Roadkill Cafe

03.03.2007
Das Fernsehen hat seine Familie an Koch- und Nanny-Sendungen um eine "naturbelassene" Attraktion erweitert: das "Roadkill Cafe". In der neuen Show will die BBC den Briten Fleisch schmackhaft machen, das so gesund und moralisch sauber ist, dass es sogar Vegetarier essen können.
Nun hat Fregus Drennan, der neue Star am Küchenhimmel, auch schon den ersten Preis für sein "Cafe" eingefahren. Die Tierschutzorganisation PETA zeichnete seine Art zu kochen mit dem Preis für die "Ethische Küche" aus.

Hintergrund: Fergus Drennan ist ein Pilze-, Kräuter- und Algensammler, der seine Fundstücke an "Spitzenköche" wie Jamie Oliver verhökert. Im Rahmen seiner langjährigen Sammeltätigkeit stolperte er oft genug über überfahrenes Wild. Nun zeigt er im TV, wie man platt gefahrene Igel, Füchse, Dachse oder von Autos vorzerkleinerte Eichhörnchen zu Klopsen an Pfefferminzsößchen verarbeitet. Sich selbst bezeichnet Drennan als "Vegetarier". Schließlich sei das Fleisch überfahrener Tiere "nicht in meinem Auftrag getötet".

Drennan glaubt, mit dieser Praxis eine alte Tradition britischer Köche zu neuem Leben erweckt zu haben: Schließlich sei sein Speiseplan der Lebensweise seiner Vorfahren abgeguckt. Überfahrenes Wild sei allemal gesünder als die nährstoffarme Wurst vom Metzger: "Es stammt nicht aus Mastfabriken und ist auch nicht mit Antibiotika voll gepumpt". Verkehrstote Hasen oder Frösche seien im Gegensatz dazu "frisch, regional, saisonal und nährstoffreich". Das vegetarische Potenzial ist nach seinen Berechnungen riesig: Jahr für Jahr kommen auf britischen Straßen zehn Millionen Vögel, 50.000 Dachse und 20.000 Füchse unter die Räder. Das gibt ein Festmahl!

Und wo ist das Problem? Woran erkennt der Starkoch, dass das Aas, das er am Wegesrand findet, tatsächlich frisch ist und nicht anderweitig verendete? Ganz einfach: Wenn aus dem Kadaver die Maden heraus kriechen, ist das nach den Erkenntnissen Drennans "ein schlechtes Zeichen". Auch sollte es, so der Starkoch, selbst bei kühler Witterung nie länger als drei bis vier Tage herumgelegen haben – was allerdings nicht ganz einfach feststellbar sein dürfte, schließlich trägt das Tier weder eine Totenschein noch Mindesthaltbarkeitsdatum. Insofern wäre eine reguläre Fleischbeschau vielleicht doch keine schlechte Idee. Wer weiß, ob der Fuchs beispielsweise an einer Vergiftung verendete – eine gar nicht so seltene Todesursache bei Wildtieren. Nicht nur weil sie versehentlich Rattengift fressen, sondern weil nicht alle Landwirte die manchmal erheblichen Wildschäden nicht tolerieren mögen. Auch Jäger vergiften schon mal vierbeinige Konkurrenten, ohne dass dies vom Gesetz gedeckt und von einem Gericht geahndet würde.

Daneben gibt es bei Wildtieren zahlreiche Infektionskrankheiten und Parasitosen, die für den Menschen höchst gefährlich werden können. Egal ob Tollwut, BSE-Varianten oder Bandwurm, über kurz oder lang ist das Roadkill Cafe ein Spiel mit dem Tod. Wald, Feld und Flur sind keine Orte der Glückseligkeit, sondern unterliegen dem Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens. Da geht es ziemlich ruppig zu. Und die Natur ist voller Tücken, die man kennen sollte.

Und wo bleibt die Ethik? Die meisten überfahrenen Tiere sind nicht gleich tot, sondern verenden erbärmlich im Unterholz. Es ist oftmals ein tagelanger Todeskampf. Wie das als Argument für den Tierschutz taugen soll, ist mir schleierhaft. Da führt selbst eine Hetzjagd zu einem schnelleren und weniger qualvollen Tod. Ganz zu schweigen von einem modernen Schlachthof.
Wir sehen daran, dass unsere Vorstellungen von "Natur" und dem was wir als "widernatürlich" empfinden bereits reichlich weltfremd um nicht zu sagen pathologisch sind. (Und man mag fragen, wer diese obskuren Vorstellungen gesorgt hat. Das sind nicht nur die Medien, sondern gleichermaßen die Marketingspezialisten, die Lebensmittelwerbung verbreiten – und ständig so tun, als kämen die Produkte allesamt von Heidi und ihrem Almöhi.)

Fazit: Roadkill Cafe ist Wahnsinn mit Methode. Eine Gesellschaft fordert von der Land- und Lebensmittelwirtschaft Sicherheit bis ins letzte Detail. Die Natur wird als gütige, alles heilende Mutter angesehen, in der es im Gegensatz zur Welt des Menschen nichts Böses gibt. Beim Landwirt leiden die Tiere, werden pervers gemästet, mit Medikamenten vergiftet und dann grausam im Schlachthof massakriert, während in freier Wildbahn das ewige Leben lockt, sofern die Bambis nicht unter die Räder der modernen Technik kommen.

Wenn völlig irrationale – aber aufgrund der Propaganda verständliche – Ängste bewirken, dass selbst im ungünstigsten Falle vergleichsweise harmloses Tiermehl nicht verfüttert werden darf, atmet die Gesellschaft auf, weil sie glaubt ein Restrisiko gebannt zu haben. Aber im Falle von Aas jubelt sie über gesunde Kost, ethisch wertvolles Verhalten und bescheinigt ihm gar vegetarische Qualitäten. Was regen wir uns eigentlich über Gammelfleisch auf? Europas Köche ziehen mit Drennan ins Narrenhaus um.