Robbe: Deutschland sollte sich an Militärschlag gegen Iran nicht beteiligen

Reinhold Robbe im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 03.08.2012
Der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, lehnt im Falle eines Militärschlags Israels gegen den Iran eine militärische Einmischung Deutschlands ab. Dass die Israelis wenig Vertrauen in Verhandlungen hätten, könne er aber zu einem gewissen Grad verstehen.
Korbinian Frenzel: Es brodelt im Nahen Osten, und zwar nicht nur in Syrien, sondern auch auf der altbekannten Konfliktlinie der Region, der um Israel. Die Regierung von Benjamin Netanjahu hat diese Woche noch einmal klargestellt, sein Land wird den Iran vom Bau der Atombombe abhalten. Und zwar notfalls mit einem Militärschlag. Das sagen die USA zwar mittlerweile auch, US-Verteidigungsminister Panetta hat das bei seinem Besuch in Israel erklärt, aber sie meinen es nicht so. Die USA wollen nicht kämpfen, sie wollen verhandeln mit dem Iran. Es ist eine Kontroverse zwischen Verbündeten, in die auch Deutschland unweigerlich gerät. Wo stehen wir, wo sollten wir stehen – Reinhold Robbe ist jetzt mit mir verbunden, Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, guten Morgen, Herr Robbe!

Reinhold Robbe: Ja, guten Morgen, Herr Frenzel. Ich grüße Sie.

Frenzel: Israels Regierung will notfalls ohne Unterstützung der USA gegen den Iran vorgehen. Wo steht Deutschland dann?

Robbe: Ja, das ist eine zentrale und wichtige Frage, die ja auch in unserer Innenpolitik immer wieder eine Rolle spielt. Wenn es nämlich um die Frage geht, was es denn eigentlich heißt, wenn wir ein besonderes, der Bundespräsident hat gesagt, ein einzigartiges Verhältnis mit Israel haben und wenn vor allen Dingen die Frage aufgemacht wird, was es bedeutet, wenn die Kanzlerin davon spricht, dass die Sicherheit Israels auch ein Teil der deutschen Staatsräson heißt.

Frenzel: Und wie beantworten Sie diese Frage, Herr Robbe?

Robbe: Es ist weniger interessant, wie ich selber diese Frage beantworte, sondern wie unsere Bundesregierung diese Frage beantwortet und unser Parlament. Denn da gibt es ja ganz unterschiedliche Auffassungen und auch unterschiedliche Einschätzungen. Manche sagen, das habe dieselbe Qualität wie die Bundesverpflichtung, die wir zum Beispiel aus der NATO ableiten. Andere sagen also, nein, nein, das kann auf gar keinen Fall sein. Im Falle einer militärischen Intervention könne Deutschland auf gar keinen Fall in irgendeiner Form militärisch eingreifen. Ich neige eher der zweiten Variante zu, persönlich in meiner Einschätzung. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Deutschland in irgendeiner Weise militärisch mit dabei wäre, wenn es zu einer, was ich nicht hoffe und was, glaube ich, niemand sich im Moment vorstellen kann, wenn es zu einer militärischen Intervention von Israel im Iran käme.

Frenzel: Muss dann die deutsche Aufgabe dann in erster Linie zurzeit darin liegen, Israels Politik von diesem Alleingang abzuhalten?

Robbe: Wir dürfen uns in Mitteleuropa und auch in Deutschland nicht dem Trugschluss hingeben, dass die Israelis von einer einzelnen Nation oder auch von der Europäischen Union in ihrer Absicht in irgendeiner Weise beeindrucken ließen. Das ist meine ganz feste Überzeugung. Daran ist insbesondere die Europäische Union auch ein Stück weit selber schuld. Denn man darf ja nicht verkennen, aus israelischer Sicht sind sie immer wieder enttäuscht worden. Das gleiche gilt im Übrigen auch für die Vereinten Nationen. Das kann man jetzt auch daran erkennen, dass Annan zurückgetreten ist von seiner Mission, dass er keine Möglichkeit sieht, im Syrien-Konflikt in irgendeiner Weise noch tätig zu sein oder etwas ausrichten zu können …

Frenzel: Lassen Sie uns über Kofi Annan reden, diesen überraschenden Rückzug. Israel ist ja sowieso schon besorgt um die Umwälzungen um sich herum, in den Ländern um sich herum. Was bedeutet dieser Rückzug, auch gerade auch für Israel?

Robbe: Es ist wieder einmal eine Bestätigung dessen, was die Israelis schon seit Jahrzehnten praktisch erkennen, dass sich in den Vereinten Nationen, ja, wenn Sie so wollen, ein schleichender Prozess entwickelt hat, der immer Israel als den großen Buhmann identifiziert, ganz egal, um was es geht. Und Israel sitzt ständig auf der Sünderbank. Bitte nicht missverstehen, es gibt auch einzelne Themen, die sicher auch in den Vereinten Nationen zu Recht thematisiert wurden, auch bei uns zu Recht thematisiert werden, das ist überhaupt keine Frage. Israel ist eine Demokratie, und selbstverständlich müssen all die Dinge, die kritikwürdig sind, auch entsprechend thematisiert werden. Aber wir dürfen nicht verkennen, dass die Staaten mit islamistischem Hintergrund zunehmen und auch alle ihre Möglichkeiten nutzen, innerhalb der UN die Instrumente, sag ich mal, nutzen, die sich anbieten, und die richten sich, wie gesagt, immer gegen Israel.

Frenzel: Ist denn das, was Kofi Annan bemängelt hat, eben der mangelnde Rückhalt, wenn auch nun nicht konkret auf Israel in dieser Frage bezogen, aber doch generell ein Problem, wenn man auf Israel in dieser Situation guckt? Die Kriegsrhetorik, die dort gefahren wird gegen den Iran. Ist Israel nicht ein zündelnder Staat, zumindest von der Rhetorik her, in der Region?

Robbe: Sie müssen sich dann auch die konkrete Bedrohung anschauen. Nicht wir in Berlin oder in Paris oder in London sind bedroht von den iranischen Scud-Raketen, die auch mit allen möglichen Sprengköpfen ausgerüstet werden können, sondern das ist nun mal in erster Linie Israel. Und das Gleiche gilt für das originäre Nachbarland Syrien, die auch über diese Raketen verfügen und die auch über chemische Waffen verfügen. Israel befindet sich in einer selten bedrohlichen Situation, und alle diese Dinge zusammengenommen führen dann natürlich auch zu einer Außenpolitik. Ich will ja nicht sagen, dass es immer auch unter diplomatischen oder politischen Gesichtspunkten die einzig richtige Antwort ist auf die vielen offenen Fragen, aber verstehen kann man es schon, wenn Israel anders reagiert, als wir es hier im sicheren Mitteleuropa tun.

Frenzel: Reinhold Robbe, Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Robbe: Gerne!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema