Rinderzucht in Tschechien

Ein Holländer und seine Öko-Herde

Rinderherde in Tschechien
Erfolgreiche Okö-Landwirtschaft in Tschechien. © Deutschlandradio / Foto: Peter Lange
Von Peter Lange · 24.08.2015
Auf der tschechischen Seite des Oberpfälzer Walds betreibt eine holländische Familie ein großes ökologisches Landgut mit Tourismus. Milire Estate heißt der Betrieb, der von den Niederländern nun schon in zweiter Generation bewirtschaftet wird. Und das mit Erfolg.
Mit dem Geländewagen geht es über schier endlose Wiesenhänge und Weiden so groß, dass sich eine Herde von über 100 Tieren fast verliert. Jolande Schlimmer, eine Frau Anfang 60, schlank, sportlich, braungebrannt und energiegeladen, will mir einen Teil ihre Rinder zeigen.
"Und Sie wissen genau, wo Sie die Kühe suchen müssen? Ja, die sind dort. Wir haben hier drei große Flächen, die nächste, da sind die Kühe."
Im Schatten einer Baumgruppe haben sie sich versammelt. Als wir anhalten und aussteigen, traben die Jungrinder erst einmal davon Dann machen sie halt und drehen sich neugierig zu uns. Ein schönes Bild für alle, die Kühe mögen.
"Guck mal, das ist auch ein sehr schöner Stier. Da gehen die alle trinken und schlafen."
Es sind Limousin-Rinder, eine besonders robuste Sorte aus der Gegend von Limoges in Frankreich. Die Tiere leben das ganze Jahr draußen und können ohne fremde Hilfe kalben. Hierher gebracht hat sie die holländische Familie Schlimmer, hier nach Milire, ein kleines Dorf ganz im Westen von Tschechien. Die Schlimmers betreiben hier ökologische Viehwirtschaft. Ökologisch heißt: Der Natur ihren Lauf lassen.
"So, die Mütter sind hier außen, sind das ganze Jahr draußen. Die Bullen gehen dazu für drei Monate."
Jan Willem Schlimmer. Mitte 30, ein sympathischer Typ, gelernter Immobilienmakler. Er hat den Betrieb vor Jahren von den Eltern übernommen.
"Und dann bekommen wir im nächsten Jahr die Kälber, so im Frühling für drei Monate. Und am Ende vom Sommer, September haben die Kühe wieder Ruhe."
Produziert wird Ökofleisch für den holländischen Markt. Derzeit sind es insgesamt 900 Tiere – Kühe, Bullen, Jungtiere und Kälber – die auf 1600 Hektar Land gehalten werden, hier in Cesky Les, einer Landschaft so schön wie das Allgäu. In dem ehemaligen Schulhaus, das sie gekauft und von Grund auf saniert haben, treffe ich Willem Schlimmer, einen liebenswürdigen älteren Herrn. In Holland war er schon ein erfolgreicher Geschäftsmann, Inhaber eines Bauernhofs und eine Gartencenters. 1991 wollte er etwas Neues anfangen. Deshalb ging er nach Prag, um die Chancen für großflächige ökologische Landwirtschaft zu erkunden. Am Ende kam er hier ins deutsch-tschechische Grenzgebiet..
"Weil eigentlich ist das überall ganz schwierig und hier war noch die Möglichkeit, und ich habe das versucht und eigentlich hat es ganz gut funktioniert, aber es hat unglaublich lange gedauert."
Ein langer Prozess
Zehn Jahre dauerte es, bis Willem Schlimmer soviel Land erworben hatte, wie er sich vorstellte. Von der tschechischen Regierung, die damals den Staatsbesitz privatisierte. Oder von Tschechen, die im Zuge der Restitution Land zurückbekamen, wenn sie im Kataster als Eigentümer eingetragen waren.
"Früher haben die einen Acker hinter dem Haus gehabt, aber da wohnt dann jemand anders. So haben die nicht diese Wiese zurückbekommen, sondern eine Gutschrift für die Hektar. Diese Papiere hat mein Vater gekauft. Und damit hatte man Anrecht auf Grundstücke von dieser und dieser Qualität."
Ein langwieriger Prozess. Schwierigkeiten gab es mit Gesetze, die immer wieder geändert wurden und politisch Verantwortlichen, die ständig wechselten. Die Behörden hätten aber korrekt gearbeitet, das betonen Vater und Sohn, und mit den Tschechen hier gab und gibt es für sie keine Probleme. Allerdings erinnert sich Willem Schlimmer an Versuche von alten Seilschaften, bei seinem Projekt einen Fuß in die Tür zu bekommen
"Ja ok, aber ich kann ihnen helfen, aber dann muss mein Sohn Direktor werden von ihrer Firma, und der muss soundso viel verdienen, und er kommt einmal im Monat kontrollieren, ob das alles stimmt, solche Sachen."
Seine Frau war sofort dabei, als ihr Mann nach Tschechien gehen wollte. Sie hat ihm in den ersten Jahren in Holland den Rücken freigehalten.
"Dann war er immer zehn Tage in der Tschechei und ich war Zuhause mit den 50 Kühen, mit drei Kindern und mit Ponys, mit der Administration von der Gärtnerei. Eigentlich weiß ich nicht so gut, wie ich das immer gemacht habe."
Heute ist sie immer noch häufig in Holland, kümmert sich aber vor allem um die Bewirtschaftung der sieben Ferienhäuser, die zum Besitz gehören. Denn nachdem die Schlimmers das Schulhaus, die Pfarrei und den Dorfladen saniert haben, sind ihnen weitere Häuser angeboten worden.
"Die Ferienhäuser haben wir eigentlich, weil immer Leute zu mir gekommen sind: Möchtest Du das bitte kaufen? Die haben Geld gebraucht, um ein neues Haus zu bauen. Wenn die schön in der Natur gelegen waren, habe ich sie gekauft."
Blick in die Zukunft
Heute beschäftigen sie zwölf Leute, die den Sommer über vor allem mit Heumachen beschäftigt sind. Um die Tiere durch den Winter zu bringen, werden 8000 bis 9000 Ballen benötigt, jeder so groß wie ein Traktorrad. Vor Kurzem hat Jan Willem ein weiteres ehemaliges Staatsgut gekauft, das seit 25 Jahren verfällt. Den einen intakten Stall aus Beton renovieren sie gerade, wie alles in Eigenregie mit örtlichen Handwerkern.
"Die Kälber werden draußen geboren, aber nur für den Winter, dass die Kälber es nicht so schwer haben, weil bekommen hier oft einen halben Meter Schnee. Dass die drinnen sein können und dann weiterwachsen können. Und dass ich die nicht, wie wir es jetzt oft gemacht haben, mit einem halben Jahr musste ich die verkaufen."
Langfristig will er die ganze Wertschöpfungskette in eigene Regie bringen, von der Zucht bis zur Schlachtung und Vermarktung. Aber das, glaubt er, wird wohl noch einmal zehn Jahre dauern. Aber er ist hier sesshaft geworden. Der Holländer lebt seit drei Jahren mit einer Tschechin zusammen. Das Paar hat inzwischen einen kleinen Sohn. Ist das Dorf Milire, das durch die Schlimmers neu belebt worden ist, für Jan Willem zur zweiten Heimat geworden?
"Ja, bestimmt. Ja, ich werde hier bleiben."
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