Ringvorlesung über "Böse Bücher"

Gegenkanon der Ratlosigkeit

Alte Bücher
Einen frischen Blick wirft die Ringvorlesung "Böse Bücher" auf längst erschienene Werke und folgt dabei einem bewussten Gegenentwurf © imago/UIG
Markus Krajewski und Harun Maye im Gespräch mit Frank Meyer  · 18.11.2016
Um "Böse Bücher" dreht sich eine Ringvorlesung an der Universität Basel. Ihre Initiatoren, die Medienwissenschaftler Markus Krajewski und Harun Maye, wollen damit vor allem Bücher behandeln, die den Leser moralisch ratlos machen und zum Nachdenken anregen.
Bei der Ringvorlesung über "Böse Bücher" an der Universität Basel soll es nicht etwa um gewaltverherrlichende, rassistische, oder gotteslästerliche Werke gehen. Einen Giftschrank für Leser hatten die Initiatoren und Medienwissenschaftler Markus Krajewski und Harun Maye nicht im Sinn. Vielmehr wollen sie eine solche Erwartungshaltung bewusst enttäuschen. Es sollen zwar Bücher vorgestellt werden, die als gefährlich galten oder immer noch gelten, die aber dennoch oder gerade deswegen eine genaue Lektüre verdienen. Im wöchentlichen Rhythmus stellen externe Gäste, zumeist Kultur- und Literaturwissenschaftler, ein Buch ihrer Wahl vor und zeigen auf, worin bei diesem Text die Probleme und das Gefahrenpotenzial liegen.

Verstörende Ereignisse und seltsame Helden

"Das wären Bücher, so haben wir es auf eine Formel gebracht, die teilweise nicht wissen, was sie wollen, teilweise aber auch nicht wollen, was sie wissen", sagte Maye im Deutschlandradio Kultur. Es handele sich um Bücher, in denen es verstörende Ereignisse gebe oder die Leser seltsamen Protagonisten begegneten und man am Ende der Lektüre immer noch nicht wisse, wie man sich dazu verhalten solle.

Gradwanderung zwischen Gut und Böse

Als Beispiele nannte Krajewski unter anderem den Roman "Kaputt" des italienischen Schriftstellers Curzio Malaparte, der 1944 erschien und aus Kriegsreportagen des umstrittenen Autors entstand. Darin werde eine Faszination für das Böse beschrieben. "Man sieht hier, dass der Autor selber offensichtlich eine Gradwanderung zwischen Gut und Böse vollführt, die je nach politischer Lage so oder so gelesen werden kann. Als weiteres Werk erwähnte Maye das Buch des südafrikanischen Schriftstellers J.M. Cotzee "Warten auf die Barbaren", das den Leser in eine zweifelhafte Lage versetze. "Es gibt keine eindeutige Perspektive, die der Erzähler dem Leser anbieten würde, aus diesem Dilemma herauszukommen", sagte Maye.

Eine andere Lesart

Die Idee sei auch gewesen, so etwas wie einen Gegenkanon zu schaffen, sagte der Medienwissenschaftler. Er richte sich gegen die in akademischen Kreisen beliebten Formate, wie "Das gute Buch" oder "Die besonders empfehlenswerte Leseliste", wo die Grenze zwischen Gut und Böse ebenso wie das moralisch korrekte sehr eindeutig verhandelt werde. "Wir glauben, dass es da auch noch eine andere Lesart gäbe." Vielleicht ist ja das "Böse Buch" das eigentlich gute Buch.

Curzio Malaparte, "Kaputt", Zsolnay Verlag Wien 2005, 25,90 Euro.

J.M.Coetzee, "Warten auf die Barbaren", Beck-Verlag, 9,90 Euro.

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