielt werden muss. Atonalität bedeutet also nicht, dass die Noten nicht mit Romantik angereichert werden können. Romantik bedeutet hingegen nicht durchgehend tonale Harmonik. Es hat mehr mit einer Haltung gegenüber der Musik, einem Stil und einem Ansatz zu tun.

Moderne Tonsprache gepaart mit romantischer Seele: Die schottische Komponistin Helen Grime wird dank Ticciati auch in Zukunft in den Programmen des DSO zu finden sein, in seiner ersten Saison oder ein Jahr später dann mit einer Auftragskomposition. So weit einige Enthüllungen von Robin Ticciati vorab, der sich als Chef des Scottish Chamber Orchestra und als Musikdirektor des Glyndebourne Festival Opera vor allem darauf freut, mit dem Deutschen Symphonie-Orchester die großen sinfonischen Werke anzugehen.
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