Robin McKelle: "The Looking Glass"

Verletzlichkeit und Leidenschaft

Robin KcKelle
Die US-Amerikanerin Robin McKelle © Laurent Koffel
Von Matthias Kirsch · 21.03.2016
Zehn Jahre nach ihrem Debüt zeigt sich Robin McKelle auf ihrem sechsten Studioalbum gereift. Auf "The Looking Glass" finden sich einige Ohrwürmer, die sie alle selbst geschrieben hat - und viel Emotion.
"Nachdem die Songs alle fertig waren, rückblickend, realisierte ich dass es tatsächlich ein Thema gab: Es ging um Beziehungen. Es sind nicht unbedingt Liebeslieder, aber es sind Lieder über Beziehungen. Mit anderen Leuten, mit mir selbst. Interne Kämpfe. Sehr persönliche Geschichten. Es gab eine Menge Höhen und Tiefen während des Schreibens."
Auch wenn Robin McKelle sich auf ihrem neuen Album – zumindest oberflächlich - noch weiter vom Jazz entfernt hat, als es sich zuletzt schon angedeutet hat, merkt man doch noch, woher die Sängerin kommt: Ihre Haltung, an die einzelnen Songs heranzugehen, ist stark vom Jazz geprägt. Und unterstützt von ihrem Produzenten Steve Greenwell - setzt Robin McKelle besonders auf die Natürlichkeit ihrer Stimme.
"Mit diesem Album lernte ich eine Menge über meine Stimme. Steve ist sehr wählerisch. Er half mir, mein lautes oder zu kraftvolles Singen herunterzufahren. Im Studio war das nicht nötig. Ich klinge tatsächlich voller, wenn ich nicht zu laut singe. Man hört den natürlichen Sound der Stimme in Kombination mit den Gefühlen. Da machte ich einige Schritte zurück, aber auch viele Schritte nach vorne. Es ist gut daran zu denken dass man immer noch sehr viel lernen kann."
Die Natürlichkeit, die Klarheit und die Reduziertheit – alles Dinge, die Robin McKelle in ihrer Stimme neu entdeckt und verinnerlicht hat, wurden auch in die komplette Produktion des neuen Albums übertragen. Produzent Steve Greenwell - der zuvor erfolgreich mit Musikern wie Nile Rodgers und Joss Stone zusammen gearbeitet hat sorgt für einen aufgeräumten Sound, der ziemlich perfekt zu McKelle's Stimme, ihren neuen Songs und den darin enthaltenen Geschichten passt.

Zehn selbstgeschriebene Songs

"Es gibt diesmal nicht so viele Instrumente – und es ist ziemlich reduziert im Vergleich zu meinen letzten Alben mit vielen Bläsern und Streichern. Es ist ein eher schmalerer, intimerer Sound. Die Geschichten, die ich erzähle sind definitiv persönlich und intim und ich spielte auch mit Sounds in meinem Kopf, was ich vorher nicht gemacht hatte."
Das neue Album von Robin McKelle entstand zum Teil mit Hilfe ihrer Fans. Auf McKelles Webseite konnte man durch eine sogenannte Pledge-Kampagne gegen einen kleinen Obulus schöne Dinge erwerben: eine Skype-Unterrichtsstunde zum Beispiel, VIP-Pakete oder einfach nur eine Postkarte von unterwegs - und so die Album-Produktion unterstützen.
Die zehn selbstgeschriebenen Songs von Robin McKelle wurden dann schließlich mit Musikern eingespielt, die im Funk-und im Soul verwurzelt sind und die sich in der Regel mit Berühmtheiten wie Prince, Sharon Jones oder Lenny Kravitz Studio und Bühne teilen. Nicht zuletzt dadurch wirkt das Ganze, als sei eine Jazzsängerin auf dem Weg zum Retro-Soul. Aber ganz so einfach sei es dann doch nicht, betont Robin McKelle.

Einige schöne Orwürmer

"Ich bin Pianistin. Viele der Songs sind ein wenig im Stil der 70er Jahre Songwriter gehalten. Carole King, Elton John - ich schreibe in etwa in diesem Stil. Die Herausforderung war es aber, einen frischeren, moderneren Sound reinzubringen so dass es nicht wie ein Retroalbum klingt. Ich wollte meine Musik mehr nach vorne bringen. Sie sollte nicht nach Old School oder Retro Soul klingen, sondern frischer."
Ob ihr das tatsächlich gelungen ist, darf man an manchen Stellen zumindest in Frage stellen. In jedem Fall öffnet sich Robin McKelle auf ihrem neuen Album weiteren Möglichkeiten, sich auszudrücken. Sie hat auf "The Looking Glass" einige schöne Ohrwürmer geschrieben und präsentiert sich dabei - mit ihren mittlerweile 39 Jahren - als eine reflektierte Persönlichkeit. Und egal, wie man ihre Musik nun nennt, ob Retro-Soul, Pop oder oder doch Souljazz: Die Sängerin scheint nach einer langen Reise – zehn Jahre nach ihrem Debüt – nun tatsächlich zu sich selbst gefunden zu haben. Und der Leidenschaft und der Verletzlichkeit, die in ihren Songs stecken, kann man sich ohnehin nicht entziehen.
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