Rigaer Offenbarungen

Dom zu Riga
Dom zu Riga © Volker Michael
17.04.2014
Die lettische Hauptstadt Riga ist Europas Kulturhauptstadt des Jahres 2014. Zum musikalischen Rahmenprogramm gehört eine Reihe von Passionen. Natürlich stehen die Werke Johann Sebastian Bachs auf dem Programm des weltweit bekannten Lettischen Radiochores. Für ein Konzert im Rigaer Dom hat Chefdirigent Sigvards Kļava die Markus-Passion Bachs ausgewählt.
Deren Musik ist zwar verschollen. Umso kreativer können heutige Musiker andere Werke Bachs verwenden. Der lettische Chordirigent Kļava greift auf die Rekonstruktion des deutschen Musikers Diethard Hellmann zurück, die er selbst vor neun Jahren dem lettischen Publikum in Riga vorgestellt hat.Einen neuen Beitrag zur Gattung steuert ein junger lettischer Komponist bei. Der 37 Jahre alte Ēriks Ešenvalds hat die Worte des Evangelisten Lukas vertont und damit an eine moderne „Tradition“ angeknüpft. Vor beinahe 50 Jahren hatte ja Krzysztof Penderecki mit seiner Lukas-Passion ein musikalisches und ästhetisches Erdbeben verursacht. Wer rechnete damals noch mit komplexen biblischen Handlungen im Konzertsaal? Wie geht nun Ēriks Ešenvalds mit dieser doppelten „Bürde“ um, mit dem Gewicht der Vorbilder Bach und Penderecki?Der Komponist hat selbst viele Jahre im „Lettischen Akademischen Staatschor“ gesungen. Er versteht es nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrungen hervorragend, gesangliche Musik zu komponieren. Religiös authentisch ist seine Musik außerdem, denn Ešenvalds sieht sich selbst als gläubigen Menschen. Er spielt regelmäßig Orgel in Gottesdiensten in Riga.Und auch Sigvards Kļava betont den aktuellen spirituellen Wert der Passionen, seien sie nun alt oder neu. Er sucht und entdeckt jedes Mal auf Neue in Bachs Passionen „eine Dreieinigkeit aus Botschaft, Offenbarung und Erfüllung“.Die instrumentalen Partien in Bachs und Ēriks Ešenvalds Passionen übernehmen die Mitglieder der Sinfonietta Riga, eines Kammerorchesters, das schon häufig mit dem Lettischen Radiochor zusammen gearbeitet hat. Spannend ist an diesem Programm nicht zuletzt, wie die Sängerinnen und Sänger und die Instrumentalisten zwischen der historisch informierten Spielweise für die spätbarocke Passion und den zeitgenössischen Techniken, die sich in Ēriks Ešenvalds neuem Werk durchaus finden, hin- und herschalten.Mit diesem Konzert eröffnet der renommierte Lettische Radiochor eine ganze Reihe von Passionsaufführungen bis zum Karfreitag – es folgen im Rahmen der Kulturhauptstadtveranstaltungen noch die beiden großen (und vollständigen) Werke Johann Sebastian Bachs nach den Evangelisten Matthäus und Johannes.

Dom zu Riga
Aufzeichnung vom 04.04.2014

Johann Sebastian Bach
Markuspassion

ca. 21:10 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Ēriks Ešenvalds
Lukaspassion
Uraufführung

Elīna Šimkus, Sopran
Ieva Parša, Mezzosopran
Jānis Kurševs, Tenor
Daumants Kalniņš, Bariton
Lettischer Rundfunkchor
Sinfonietta Riga
Leitung: Sigvards Kļava

anschließend ca. 21:55 Uhr:
"Bachs Matthäuspassion"
Ein Essay von Martin Geck