Robert Fleck: "Kunst und Natur"

Hundertwasser schönte die Natur

Innenaufnahme der einzigartigen Toilette in der kleinen neuseeländischen Stadt Kawakawa am 15.1.2000. Nicht nur der unvergleichliche Meerblick, sondern auch die Gestaltung der Örtlichkeit duch den Wiener Künstler Friedensreich Hundertwasser mit farbigen Keramikkacheln und Balkenkonstruktion haben die Toilette zur Touristenattraktion werden lassen.
Blick in die Hundertwasser-Toilette im neuseeländischen Kawakawa © picture alliance / dpa
Von Eva Hepper · 20.09.2016
Die Natur sei die einzige Instanz, die Mensch den schönen Weg weisen kann - davon war Hundertwasser überzeugt. Robert Fleck hat über das Werk des Künstlers ein Buch geschrieben. Fasziniert ist Fleck vor allem von der ökologischen Bauweise Hundertwassers.
Mit dem Professor kamen die Pflanzen. Nicht nur kleine Gewächse, ganze Bäume brachte Friedensreich Hundertwasser nach seiner Berufung 1981 mit an die Wiener Akademie. Seine Arbeitsräume wurden zu Oasen und in seinen Richtlinien für die "Meisterschule Hundertwasser" schrieb der Künstler von der Natur als der "einzigen schöpferischen Instanz, die uns den schönen Weg weisen kann". Die Pflanzen würden den Kunststudenten mehr beibringen als der Lehrer.
Tatsächlich spielten Bäume und Pflanzen eine zentrale Rolle im Werk des 1928 als Friedrich Stowasser geborenen Malers und Architekten. Berühmt geworden durch seine Verachtung der geraden Linie und der funktionellen Architektur (Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur, 1958) plädierte der Wiener zeitlebens für eine an der Natur orientierte Lebens- und Bauweise und propagierte die "vegetative Malerei".

Erste umfassende Monografie

Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis seines Denkens und Handelns ist – neben den weltweit realisierten Bauwerken und Gemälden – vor allem ein 400 Hektar großes Gelände, das der Künstler 1976 in Neuseeland erwarb: das Kaurinui-Tal an der Bay of Islands. Sechszehn Jahre nach dem Tod Hundertwassers widmet der Kunsthistoriker Robert Fleck diesem Ort nun eine erste umfassende Monografie.
Der an der Düsseldorfer Akademie lehrende Kunsthistoriker und Kurator skizziert das "Lebensprojekt" des Künstlers als natürliches Großlabor und Experimentierfeld für seine malerischen, architektonischen und ökologischen Visionen. Im Kaurinui-Tal pflanzte Hundertwasser mit über 100.000 Bäumen nicht nur einen Urwald, er baute auf seinem Land auch (berühmt gewordene) Häuser, die sich perfekt in die Natur einpassten. Zudem schuf er dort zentrale Werke und entwickelte unter anderem die Richtlinien für die Wiener "Meisterklasse Hundertwasser".

Dschungel als realisierte Utopie

Robert Fleck zeigt sich durchweg als Begeisterter. Fast ehrfurchtsvoll beschreibt er den in allen Grüntönen schimmernden Urwald, in dem kein zivilisatorisches Geräusch zu vernehmen ist. Auch ist er fasziniert von der ökologischen Bauweise Hundertwassers, etwa dem aus einem Kuhstall hervorgegangenen Bottle-House (die Außenwände bestehen zum Teil aus Glasflaschen) mit Pflanzendach, Humustoilette und Self-Made-Möbeln. Und wenn der Autor schließlich wichtige Gemälde interpretiert, wird die von Hundertwasser gelebte Verbindung von Kunst und Natur augenfällig.
So gelingt dem Kunsthistoriker mit seiner eindrücklichen Beschreibung des Kaurinui-Tals zugleich ein umfassendes Porträt Hundertwassers und seines malerischen und architektonischen Werks. Fleck zeigt nicht nur, dass zentrale Ideen Hundertwassers in Neuseeland buchstäblich gewachsen sind, sondern beschreibt seinen von 1976 bis 2000 gepflanzten "Dschungel" als "realisierte Utopie" und konkrete "Umwandlung der Wirklichkeit". Damit rehabilitiert er den zu Lebzeiten auch oft angefeindeten Maler ("Fassadenguru") als radikalen Visionär, dessen ästhetische Ökologie gerade heute hochaktuell wirkt. Eine interessante Wiederentdeckung!

Robert Fleck: Kunst und Natur.
Hundertwasser, Neuseeland und der Entwurf einer ästhetischen Ökologie
Editionen Konturen - Mediendesign Dr. Georg Hauptfeld, Wien 2016
200 Seiten, 24,90 Euro

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